Salzkörner

Mittwoch, 31. August 2016

Keine Gewalt im Namen Gottes – auch keine verbale!?

Zu den Reaktionen auf die aktuelle Erklärung des Gesprächskreises "Christen und Muslime" beim ZdK

Am Vortag des 100. Deutschen Katholikentags wurde der Vollversammlung des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) in Leipzig und der breiten Öffentlichkeit die Erklärung "Keine Gewalt im Namen Gottes! Christen und Muslime als Anwälte für den Frieden" des Gesprächskreises "Christen und Muslime" beim ZdK vorgestellt. Teils schockierende Reaktionen auf den Erklärungstext geben Anlass zur Nachdenklichkeit.

Unmittelbar nach der Vorstellung der Erklärung in Leipzig durch ein Impulsreferat von Prof. Dr. Mouhanad Khorchide (Münster) und zwei Mitglieder des Gesprächskreises, Prof. Dr. Anja Middelbeck-Varwick (Berlin) und Hamideh Mohagheghi (Paderborn), gingen über die Social-Media-Kanäle des ZdK die ersten, teils sehr kritischen und heftigen, Reaktionen ein. Zu diesem Zeitpunkt war die knapp 25 Seiten umfassende Erklärung erst wenige Minuten und Stunden der Öffentlichkeit zugänglich und löste offensichtlich allein aufgrund der Tatsache, dass Christen und Muslime gemeinsam ein solches Papier erarbeitet haben, teils hemmungslose verbale "Beißreflexe" aus.

Unverhohlene Menschenfeindlichkeit

Inhaltlich waren viele Kommentare geprägt von einem anklagenden, altklugen und aggressiven Ton sowie einer stereotyp formulierten und unreflektierten Kritik der Themen Islam, Gewalt, Dialog von Christen und Muslimen sowie Umgang mit Flüchtlingen in Deutschland. Ein ähnliches Bild lässt sich von vielen Brief- und Mailzuschriften der letzten Wochen an das ZdK zeichnen.

Den christlichen und muslimischen Verfasserinnen und Verfassern des Erklärungstextes, die über ein Jahr an und mit dem Erklärungstext gearbeitet, diskutiert, und gerungen haben, wird hierbei – ebenso wie den Mitgliedern des ZdK – jegliche Kompetenz abgesprochen und ihr Engagement in Kirche und Gesellschaft wird diskreditiert.

Besonders soll an dieser Stelle darauf hingewiesen sein, dass die Wortwahl vieler Absender erschreckend ist: Persönliche Beleidigungen und Beschimpfungen sowie menschenverachtende Äußerungen haben uns in den letzten Wochen mehrfach erreicht. Schockierend sind die Wortwahl, verbale Aggression, unverhohlene Fremden- und Menschenfeindlichkeit sowie der Aufruf zum aktiven Kampf gegen Menschen muslimischen Glaubens. Übrigens, und dies schmerzt besonders, wird dem ZdK ein abwertend gemeintes "Gutmenschentum" bezüglich unserer Haltung zu Flüchtlingen und Muslimen vorgeworfen. Im Gegenzug scheinen aber Beleidigung und Diffamierung für die Absender mit der Berufung auf ein spezielles Verständnis des Christentums in Ordnung zu gehen …

Ob sie unsere Erklärung vollständig gelesen haben? Ob sie wahrgenommen haben, dass sich Christen und Muslime gemeinsam gegen Terrorismus und Fanatismus ausgesprochen haben? Dass sich Christen und Muslime gemeinsam für die Achtung des Menschenrechts auf Religionsfreiheit aussprechen? Dass Gewaltprävention eine Aufgabe für alle religiösen Menschen ist? 

Nostra Aetate

All jenen, die uns aufgrund unseres Engagements im Dialog mit Muslimen sogar unser Katholischsein absprechen wollen, sei deutlich gesagt: unsere Richtschnur im Dialog mit den Muslimen ist die Konzilserklärung Nostra Aetate:

"Mit Hochachtung betrachtet die Kirche auch die Muslime, die den alleinigen Gott anbeten, den lebendigen und in sich seienden, barmherzigen und allmächtigen, den Schöpfer Himmels und der Erde, der zu den Menschen gesprochen hat. Sie mühen sich, auch seinen verborgenen Ratschlüssen sich mit ganzer Seele zu unterwerfen, so wie Abraham sich Gott unterworfen hat, auf den der islamische Glaube sich gerne beruft. Jesus, den sie allerdings nicht als Gott anerkennen, verehren sie doch als Propheten, und sie ehren seine jungfräuliche Mutter Maria, die sie bisweilen auch in Frömmigkeit anrufen. Überdies erwarten sie den Tag des Gerichtes, an dem Gott alle Menschen auferweckt und ihnen vergilt. Deshalb legen sie Wert auf sittliche Lebenshaltung und verehren Gott besonders durch Gebet, Almosen und Fasten.

