Salzkörner

Dienstag, 30. Juni 2015

Ein Ordnungsrahmen für den Welthandel: Freihandelsabkommen sind nötig

Kritische Stimmen oft von Anti-Amerikanismus und angstmachenden Begrifflichkeiten geprägt

Ob Seidenstraße, Salzstraße, Weihrauchstraße – die bis in die Urzeit der Menschheit zurückreichenden Handelswege zeigen, wie wichtig und prägend der weltweite Handel für die Geschichte und Entwicklung der Menschheit war. Handel ist viel mehr als der Austausch von Gütern und Waren. Handel war und ist auch immer Austausch von Kultur, Wissenschaft, Kunst, Forschung, Erkenntnis und Verständnis für- und miteinander.

Immer schon regelten Abkommen die Wege und Weise des Handels und waren essentielle Regelwerke für Handel- und Gewerbetreibende, Regierungen und Berufsgruppen. Ohne entsprechende Freibriefe entlang der Handelsrouten gab es kein Durchkommen – manche Burg am Rhein zeugt noch von Zollsystemen früherer Jahrhunderte. Erst allmählich hat sich ein "Primat des Rechts" durchgesetzt. Hierzu gehören Abkommen und Verträge zwischen Staaten, um ihren Warenaustausch und Handel zu regeln. Damit sichern Abkommen und Verträge den Frieden und wirtschaftliche Entwicklung weltweit. Protektionismus dagegen ist ein Rückfall in Zeiten der Dominanzbestrebungen und eine Absage an internationale Kooperation und friedliche Entwicklung.

Globalisierung – Auf dem Weg zu Freihandelsabkommen

Heute ist die Welt ein Dorf. Entfernungen spielen kaum noch eine Rolle. Moderne Transportmöglichkeiten haben die internationale Arbeitsteilung beflügelt. Der weltweite Bedarf an unterschiedlich vorhandenen Rohstoffen ist enorm gestiegen. Der digitale Wandel, hat fast jeden Winkel dieser Erde und jede wirtschaftliche Tätigkeit erfasst. Ohne Kooperation, Kommunikation und einen wertegeleiteten Ordnungsrahmen wird die Welt und werden nationale Entscheidungsträger mit mächtigen Interessensverbänden und nicht demokratisch legitimierten Machtkonzentrationen in Wirtschaftssektoren konfrontiert. Dies zu verhindern und letztlich den Wertekanon der Aufklärung und des Humanismus wie Demokratie, Freiheit, Menschenrechte und Gemeinwohl, in globale Standards zu transferieren – diese Aufgabe erfüllen Freihandelsabkommen. Letztlich schützen sie damit auch regionale Wertschöpfung und fördern Beschäftigung, Einkommen und gesellschaftliche Entwicklung weltweit.

In dieser globalisierten Welt entsprächen multilaterale Abkommen viel mehr den Notwendigkeiten der Moderne und des fairen Miteinanders – gerade auch im Verhältnis von Entwicklungs und Industrieländern. Aber leider stocken die WTO-Verhandlungen seit Jahren. Deshalb sollten Länder und Wirtschaftsräume mit bilateralen Abkommen vorangehen. Diese könnten und sollten aber nicht als "closed shop" verstanden werden, sondern offenstehen für weitere Länder.

TTIP und CETA - Eine neue internationale Öffentlichkeit macht mobil

Das Transatlantische Freihandelsabkommen ist ein Freihandels- und Investitionsschutzabkommen zwischen der EU und den USA, das seit Juli 2013 verhandelt wird. Bereits in den 1990er-Jahren gab es Versuche, multilaterale Investitionsabkommen zu schließen, die aber immer wieder scheiterten. Als aktueller Testfall für TTIP gilt das bereits ausverhandelte, weniger in der Öffentlichkeit stehende Comprehensive Economic and Trade Agreement (CETA) zwischen der EU und Kanada, das ebenso wie TTIP umstritten ist. Handelsabkommen sind nicht sui generis fair, umweltverträglich, sozial und das Gemeinwohl stärkend, deshalb ist ihre ständige Weiterentwicklung sehr wichtig. Und der digitale Wandel sowie die neuen weltweiten Kommunikations- und Vernetzungsmöglichkeiten haben auch die globale Öffentlichkeit verändert. Der Protest gegen die transatlantischen Abkommen TTIP und CETA hat die EU-Kommission wie Regierungen der EU-Mitgliedsstaaten gleichermaßen überrascht, da sich in den letzten 30 Jahren oft nur Spezialisten für internationale Verhandlungsrunden – sei es WTO, Doha oder auch bilaterale Abkommen – interessiert haben. Dieses öffentliche Interesse ist als Chance und nicht als Hindernis zu begreifen. Die neue transparentere Kommunikation der EU-Kommission sowie die vielfältigen Diskussionsforen über TTIP und CETA sind daher unbedingt zu begrüßen.

