Salzkörner

Montag, 13. Dezember 1999

Kernstück des Sozialdienstes katholischer Frauen

Keine Frage von Himmel oder Hölle
Der Sozialdienst katholischer Frauen erlebte und erlebt die Debatte um den Verbleib in der gesetzlichen Schwangerschaftskonfliktberatung seit Jahren als latente und immer wieder akute Bedrohung in einem Kernstück seiner satzungsgemäßen Aufgaben. Als Frauen- und Fachverband sehen wir uns herausgefordert, sowohl unsere fachliche Arbeit als auch die dahinterstehenden unverzichtbaren Leitideen zu verteidigen und in der Auseinandersetzung von Bischöfen, Rom, Moraltheologen, Politikern und Politikerinnen und engagierten Katholiken und Bürgern für jedermann erkennbar zu machen.

Es war für uns im Sozialdienst katholischer Frauen ein notwendiger Prozess, uns bewusst zu machen, wie willig und fügsam wir uns den zunehmenden Kontroll- und Aufsichtsansinnen einzelner Diözesen beugten, wie sehr wir – in der Regel im Konsens – Forderungen und Wünschen des Verbands Deutscher Diözesen (VDD) und einzelner Bischöfe nachgegeben haben – vor allem, um die finanzielle Basis unserer verbandlichen Arbeit sicherzustellen. Das heißt nicht, dass wir ohne die finanzielle Bedrohung ein zur Revolution neigender Frauenverband wären – im Gegenteil!

Die Frauen des Sozialdienstes katholischer Frauen stehen mitten in der Kirche, fühlen sich ihr tief verbunden und sind dankbar für die Anerkennung, die ihrer qualifizierten Arbeit von vielen kirchlichen Stellen entgegengebracht wurde und wird.

Treue zu den Zielen und Aufgaben

Es bedeutet einen gravierenden, wenngleich im Laufe seiner 100-jährigen Geschichte nicht erstmaligen Schritt, dass der Verband auf der Sitzung seines Zentralrats am 12.11.99 in Augsburg beschlossen hat, dass er es mit seinem verbandlichen Selbstverständnis nicht vereinbaren kann, aus der Konfliktberatung im Sinne des Gesetzes auszusteigen – und das entgegen dem schon zu diesem Zeitpunkt zu erwartenden Votum des Ständigen Rates der Bischöfe und aller Schreiben aus Rom.

Wenn wir uns den Weisungen aus Rom an die deutschen Bischöfe, die in einer besonderen Gehorsamsverpflichtung gegenüber dem Papst stehen – die sie aber keineswegs von einer eigenen Gewissensentscheidung entbindet – nicht im vorauseilenden Gehorsam beugen, dann tun wir dies, weil wir mit guten Gründen glauben, dass es sich um eine vorrangig pastorale Frage handelt, die anhand der konkreten Gegebenheiten in Deutschland und nach sorgfältigem Abwägen aller Argumente der tatsächlich Beteiligten, d. h. auch der Beraterinnen und Träger, entschieden werden muss. Wenn "Schein" oder "Nicht-Schein" keine Frage von "Himmel" oder "Hölle" ist, sondern eine Entscheidung darüber, wie man das von allen gemeinsam verfolgte Ziel des Lebensschutzes am besten erreicht, dann darf und kann es über die Wege zu diesem Ziel unterschiedliche Meinungen geben, die auch nebeneinander stehen können.

Der Sozialdienst katholischer Frauen ist vor 100 Jahren unter der Devise angetreten, Frauen in Not und in jedweden Nöten zu helfen. Er hat dies bis heute auch in politisch oder kirchenpolitisch schwierigen Zeiten durchgehalten und will seinen Aufgaben und Zielen auch in Zukunft treu bleiben.

Lebensschutz und Solidarität

Wir berufen uns auf unsere Satzung, die Beratung in Not lebender schwangerer Frauen eindeutig einschließt. Die Schwangerschaftskonfliktberatung ist eine Chance für den Lebensschutz, die wir vertun würden, wenn wir uns den Zugang zu Frauen im Konflikt faktisch unmöglich machen, weil die Frauen nicht mehr kommen, wenn keine Beratungsbescheinigung ausgestellt werden darf. Das lehrt die Erfahrung dort, wo eine Beratung ohne Bescheinigung angeboten wird.

