ZdK-Präsidentin fordert „entschlossene EU-Kooperation in der Migrationspolitik“

Die Präsidentin des ZdK, Dr. Irme Stetter-Karp, forderte eine „entschlossene EU-Kooperation in der Migrationspolitik“.

Ein funktionierendes EU-Asylsystem ist ein langfristiges Projekt. Ebenso ausbaufähig ist das Konzept der Migrationspartnerschaften zwischen einzelnen Ländern. „Nur dann, wenn die EU und Deutschland die Interessen und Zwänge ihrer Partner adäquat berücksichtigen, können Migrations-Hebel ihre Wirkung entfalten“, sagte die Migrationsexpertin Dr. Marie Walter-Franke heute vor dem Hauptausschuss des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK).

Wer Migration steuern wolle, müsse entsprechende Anreize setzen, sagte sie. „Es gibt reichlich Potenzial, die bestehenden Hebel klüger zu nutzen. Die EU und Deutschland müssen mit ihren strategischen Partnern Lösungen entwickeln, die für beide Seiten vorteilhaft sind.“ Walter-Franke erforschte bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) bis Ende 2023 Migrationspartnerschaften. Seit 2024 arbeitet sie im Sachverständigenrat Integration und Migration (SVR) an einem Projekt zum Thema „Zugang zur Staatsbürgerschaft für Geflüchtete“. 

Als Beispiel für strategische Fehler der EU in der Migrationszusammenarbeit nannte Walter-Franke die Kommunikation zum Migrationsabkommen der EU mit Tunesien im Juli 2023. „Die EU präsentierte öffentlichkeitwirksam ihr Abkommen mit dem Land als migrationspolitischer Erfolg. Für Tunesien war es aber innenpolitisch wichtig, dass Migration neben den Bereichen Energie, Infrastruktur, Bildung und Budgethilfe nur ein Punkt unter vielen sein sollte. Die Gegenreaktion der tunesischen Regierung war also vorprogrammiert.“ „Aus diesen Fehlern sollten die EU und Deutschland Lehren ziehen“, so Walter-Franke. „Wenn Politiker*innen in Deutschland und Europa ihrer Wählerschaft migrationspolitische Erfolge signalisieren – worunter viele das Eindämmen von Migration verstehen –, wird das im Partnerland genau wahrgenommen. Das kann die Kooperationsbereitschaft der Partner erheblich einschränken.“ 

Die Präsidentin des ZdK, Dr. Irme Stetter-Karp, forderte eine „entschlossene EU-Kooperation in der Migrationspolitik“. Sie sagte: „Migration ist eine Realität, die gestaltet werden muss. Sie birgt große Chancen. Sie sorgt für Innovation in der Gesellschaft. Und sie gibt Zukunft.“ Gleichzeitig müssten die Ursachen für Migration genau angeschaut werden: „Es ist ein Skandal, dass Migrationsbewegungen weltweit vor allem durch Krieg, Not- und Mangelerfahrungen ausgelöst werden. Wir können uns der Mitverantwortung für ein menschenwürdiges Leben anderer nicht entziehen. Gleichzeitig können wir stärker als bisher wertschätzen lernen, dass Migrationspartnerschaften auch der deutschen Gesellschaft nützen.“

Walter-Franke warb für einen Fokus auf die Glaubwürdigkeit migrationspolitischen Handelns. „Nur das schafft langfristig Vertrauen. Und Vertrauen ist die Grundlage dafür, Migration gemeinsam gestalten zu können.“ Abkommen beeinflussten zudem nicht nur das Verhältnis zwischen der EU und dem jeweiligen Land, sondern auch Nachbarländer. „Für Ägypten ist es zum Beispiel schwer verständlich, dass Tunesien Geld dafür bekommt, seine Grenzen besser zu kontrollieren, während Ägypten dies bereits tut.“

Deutschland stehe mit dem Aufbau von Migrationspartnerschaften „ziemlich am Anfang“. Abkommen wurden bisher lediglich mit Indien (2022), Georgien (2023) und Marokko (2024) vereinbart. Es sei der richtige Weg, „durch umfassende Migrationspartnerschaften die verschiedenen Interessen Deutschlands im Bereich Migration besser nachzugehen, anstatt sich auf Rückkehr zu fokussieren“, so Walter-Franke. Gleichzeitig seien realistische Zielvorstellungen wichtig: „Migrationspartnerschaften sind nur eine von vielen Maßnahmen, mit denen Deutschland dem Fachkräftemangel und der irregulären Migration begegnen kann.“

Irme Stetter-Karp forderte, „bei geplanten Migrationspartnerschaften sensibel auf das Timing  zu achten. Gerade anstehende Wahlen können in beiden Partnerländern dazu verleiten, Druck und Anreize zu propagieren, die bei Wähler*innen kurzfristig gut ankommen, aber langfristig nicht funktionieren. Das belastet die Migrationspartnerschaft und macht sie weniger erfolgreich.“

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