Die Welt braucht eine neue transatlantische Partnerschaft

Wir hoffen aber, dass die Verhandlungen nicht endgültig scheitern! Es gibt viele Argumente, die gegen TTIP und CETA ins Feld geführt werden. Wir wollen hier die Vorteile des Abkommens und die Notwendigkeit dieser Kooperation zwischen der EU und den USA beleuchten. Gemeinsam stellen die USA und die EU ein Drittel des gesamten Weltmarktes dar. Eine Verständigung auf gemeinsame Standards kann prägend für die globale Entwicklung sein:

  • Eine gemeinsame Verpflichtung auf faire Arbeits- und Produktionsbedingungen in ihren Produktionsstätten rund um die Welt könnte in Zukunft helfen, furchtbare Unglücke wie in Bangladesch zu verhindern.
  • Ressourcenausbeutung und -verwertung in Drittländern sollen nach Regeln und Standards für Produktionsbedingungen, Arbeitnehmerrechten, Gesundheits- und Umweltschutz erfolgen, zu denen beide Partner sich im Abkommen verpflichtet haben.
  • Bei allen Unterschieden in Rechts-, Zulassungs- und Sozialsystemen sind die USA und die EU die größten demokratischen Machtblöcke dieser Welt. Wir sind diesseits wie jenseits des Atlantiks den Grundprinzipien von Freiheit, Demokratie und Menschenrechten verpflichtet.
  • Wir haben kulturell und historisch gemeinsame Wurzeln in Aufklärung und Humanismus und unsere Gesellschaften sind überwiegend christlich geprägt. Dies prägt auch die Unternehmen und ihre Unternehmenskulturen.

Ein Appell für eine sachliche Debatte!

Manch kritische Stimme dieser Tage ist bei näherem Betrachten von Anti-Amerikanismus, Emotionen und angstmachenden Begrifflichkeiten geprägt. Im Protest zivilgesellschaftlicher Organisationen und Initiativen kommen sämtliche Ängste der modernen Zeit zum Ausdruck: ob Datenschutz, Gentechnik, Chlorhühnchen, Verbraucherschutz, Gesundheitsschutz, Urheberschutz, Kulturgüter oder kommunale Kompetenzen, Mega-Konzerne und Arbeitnehmerrechte – es scheint, als ob alle Ängste der modernen Zeit sich im Protest gegen TTIP und CETA kumulieren.

Kritische Stimmen gibt es übrigens auch in den USA: Eltern fürchten die Absenkung der höheren Jugendschutzaltersgrenzen für Tabak und Alkohol, Kommunen den Wegfall ihrer Privilegien zur Bevorzugung amerikanischer Firmen und Produkte, Verbraucherorganisationen die Aufweichung der strengeren amerikanischen Finanzmarktregeln – um nur einige Bedenken der amerikanischen Öffentlichkeit zu nennen.

TTIP als "Top Runner" für eine neue Generation von Abkommen

Dennoch: wir begrüßen die kritische Begleitung der Verhandlungen und die öffentliche Aufmerksamkeit, die TTIP und auch CETA dieser Tage von Seiten der Parlamente und der gesellschaftlichen Organisationen in den USA und der EU erfahren. Die Diskussion ist ein Zeugnis unserer reifen demokratischen Verfasstheit!

Diese kritische Begleitung ist notwendig, da der erfolgreiche Abschluss der Verhandlungen weit über den Abbau von Handelshemmnissen hinaus geht! Gerade weil dieses Abkommen eine derartige öffentliche Aufmerksamkeit erfährt, kann es die neue Mastervorlage für zukünftige bilaterale und multilaterale Abkommen werden. Die beispielsweise derzeit hitzig diskutierte Frage der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit kann jetzt zwischen den USA und der EU als zukünftiger Standard neu definiert werden!

Auch andere Fragen wie Positiv- oder Negativlisten, der Einfluss technischer Kontrollgremien auf demokratische Willensbildung, Fragen des Verbraucher-und Datenschutzes, Arbeitnehmerrechte –  darüber darf und muss man differenziert debattieren! Gute Vorschläge: very welcome!

Machen wir gemeinsam aus TTIP und CETA ein Top-Runner Abkommen! Ein Modell internationaler Kooperation, an der sich alle anderen Wirtschaftspartner weltweit orientieren können und müssen! Mit Respekt füreinander und auf der Basis unserer gemeinsamen demokratischen Grundwerte. Mit den besten Standards für Umwelt- und Verbraucherschutz. Bleiben wir kritisch und wachsam und begleiten wir die Kommission und die US-Regierung aufmerksam bei ihren Verhandlungsrunden, aber positiv in der Grundausrichtung:

Deshalb: Ja zu TTIP und CETA, ja zur transatlantischen Partnerschaft, ja zu einem neuen, gemeinsamen Verständnis über Welthandel und Wirtschaft.

 

 

 

 

 

Autor: Hildegard Müller, Sprecherin für Wirtschaft und Soziales im ZdK Michael Wedell, Mitglied des ZdK

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