Freitag, 27. Januar 2023
Deutsche Katholikentage und Ökumenische Kirchentage als starke Stimmen der organisierten christlichen Lai*innen im gesellschaftlichen Konzert in Deutschland auch in Zukunft gestalten!
Beschluss des Hauptausschuss des Zentralkomitees der deutschen Katholiken
Angesichts der Verschiedenheit der Träger von Katholiken- und Kirchentagen und der unterschiedlichen Strukturen der Veranstaltungen sowie insbesondere der unverzichtbaren Bedeutung der jeweiligen Veranstaltungen für die Träger und die Kirchen, werden Katholikentage als bundesweite kirchliche Großereignisse in Deutschland weiterhin in einem regelmäßigen Rhythmus durch das ZdK geplant und durchgeführt. Der konkrete Rhythmus wird in Hinblick auf Aufwand, Finanzierung und Teilnehmer*innenzahl überprüft. Die Katholikentage geben künftig verstärkt in ihren Programmangeboten der bi- und multilateralen Ökumene einen großen Raum, fördern aktuelle ökumenische Entwicklungen und beziehen regionale ökumenische Besonderheiten am jeweiligen Veranstaltungsort sichtbar mit ein. Als ein sichtbares Zeichen wird ein weiter aufgewerteter zentraler ökumenischer Gottesdienst Teil des Katholikentags sein. Weiterhin findet eine intensive und partizipative Auseinandersetzung mit dem Format des Katholikentags statt, welches moderner, generationengerecht und an die Entwicklungen der Zeit angepasst wird. Insbesondere wird das Ziel der Veranstaltung beschrieben, die Zielgruppe festgelegt und Formate, die dieser gerecht werden, entwickelt.
Das ZdK setzt sich dafür ein, dass in sinnvollen Abständen (z.B. alle sieben oder neun Jahre) Ökumenische Kirchentage geplant und durchgeführt werden und dazu Gespräche mit dem Deutschen Evangelischen Kirchentag und der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) geführt werden.
Begründung:
Katholikentage sind unverzichtbar für die katholische Kirche in Deutschland und darüber hinaus.
Angesichts der geringeren Teilnehmendenzahlen beim Stuttgarter Katholikentag 2022 gegenüber dem Vorgängerereignis in Münster wurde öffentlich diskutiert, solche Veranstaltungen in Zukunft nur noch ökumenisch, d.h. in Kooperation mit dem Deutschen Evangelischen Kirchentag (DEKT) zu planen. Bei solchen Überlegungen wird aber nicht berücksichtigt, welche Bedeutung ein Katholikentag für die organisierten katholischen Lai*innen, Organisationen, Räte, Gemeinschaften und Initiativen, für die gesamte katholische Kirche in Deutschland und darüber hinaus hat und was es bedeuten würde, wenn diese Veranstaltung ersatzlos entfiele. Damit ist nicht gesagt, dass sich Katholikentage nicht auch in ihren Veranstaltungsformen ändern können und müssen, was sie in ihrer Geschichte immer wieder getan haben.
Von außen und oberflächlich betrachtet sind sich Kirchen- und Katholikentage sehr ähnlich, bei näherem Hinsehen zeigen sich jedoch erhebliche Unterschiede.
Insbesondere die Bedeutung bzw. Funktion der kirchlichen Großereignisse ist für die Veranstalter und für die Kirchen jeweils eine andere.
Katholikentage sind unverzichtbar als relevante Begegnungsorte in Gesellschaft, Politik und den Kirchen
Bis heute sind Katholikentage die einzige bundesweite Möglichkeit für organisierte katholische Lai*innen untereinander und mit Repräsentant*innen aus Politik, Gesellschaft, den Kirchen und aus der ganzen Welt, zu relevanten Themen ins Gespräch zu kommen. Der zwei-jährige Rhythmus der Katholikentage ist deshalb sinnvoll und hat sich bewährt, weil junge Menschen nur in dieser engen Taktung ihre oft guten Erfahrungen von Veranstaltung zu Veranstaltung an die nächste „Katholikentags-Generation“ weitertragen und selbst ein weiteres Mal kommen können, ehe sie in der Ausbildung oder der Familienphase dem Katholikentag für einige Zeit fernbleiben.
Was einen Katholikentag zum Katholikentag macht
Eine Arbeitsgruppe im Zentralkomitee der deutschen Katholiken, die sich im Jahr 2003 mit der Zukunft der Katholikentage befasste, schrieb ihnen drei Grundfunktionen zu:
- Eine gesellschaftlich-politische Funktion:
Der Katholikentag ist das einzige bundesweite Forum, durch das Katholik*innen in Deutschland unmittelbar mit politisch Verantwortlichen in das Gespräch kommen können und aus ihrer christlichen Überzeugung heraus politische Forderungen formulieren, d. h. öffentlich Position beziehen. Teilnehmende gewinnen gesellschaftspolitische Impulse für ihre Arbeit vor Ort. - Eine innerkirchliche Funktion:
Der Katholikentag ist das einzige, breit aufgestellte bundesweite Forum, auf dem Katholik*innen theologische und kirchliche Themen diskutieren und so zu einer innerkirchlichen Meinungsbildung und einer Identitätsbildung als katholische Kirche beitragen. Durch den Katholikentag wird Kirche, auch als Weltkirche, in ihrer ganzen Vielfalt, erlebbar und zugleich gestaltet. - Eine individuell-persönliche Funktion:
Der Katholikentag dient der persönlichen Orientierung und der spirituellen Stärkung, d.h. einer Stärkung christlicher Identität. Das ist besonders wichtig in einer Zeit, in der das kirchliche Leben vor Ort (Pfarrgemeinde) mehr und mehr an Bedeutung verliert oder gar nicht mehr erlebbar ist.
