Salzkörner

Freitag, 19. Dezember 2014

Die Zeit des Taktierens ist vorbei

Ergebnisse des UN-Klimagipfels

Warum wir beim Klima jetzt handeln müssen

In Lima trafen sich – wie jedes Jahr im Dezember – hunderte Regierungsvertreter und Vertreter von Nichtregierungsorganisationen zum UN-Klimagipfel, jener Konferenz, bei der sie über Maßnahmen zum Schutz des Weltklimas verhandeln. Ziel war es, ein Klimaabkommen vorzubereiten, das im Dezember 2015 in Paris verabschiedet werden soll.

Manche sehen die UN-Klimaverhandlungen mangels konkreter Ergebnisse kritisch. Die Konferenz ist jedoch der derzeit einzige vorstellbare Rahmen, in dem es gelingen kann, im Ringen um Kompromisse und gemeinsame Ziele, als Weltgemeinschaft den großen Herausforderungen des Klimawandels entgegenzutreten. Auf ein Ziel konnte man sich schon vor einigen Jahren einigen. Die globale Erwärmung soll auf zwei Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau begrenzt werden. Um dieses Ziel – oder besser gesagt Limit – zu erreichen, gilt es die Treibhausgasemissionen bis zur Mitte des Jahrhunderts um 50 bis 80 Prozent gegenüber 1990 zu senken. Doch konkrete Vereinbarungen, wer welchen Anteil zu tragen hat, fehlen bislang.

Deutlich ambitioniertere Ziele nötig

Die Europäische Union geht derweil schon einmal mit verbindlichen Zielen voran. Im Oktober hat der Europäische Rat den Klima- und Energierahmen bis 2030 verabschiedet. Kernelement dessen ist eine Zieltrias aus 40 Prozent Einsparung an CO2-Emissionen, 27 Prozent Anteil Erneuerbarer Energien am Energieverbrauch und ein um 27 Prozent geringerer Energieverbrauch. Dieser Entscheidung vorausgegangen ist ein Gezerre zwischen den verschiedenen Organen der EU und den Mitgliedsstaaten – die deutschen Forderungen waren mit 40-30-30 schon nicht ambitioniert, während andere Länder lieber gleich nur ein anstatt drei Ziele gehabt hätten.

Wenigstens wurden die Ziele als Mindestziele formuliert, könnte man sich fast noch freuen. So bleibt zumindest die Hoffnung, dass sich einzelne Mitgliedsstaaten ambitionierte Kennzahlen stecken. Umwelt- und Entwicklungsorganisationen sind sich jedoch einig, dass das europäische Engagement hinten und vorne nicht reichen wird, um das übergeordnete und bereits vereinbarte Ziel von 80 bis 95 Prozent weniger Treibhausgasausstoß gegenüber 1990 bis zum Jahr 2050 noch erreichen zu können. Die EU bewies zwar damit vor den UN-Klimaverhandlungen, dass sie bereit ist, konkrete Verpflichtungen einzugehen, wenn es aber mehr als ein Zeichen sein soll, müsste die europäische Klimapolitik sich deutlich ambitioniertere Ziele stecken, die sich an CO2-Einsparungen von 50 bis 55 Prozent bis zum Jahr 2030 orientieren.

Die Heizung runterdrehen

Doch die Zeit drängt. Der Klimawandel ist keine ferne Bedrohung mehr, sondern bereits Realität. Um 1,5 Grad Celsius liegt die globale Mitteltemperatur bereits über dem vorindustriellen Niveau. Die Konsequenzen kennen wir aus den Nachrichten: Hitzerekorde, Wetterextreme, Naturkatastrophen, abschmelzende Gletscher etc. Der kürzlich erschienene Bericht der Weltbank zum Klimawandel mit dem bezeichnenden Titel „Turn Down the Heat“, nimmt nicht nur das als neuen Normalzustand zur Kenntnis, sondern geht auch davon aus, dass selbst bei sofort wirksam werdenden Maßnahmen zur Reduktion von Treibhausgasemissionen, sich die Folgen des Klimawandels bis zur Mitte des Jahrhunderts nicht mehr umkehren lassen. Das Ziel, die Erderwärmung auf zwei Grad zu begrenzen, wird nicht den Klimawandel aufhalten können. Naturkatastrophen und Dürren werden bis zur Mitte des Jahrhunderts auch dann zunehmen, wenn die Temperaturerwärmung zwei Grad Celsius nicht überschreitet. Das Zwei-Grad-Limit hilft aber die Auswirkungen des Klimawandels zu minimieren und den Klimawandel in einem Rahmen zu halten, in dem er als beherrschbar gilt.

