Salzkörner
Dienstag, 30. Juni 2009
Ohne Wahlen keine Demokratie!
Die politische Erklärung des ZdK zur Bundestagswahl am 27. September 2009
Politische Erklärungen im Vorfeld von Bundestagswahlen haben beim ZdK Tradition. In der Vergangenheit wurden wiederholt Resolutionen verabschiedet, die bestimmte inhaltliche Forderungen an die Politik enthielten oder auch Kriterien für die Wahlentscheidung von Katholiken formulierten. Die am 8. Mai 2009 in Berlin verabschiedete Politische Erklärung aus Anlass der Wahlen zum 17. Deutschen Bundestag hat einen etwas anderen Focus: Hier steht der Partizipationsgedanke im Mittelpunkt. Angesichts der zunehmenden Wahlmüdigkeit fordert das ZdK nachdrücklich dazu auf, sich an demokratischen Wahlen zu beteiligen. In den Wahlen sieht das ZdK ein wichtiges Instrument, um christliche Kriterien in die Politik einzubringen.
Immer weniger Bürgerinnen und Bürger gehen zur Wahl. Seit rund 25 Jahren lässt sich in der Bundesrepublik Deutschland auf allen politischen Ebenen ein tendenzieller Rückgang der Wahlbeteiligung feststellen. Besonders drastisch sichtbar wurde dies bei der Wahl zum Europäischen Parlament am 7. Juni 2009, an der nur rund 42 Prozent der Wahlberechtigten teilnahmen. Aber auch bei Landtags- und Bundestagswahlen geht der Trend nach unten: Bei den Landtagswahlen sind die Werte inzwischen auf durchschnittlich 65 bis 70 Prozent gesunken. Während bei den Bundestagswahlen bis 1983 noch rund 90 Prozent der Wählerinnen und Wähler zu den Wahlurnen gingen, nahmen zuletzt im Jahr 2005 nur noch 77,7 Prozent teil – ein historischer Tiefstand. Die Folgen dieser Entwicklungen sind dramatisch und werden derzeit von einem Großteil der Wählerschaft noch gar nicht realisiert: Immer weniger Wähler bestimmen über die Zukunft unseres Landes.
Der Trend zur Wahlenthaltung wird von der Wissenschaft durchaus kontrovers diskutiert. Einige sehen darin ein „Normalisierungssymptom“, das auch in anderen älteren, etablierten Demokratien zu beobachten sei. Die Mehrzahl der Experten aber interpretiert die vermehrte Stimmenverweigerung als ein Warnsignal, das fehlende politische Information, Unzufriedenheit oder Protest ausdrücken kann. Dieser Position schloss sich auch der Ständige Arbeitskreis „Politische Grundfragen“ des ZdK an, indem er der Vollversammlung einen entsprechenden Resolutionsentwurf vorlegte, der am 8. Mai 2009 in Berlin mit wenigen Änderungen fast einstimmig verabschiedet werden konnte.
Nachdrücklich appelliert das ZdK in dieser Politischen Erklärung an alle Wahlberechtigten, zur Wahl zu gehen und mit ihrem Votum den künftigen Kurs deutscher Politik zu bestimmen: „Die Demokratie lebt von der Verantwortung aller“. Insbesondere die Katholikinnen und Katholiken seien aufgerufen, christliche Kriterien zur Gestaltung des Gemeinwohls einzubringen. Aber auch die Politikerinnen und Politiker werden vom ZdK in die Pflicht genommen.
Wahlrecht bedeutet Wahlverpflichtung
Drei große Themenkreise werden in der Erklärung weiter ausgeführt. In einem ersten Abschnitt wird zunächst daran erinnert, dass das demokratische Wahlrecht keine Selbstverständlichkeit ist, sondern als politisches Grundrecht in Jahrhunderten erkämpft werden musste: „Freiheit und Wahlen sind untrennbar miteinander verbunden“. Vor allem die moderne Demokratie, in der Wahlen zwar nicht die einzige, aber die wichtigste Partizipationsform darstellen, ist auf politische Beteiligung angewiesen. Denn in der Demokratie ist Politik – und damit die Gestaltung der Zukunft – nicht nur die Aufgabe von Politikerinnen und Politikern; „Wir alle tragen Verantwortung“.
Das ZdK fordert die „mündigen Bürgerinnen und Bürger“ daher auf, zur Wahl zu gehen und damit aktiv an der Politik mit zu wirken: „Je weniger zur Wahl gehen, desto stärker ist der Einfluss extremistischer Parteien, die ihre Wählerinnen und Wähler mit populistischen Methoden besser mobilisieren können“.
