Welche friedensethischen Lehren ziehen wir aus dem Ukraine-Krieg?

ZdK-Thema des Monats Mai 2023

Neue Klarheit

Russland hat am 24.02.22 die Ukraine angegriffen, der Krieg hat aber bereits 2014 mit der Annexion der Krim und Teilen des Donbass begonnen. Nachdem sich die Ukraine exzellent verteidigt und Russland den Verteidigungswillen unterschätzt hat, ist ein Abnutzungskrieg entstanden. In solchen Kriegen zählen Feuerkraft und Durchhaltefähigkeit.

Russland agiert jenseits des Kriegsvölkerrechts sowie jenseits aller Regeln eines militärischen Konfliktes. Das zeigt auch der Beschuss ukrainischer Ballungszentren und das Abschneiden der Versorgung für die Bevölkerung. Einen solchen Angriffskrieg rechtfertigt nichts. Ihn mit dem angeblichen Vorrücken der NATO zu erklären, ist eine Verharmlosung der Gewalt. Russlands Vorgehen ist furchtbar – ethisch, militärisch, menschlich.

Einige fordern, die Ukraine solle einlenken. Jeder Tod eines Menschen ist von Übel. Zugleich würde es bedeuten, das Russland-Unrecht hinzunehmen und die Unterdrückung des ukrainischen Volkes. Gerechtigkeit und Frieden gehören zusammen, wie es das Zweite Vatikanische Konzil betont.

Daher darf die Ukraine sich verteidigen, und wir haben den moralischen Auftrag, sie dazu zu befähigen. Waffenlieferungen sind als Hilfe und Schutz ethisch gerechtfertigt und unabdingbar. Angesichts des nuklearen Potenzials muss das mit Bedacht passieren, aber stetig. Zugleich muss das Bündnis wehrhaft bleiben. Deshalb sind die Finnen beigetreten, haben die Schweden es beantragt. Abschreckung wird wieder verstanden, finanziert und realisiert.

Angesichts des Krieges lassen sich militärische Notwendigkeiten neu erklären. Mit Klarheit ist in der Gesellschaft angekommen, dass pazifistische Positionen einem Wunschdenken entsprechen. Statt Desillusionierung sollten wir aber weiter um die richtige Strategie für Frieden "und" Gerechtigkeit ringen.

Dr. Ansgar Rieks
Vertreter des Katholikenrats beim Katholischen Militärbischof


Jetzt ist kluge Solidarität gefragt

Ein Leben in Frieden und Freiheit, wie wir es uns wünschen, muss von uns allen gestaltet und darf nicht allein politischen Parteien und dem Militär überlassen werden. Den Vorrang für Zivil müssen wir alle stärken.

Krieg soll nach Gottes Willen nicht sein – dieser einfache Satz gilt nach wie vor.  Wir benötigen eine Politik der Achtsamkeit, eine Haltung der Gewaltfreiheit und den Ausbau ziviler Konfliktbearbeitung.
Um eine tragfähige europäische Sicherheitsarchitektur aufzubauen, bedarf es weniger an wohlstandsverliebter Selbstbezogenheit, stattdessen eines Mehr an internationaler Kooperation. Dazu gehört der konsequente Umstieg auf erneuerbare Energien und faires, internationales Wirtschaften.

Wir haben uns als Christ*innen von der Option der Gewaltfreiheit des Evangeliumsimmer weiter entfernt und uns einer neoliberalen Politik unterworfen, die nur das „Ich selbst“ kennt. Die großen Fluchtbewegungen, das Sterben im Mittelmeer und selbst das Afghanistan-Desaster haben wir als fern von uns hingenommen. Doch mit dem brutalen Überfall Putin-Russlands auf die Ukraine sind Gewalt und Krieg wieder in Europa.

Jetzt ist kluge Solidarität mit den Ukrainer*innen gefragt, die eben nicht nur Waffenlieferungen bedeutet, sondern das Schaffen eines Umfeldes für Frieden. Dafür Maßnahmen und Kommunikationswege zu entwickeln ist die große Herausforderung! Dazu gehört die Einsicht, dass die großen globalen Katastrophen uns direkt betreffen und wir sie nur gemeinsam bewältigen können.

Gerold König
pax christi-Bundesvorsitzender

 

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