Salzkörner

Dienstag, 31. Oktober 2017

Friedensgespräche in Münster

Katholikentag reiht sich in lange Tradition ein

"Suche Frieden" heißt das Leitwort des 101. Katholikentags in Münster. Das ist leichter gesagt als getan: Seit jeher sehnen sich Menschen nach Frieden – doch kaum eine Epoche oder Region kam ohne Krieg aus. In einer großen Ausstellung werden Münsters Museen 2018 an gleich fünf Standorten der Frage nachgehen, warum Menschen stets den Frieden wünschten, warum ihn zu bewahren aber auf Dauer nie gelang. Die Schau mit dem Titel "Frieden. Von der Antike bis zur Gegenwart" wird zeigen, wie viele Symbole und Allegorien, Gesten und Rituale des Friedens durch die Epochen hindurch Geltungskraft hatten und welche Typen der Vertrags- und Friedensschlüsse sich über die Jahrhunderte herausbildeten: 400 Jahre nach Beginn des Dreißigjährigen Krieges 1618 und 100 Jahre nach Ende des Ersten Weltkriegs laden Münsters Museumsmacher und Wissenschaftler die Besucher ein, sich mit einem der größten Menschheitsthemen in historisch weiter Perspektive auseinanderzusetzen.

 

Dass es selbst in verzweifelter Lage lohnen kann, um Frieden zu ringen, dafür steht Münsters Rathaus: Als im 17. Jahrhundert in Europa drei Jahrzehnte Krieg geführt worden war und die Gräben zwischen den Konfessionen nicht tiefer sein konnten, kamen im katholischen Münster und im evangelischen Osnabrück Gesandte fast aller europäischen Mächte und der Reichsstände zusammen. Nach jahrelangen multilateralen Verhandlungen wurde am 15. Mai 1648 in Münsters Rathaus der spanisch-niederländische Frieden beschworen und verkündet – ein wichtiger Teil des Westfälischen Friedens, der manchem bis heute als Vorbild gilt. Denn er schuf nach Jahrzehnten der konfessionellen, verfassungs- und mächtepolitischen Konflikte religiöse Toleranz – entscheidend für ein friedliches Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher religiöser Identität.

Auch heute leben wir in religionspolitisch schwierigen Zeiten: Fundamentalisten fordern die globalisierte Gesellschaft und den säkularen Staat heraus. Religiös begründete Anschläge in aller Welt rufen die Frage nach dem Verhältnis der Religionen zur Gewalt hervor. Die Religionsfreiheit steht vielerorts für religiöse Minderheiten unter Druck. In Deutschland ist die Religionsvielfalt durch Zuwanderung gewachsen. Die Zahl der Konflikte von Moscheebau über Kruzifix und Kopftuch nimmt zu. Zur Debatte steht, wie sich die Pluralität politisch, rechtlich und gesellschaftlich gestalten lässt, damit religiöse Mehr- und Minderheiten friedlich zusammenleben.

Das soll nicht zuletzt beim Katholikentag diskutiert werden: Dazu lädt etwa der "Open-Air-Hörsaal" ein, der gemeinsam mit dem Exzellenzcluster "Religion und Politik" der Universität entsteht. Die Uni schreibt die Forschungsvermittlung groß, nicht zuletzt in den Geisteswissenschaften. So laden Stadt und Wissenschaft jährlich zur Reihe "1648 – Dialoge zum Frieden" ein: Aktuelle Konfliktthemen werden mit Gästen aus Politik, Kultur, Religionen und Wissenschaft erörtert. Hier reiht sich auch der bundesweit einzigartige Campus der Religionen ein, den die Universität bis 2022 baut. Er führt die katholische, evangelische und islamische Theologie sowie Teile der bekenntnisungebundenen Religionsforschung zusammen und wird die interdisziplinäre und interreligiöse Verständigung stärken.

Die Rathäuser von Münster und Osnabrück erhielten 2015 das "Europäische Kulturerbe-Siegel" – so wurde das bauliche Erbe und das lebendige Geschichtsbewusstsein geehrt. Der 101. Katholikentag, der beinahe auf den Tag 400 Jahre nach Verkündung des spanisch-niederländischen Friedens zum Motto "Suche Frieden" tagt, ist regelrecht dazu gemacht, sich in Münsters Tradition der religions- und friedenspolitisch sensiblen Dialoge einzureihen.

Autor: Viola van Melis | WWU Westfälische Wilhelms-Universität Münster, Leiterin des Zentrums für Wissenschaftskommunikation am Exzellenzcluster "Religion und Politik"

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