Um voran zu kommen, sollten sich die handelnden Akteure vor Augen halten, dass die Bekämpfung des Klimawandels nicht nur eine Frage der (ökonomischen) Vernunft, sondern auch der Gerechtigkeit ist. Von den Folgen des Klimawandels sind vor allem die Menschen im globalen Süden betroffen. Ihre Situation wird sich angesichts von zunehmenden klimabedingten Wetterextremen dramatisch verschlechtern. Sie haben im Gegensatz zu den Industrienationen bisher jedoch kaum nennenswert zum Klimawandel beigetragen. Sie sind nicht zuletzt auch besonders betroffen, weil sie nicht die Mittel haben, um Maßnahmen zu ergreifen, sich auf den Wandel einzustellen und auf ein verändertes Klima mit starken Wetterextremen zu reagieren. Dies gilt besonders für Regionen, die zur Versorgung der Bevölkerung auf ihre landwirtschaftlichen Strukturen angewiesenen sind, unter anderem in Teilen Afrikas und Asiens. Der Mangel an Nahrungsmitteln infolge von Ernteausfällen ist eine zwangsläufige Folge. Die Bekämpfung von Hunger und Armut wird unter diesen Bedingungen zu einer noch größeren Herausforderung, als wir sie ohnehin schon erleben. Es liegt also in der Verantwortung insbesondere reicher Industrienationen, durch ihr Handeln die klimatischen Gegebenheiten in den südlichen Ländern nicht weiter zu verschärfen.

Taktieren ist keine Option mehr

Als Christinnen und Christen haben wir eine besondere Verantwortung für die Bewahrung der Schöpfung. Es gilt natürliche Ressourcen zu schützen und auch für nachfolgende Generationen eine gute Lebensgrundlage zu erhalten. Diese Perspektive gerät ebenso wie die der internationalen Gerechtigkeit in den UN-Verhandlungen zu oft aus dem Blick. Kurzfristige nationale Interessen werden in den Vordergrund gestellt und blockieren so wirksame Maßnahmen. Es herrscht das Gefühl, wer sich zuerst bewegt, hat verloren.

Taktieren ist aber keine Option mehr. Jetzt muss gehandelt werden! Es gilt gegenüber der Politik auf rasches und entschlossenes Handeln für den Klimaschutz zu drängen – wie es das ZdK kürzlich getan hat. Doch wir müssen nicht auf Entscheidungen auf UN-Ebene und ein Weltklimaabkommen warten. Ein wichtiger Schritt ist, den öffentlichen Diskurs zur Klimaentwicklung und zu einem konsequenten Klimaschutz zu befördern und das Themenfeld immer wieder in das Zentrum der gesellschaftlichen und politischen Debatte zu rücken. Jeder und jede Einzelne hat die Möglichkeit, in seinem Umfeld zu handeln und als Vorbild in die Gesellschaft zu wirken. Möglichkeiten dazu gibt es genug: von kritischem Konsum mit klimafreundlicher Ernährung über die Nutzung umweltfreundlicher Verkehrsmittel bis zur Energieberatung und energetischer Optimierung der eigenen Wohnung. Die kritische Reflexion des eigenen Lebenswandels kann für alle ein guter Ausgangspunkt zu einem klimafreundlicheren Handeln sein.

Wolfgang Ehrenlechner, Bundesvorsitzender des BDKJ, Mitglied im ZdK

Mehr hierzu finden Sie unter: www.kritischerkonsum.de und http://www.zdk.de/veroeffentlichungen/erklaerungen/detail/Der-Weltklimagipfel-in-Paris-2015-Wendepunkt-fuer-unsere-Erde--220I/

 


Mithelfen. Mitwirken. Mitlaufen.

Ökumenischer Pilgerweg zur UN-Klimakonferenz in Paris 2015

Ein breites ökumenisches Bündnis aus Diözesen, Landeskirchen, christlichen Entwicklungsdiensten, Missionswerken und (Jugend-)Verbänden lädt zu einem Pilgerweg für Klimagerechtigkeit von September bis Anfang Dezember 2015 ein. Der Pilgerweg verläuft von Flensburg mit Etappen in Deutschland u. a. über Rendsburg, Blankenese, Buxtehude, Bremen, Vechta, Osnabrück, Münster, Dortmund, Wuppertal, Köln, Euskirchen, Prüm bis nach Trier und dann weiter Richtung Paris mit einem aus Süddeutschland kommenden Zulauf.

Der Pilgerweg nach Paris möchte spirituelle Besinnung mit politischem Engagement verbinden. Im Vorfeld der UN-Klimakonferenz möchten wir auf die globale Dimension des Klimawandels aufmerksam machen, die Diskussion um Gerechtigkeitsfragen voran bringen und ein sichtbares Zeichen für ein gerechtes neues Abkommen setzen. Durch Workshops und politische Aktionen soll eine breite Öffentlichkeitswirksamkeit erreicht werden und Forderungen der ökumenischen Bewegung an die Klimakonferenz formuliert werden.

Nähere Informationen unter: Geschäftsstelle zum Ökumenischen Pilgerweg zur UN-Klimakonferenz in Paris, Stefanie Maur-Weiß, Tel: 040 / 8190 1686, oder unter: http://www.kirchen-fuer-klimagerechtigkeit.de/2014/10/pilgerweg-zur-un-klimakonferenz-in-paris-2015/


 

Autor: Wolfgang Ehrenlechner, Bundesvorsitzender des BDKJ, Mitglied im ZdK

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