Ich will nicht mit dem vorgeblichen Erfolg argumentieren. Die mindestens 5.000 Kinder, die nach der Statistik des deutschen Caritasverbandes für die katholischen Beratungsstellen jährlich aufgrund katholischer Beratung geboren werden, sind eine zwar durchaus belegbare, aber auch eine zwiespältige Größe. Nach unserem Verständnis soll Beratung nicht nur Lebensschutz bewirken, sie ist für uns als katholische Frauen auch eine unverzichtbare Zuwendung und Solidarität mit den Frauen, die ihre Schwangerschaft als existentielle, nicht zu bewältigende Krise erleben – die so sehr an ihre Grenzen gekommen sind, dass sie nur im Schwangerschaftsabbruch einen Ausweg aus ihrer als ausweglos erlebten Situation sehen.

Ihnen Mut zu machen zum eigenen wie zum Leben ihres Kindes, ihnen Wege aufzuweisen, wie sie mit ihrer dann gefundenen Entscheidung weiterleben können, ihnen auch von der Güte unseres Gottes zu erzählen, die ihnen zusagt, Vergebung zu erfahren und auch sich selbst vergeben zu dürfen – darauf können und wollen wir nicht verzichten. Wir haben uns deshalb entschlossen, die Arbeit in der gesetzlichen Schwangerschaftskonfliktberatung nicht aufzugeben.

In eigener Verantwortung

Ermutigt dazu werden wir auch durch die Stellungnahme verschiedener Kirchenrechtler, die den kirchenrechtlichen Status des Sozialdienstes katholischer Frauen nicht anders beurteilen, als den Status von "DONUM VITAE". Natürlich ist das – wie immer bei Juristen – strittig, aber nicht so weit hergeholt, dass es sich nicht lohnen würde, sich mit dieser Überlegung konstruktiv zu befassen und darüber ohne Voreingenommenheit ins Gespräch zu kommen.

Der Sozialdienst katholischer Frauen ist trotz aller Bindung und bischöflicher Aufsicht eine Vereinigung katholischer Frauen, die ihre Ziele in eigenem Namen und eigener Verantwortung und nicht im Namen kirchlicher Autoritäten oder in deren Auftrag, wenn auch bisher mit deren Billigung und finanzieller Unterstützung, wahrnimmt. Insofern stehen der Fortsetzung der Beratungstätigkeit des Sozialdienstes katholischer Frauen keine unüberwindlichen Hindernisse entgegen.

Disziplinierung über Geld abwegig

Vermutlich – zumindest ist das unsere Wahrnehmung – handelt es sich um eine kirchenpolitische Frage, die im Zweifel durch finanziellen Druck durchgesetzt wird – aber vielleicht leuchtet es der Mehrheit der Diözesanbischöfe ein, dass letztendlich Disziplinierung über Geld keine Überzeugungskraft hat.

Zudem wird inzwischen deutlich, dass die Trägerschaft von Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen durch Katholiken nicht zu verhindern sein wird. Sie werden vielleicht nicht überall, aber in jedem Fall dort entstehen, wo die Landeszuschüsse und kommunalen Mittel einen beträchtlichen Finanzierungsgrundstock bedeuten, die Abhängigkeit von Kirchenmitteln nicht so hoch ist und damit die von den Trägern aufzubringenden Mittel erreichbar sind.

Einheit im Ziel, Vielfalt der Wege

Ich möchte dafür werben, unsere Lösung, nämlich die Vereinigung sämtlicher Beratungsstellen in der Trägerschaft des Sozialdienstes katholischer Frauen, der "seinen" Schein ausstellt und nicht einen bischöflichen oder einen im Auftrag des Bischofs, als gangbaren Weg anzusehen. Das ermöglicht es den Bischöfen, ihrer Gehorsamspflicht nachzukommen, und dem Sozialdienst katholischer Frauen ermöglicht es, ein Herzstück seiner Arbeit wahrzunehmen: seine Fachlichkeit, seine Erfahrung, sein Netzwerk von Hilfeangeboten im Sinne der Qualitätssicherung des Beratungsangebots für Frauen und ihre ungeborenen und geborenen Kinder zu erhalten. Bei diesem Modell käme dann "DONUM VITAE" in erster Linie nicht als Träger, sondern als Förderer zum Tragen.

Ein solcher Ansatz verlangt von allen Beteiligten die Entwicklung einer hohen Kommunikationskultur, die Anerkennung unterschiedlicher Positionen, Respekt vor der Identität des Gegenübers und die Gelassenheit, wegen der Einheit im Ziel die Vielfalt der Wege dahin zuzulassen.

Autor: Maria Elisabeth Thoma, Mitglied des ZdK, Bundesvorsitzende des Sozialdienstes katholischer Frauen

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