Da es jedoch im Lauf der Jahrhunderte zu manchen Zwistigkeiten und Feindschaften zwischen Christen und Muslime kam, ermahnt die Heilige Synode alle, das Vergangene beiseite zu lassen, sich aufrichtig um gegenseitiges Verstehen zu bemühen und gemeinsam einzutreten für Schutz und Förderung der sozialen Gerechtigkeit, der sittlichen Güter und nicht zuletzt des Friedens und der Freiheit für alle Menschen." (Nostra Aetate 3)

Moderate Kritik

Es erreichten uns selbstverständlich nicht nur beleidigende und dialogverweigernde Rückmeldungen. Viele sachliche, teils auch kritische Nachfragen zum Text und seiner Genese oder auch zu konkreten Textpassagen gingen bei uns ein. Davon wurden und werden Anregungen in unsere Arbeit einfließen.

Die sachlich-fundierten und durchaus auch kritischen Rückmeldungen zeigen, dass im Dialog zwischen Christen und Muslimen noch viel erreicht werden muss. An vielen Stellen herrscht Unsicherheit und Angst vor dem Fremden. Um Ängste abzubauen sind gegenseitige Begegnung und Wissensvermittlung notwendig. Denn nur wo Fremdheit, die sich im schlimmsten Fall in Feindschaft und Hass umwandeln kann, abgebaut wird, können Nähe und gegenseitiges Verstehen geschaffen werden sowie Vorurteile von beiden Seiten abgebaut werden. Unser Erklärungstext setzt ein Zeichen, wie Christinnen und Christen mit Musliminnen und Muslimen gemeinsam ihrer Verantwortung vor Gott gerecht werden können.

Letztlich sollen auch die positiven Würdigungen unseres Textes und unseres Engagements nicht gänzlich unerwähnt bleiben. Viele im interreligiösen Dialog engagierte Menschen, Christen und Muslime, nutzen unsere Erklärung in ihren Bereichen, zum Beispiel in der Bildungsarbeit, als einen Impuls sowie zur Gesprächs- und Diskussionsgrundlage. Auch in den Social Media wurde mehrfach lobend und dankbar kommentiert.

Sowohl der Erklärungstext als auch das mehrsprachige Thesenpapier (in Deutsch, Türkisch, Arabisch) erfreuen sich eines so großen Interesses, dass beide kurz nach der Veröffentlichung kurzzeitig vergriffen waren.

Gespräch der Religionen

Wie gefragt das Gespräch zwischen den Angehörigen der Religionen ist, zeigte der 100. Deutsche Katholikentag in Leipzig. Die Veranstaltungen im Themenbereich Christlich-jüdischer Dialog/Christlich-islamischer Dialog waren außerordentlich gut besucht. Publikumsmagneten waren neben den dialogisch besetzten Veranstaltungen auch Veranstaltungen, die Vertreterinnen und Vertreter des Judentums, des Christentums und des Islams als Podiumsgäste hatten. In den rund 65 Veranstaltungen des Themenbereichs wurden verschiedene Aspekte des Judentums und des Islams vorgestellt sowie theologische und gesellschaftspolitische Themen und Fragestellungen erörtert. Das Programm der Katholikentage in diesem Bereich wird traditionell von Juden, Christen und Muslimen aus dem Gastgeberbistum und ganz Deutschland vorbereitet und ist ein gelungenes Beispiel für den Dialog der Religionen und das gemeinsame Erarbeiten bestimmter Themen.

Der Dialog der Religionen in unserer Gesellschaft ist und bleibt Herausforderung und Verpflichtung zugleich für uns Menschen in Deutschland und in Europa. So ist unser Appell für eine gelungene Dialogarbeit, sich um ein Basiswissen über die jeweils andere Religion und um interreligiöse sowie interkulturelle Kompetenz zu bemühen.

Unser Handeln orientiert sich an Nostra Aetate (s.o.) und an Lumen Gentium. Dort heißt es: "Der Heilswille umfasst aber auch die, welche den Schöpfer anerkennen, unter ihnen besonders die Muslime die sich zum Glauben Abrahams bekennen und mit uns den einen Gott anbeten, den barmherzigen, der die Menschen am Jüngsten Tag richten wird." (LG, Art.16)

Papst Franziskus, angesprochen auf Terrorismus und Islam, wählte auf einer Pressekonferenz im Anschluss an den Weltjugendtag in Polen nach dem schrecklichen Attentat im Juli 2016 auf eine Kirche in Nordfrankreich mit einem Todesopfer folgende Worte:

"Und auch wenn der Fundamentalismus so weit geht zu töten – man kann aber mit der Zunge töten, und das sagt der Apostel Jakobus und nicht ich, und auch mit dem Messer – glaube ich, dass es nicht richtig ist, den Islam mit Gewalt gleichzusetzen. Das ist nicht richtig, und es ist nicht wahr."

 

Weitere Informationen zum Gesprächskreis "Christen und Muslime" beim ZdK finden Sie unter www.christen-und-muslime.eu

Die Erklärung des Gesprächskreises sowie das dreisprachige Thesenblatt können über servicestelle@zdk.de bestellt werden.

 

 

 

 

 

 

Autor: Nathalie Pieper | Geschäftsführerin des Gesprächskreises "Christen und Muslime" beim ZdK

zurück zur Übersicht