Alle drei Funktionen zusammen sind unverzichtbar für jeden Katholikentag. Fehlt nur eine der drei Funktionen, wird der Katholikentag zu einer anderen Veranstaltung.
Durch die Beschreibung seiner Funktionen wird deutlich, welche Bedeutung der Katholikentag nicht nur als weltweit einzigartige Veranstaltung für die Katholik*innen in Deutschland hat, sondern auch für die Katholische Kirche als Ganze im Blick auf deren gesellschaftspolitische Wirksamkeit und als Ort christlicher Spiritualität.
Katholikentage haben eine lange und starke ökumenische Geschichte
Die Ökumene auf Katholikentagen hat eine lange und starke Tradition, auch wenn sie im Blick auf die multilaterale Ökumene noch ausbaufähig ist. Die ersten Annäherungen an die Ökumene gab es bereits in den 50er und 60er Jahren mit der Einladung einzelner prominenter evangelischer Mitwirkender. Von 1968 an bzw. in den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts wurden die ökumenischen Veranstaltungen vielfältiger und selbstverständlicher. Zentrale Ökumenische Gottesdienste (seit 1968), auch ökumenische Frauengottesdienste und ökumenische Veranstaltungen sowie Ökumene-Zentren sind selbst-verständliche Programmteile bei Katholikentagen.
Deutsche Evangelische Kirchentage setzen stärker auf Personen aus der Ökumene in den Vorbereitungsgremien und als Mitwirkende in Veranstaltungen und kennen ebenfalls große zentrale ökumenischen Gottesdienste, nicht aber Ökumene-Zentren, die zur theologischen und gesellschaftspolitischen Diskussion einladen. Im Bereich der Kirchenmusik und der Kultur ist die ökumenische Zusammenarbeit bei Kirchen- wie bei Katholikentagen inzwischen selbstverständlicher Teil des Programms.
Was Evangelische Kirchentage von Katholikentagen unterscheidet:
Im Gegensatz zu den Deutschen Katholikentagen, die von Beginn an bis heute eine kirchen- und gesellschaftspolitische Zielrichtung hatten und deren Träger sich als Teil der Katholischen Kirche verstehen, stellt sich das bei den Deutschen Evangelischen Kirchentagen anders dar. Der Deutsche Evangelische Kirchentag, der 1949 durch Reinold von Thadden u. a. ins Leben gerufen wurde, hat seine Wurzeln im Pietismus und in der Verbundenheit mit der weltweiten Ökumene. Er versteht sich bis heute als Zusammenschluss und Bewegung engagierter evangelischer Christ*innen, die der individuelle christliche Glaube zusammenführt und die sich als Einzelne – d.h. nicht repräsentativ - zu bestimmten innerkirchlichen oder politischen Fragen äußern. Der Kirchentag bietet die Plattform dafür und versteht sich nicht als Teil der Kirche, sondern sieht sich als Bewegung unabhängig von der Institution Kirche. Evangelische Organisationen und Verbände spielen im DEKT eine nur untergeordnete Rolle im Vergleich zu der Rolle der katholischen Organisationen und Diözesanräte für einen Katholikentag. Die Kirchentagsbewegung ist groß und reicht bis in die Gemeinden: Viele engagierte evangelische Christ*innen fahren selbstverständlich zum nächsten Kirchentag. Deshalb sind die Teilnehmendenzahlen meistens deutlich höher als bei Katholikentagen. Katholik*innen haben dagegen jenseits des Katholikentags im Jahr noch viele andere bedeutsame regionale oder internationale Anlässe, sich zu treffen.
Allerdings will und kann keine dieser anderen katholischen Veranstaltungen einen bundesweiten Katholikentag ersetzen.
Das Ökumene-Verständnis des DEKT umfasst nicht nur die interkonfessionelle Ökumene, sondern auch die Ökumene unter den evangelischen Kirchen weltweit. Dieses unterschiedliche Verständnis erschwert gelegentlich das gemeinsame Arbeiten. Sollte es zukünftig nur noch Ökumenische Kirchentage geben, wäre ein Bedeutungsverlust der katholischen Organisationen und Räte in der Veranstaltung angesichts des unterschiedlichen Selbstverständnisses und wegen der zahlenmäßigen Dominanz des evangelischen Mitveranstalters über kurz oder lang anzunehmen.
Auch die Träger der Katholikentage bzw. Deutschen Evangelischen Kirchentage selbst sind sehr unterschiedlich. Während der DEKT ausschließlich Kirchentage veranstaltet und dafür seine gesamten personellen Ressourcen einsetzen kann, sind die Katholikentage für das Zentralkomitee zwar eine zentrale, aber nicht die einzige Aufgabe, die mit einem deutlich geringeren Personal geleistet werden muss. Daraus ergibt sich schon systemisch ein Ungleichgewicht, das sich auch in der Programmatik zeigen könnte.