Politik ist ein komplexer Prozess
Dass sich das ZdK der Hürden und Hemmnisse für politische Partizipation bewusst ist, wird im zweiten Abschnitt der Resolution thematisiert: „Politik ist ein komplexer Prozess“. Kaum eine politische Frage lässt heute ein einfaches Ja oder Nein zu. Kein Politiker und keine Politikerin kann von vorneherein den Anspruch erheben, im Alleinbesitz gemeinwohlorientierter Konzepte zu sein. Auch die politischen Institutionen bilden ein komplexes System, das oft schwer durchschaubar ist. Für die Bürgerinnen und Bürger sind diese komplexen Prozesse häufig nur schwer nachvollziehbar. Viele sehnen sich nach Übersichtlichkeit und fühlen sich von der Politik allein gelassen: „Die möglichen Folgen sind Politikverdrossenheit, Wahlenthaltung oder die Hinwendung zu vermeintlich einfachen populistischen Rezepten“.
Das ZdK appelliert daher in zwei Richtungen. Einerseits werden wir alle aufgerufen, die Komplexität des Politischen anzunehmen und sich bei der Wahlentscheidung nicht bloß von Stimmungen leiten zu lassen. Vielmehr sollten wir uns über die verschiedenen politischen Konzeptionen der Parteien und Kandidatinnen und Kandidaten informieren, Konsequenzen bedenken, Rückmeldung geben und uns am politischen Diskurs beteiligen.
Andererseits nimmt das ZdK aber auch die Politikerinnen und Politiker in die Pflicht: „Mit Recht erwarten die Wählerinnen und Wähler Transparenz bei politischen Entscheidungen“. Von den politischen Akteuren wird erwartet, dass sie verlässlich Maßnahmen und Ziele ihrer Politik erläutern. Was vor der Wahl inhaltlich gesagt wurde, soll auch nach der Bildung einer Koalitionsregierung wieder erkennbar sein: „Wenn die Wählerinnen und Wähler nicht vor dem Wahltag kalkulieren können, was mit der Wahlstimme passiert, werden sie nicht wählen gehen“.
Die Demokratie braucht
nachhaltige politische Führung
Der dritte Abschnitt der Politischen Erklärung nimmt das Prinzip der Nachhaltigkeit in den Blick. Das ZdK warnt hier davor, die notwendigen langfristigen Politikkonzepte durch nur auf die nächsten Wahlen zielende Entscheidungen zu ersetzen: „Politik ist kein Wünsch-Dir-Was-Programm“. Manches in der Politik sei unpopulär, aber gleichwohl notwendig. Gute politische Führung darf daher nicht auf kurzfristigen Wahlerfolg, sondern auf nachhaltige Problemlösung zielen. Aus christlicher Perspektive muss gerade auch im Interesse künftiger Generationen eine Kultur der Nachhaltigkeit und des Maßhaltens im Zentrum politischer Entscheidungen stehen.
Die Bundesrepublik Deutschland, so schließt die Erklärung, hat sich in den vergangenen 60 Jahren als eine rechtsstaatlich verfasste, freiheitlich orientierte, sozialen Frieden stiftende und demokratisch gelungene Staatlichkeit erwiesen: „Deshalb gehen wir voller Zuversicht an die Gestaltungsaufgaben der Zukunft.“
Mit seiner Politischen Erklärung zur Bundestagswahl nimmt das ZdK also nicht nur Politikerinnen und Politiker, sondern uns alle als Bürgerinnen und Bürger in die Pflicht. Das Dokument vermeidet moralisierende Untertöne. Es findet sich diesmal kein Katalog konkreter politischer Forderungen. Statt dessen erinnert die Resolution uns alle daran, dass die Demokratie von der Mitverantwortung aller lebt. Dies ist letztlich nicht nur ein Postulat des demokratischen Staates. Auch das II. Vatikanische Konzil fordert uns als Katholikinnen und Katholiken zu einer "verantwortungsbewussten Mitarbeit (...) im täglichen Leben des Staates" auf. Die Christen sollen "in der politischen Gemeinschaft jene Berufung beachten, die ihnen ganz besonders eigen ist. Sie sollen beispielgebend dafür sein, insofern sie pflichtbewusst handeln und sich für das Gemeinwohl einsetzen." (Gaudium et Spes, Nr. 75).
In diesem Sinne ist zu hoffen, dass die Politische Erklärung des ZdK über die Vollversammlung hinaus wahrgenommen wird. Es ist zu wünschen, dass unser Wahlaufruf über die Räte, Organisationen und Verbände weitere Verbreitung findet und so ein Stück weit dazu beitragen kann, dass wir als Bürgerinnen und Bürger durch die Teilnahme an den Wahlen die Voraussetzungen für eine handlungsfähige, gemeinwohlorientierte und nachhaltige Politik in Deutschland schaffen.
Die Politische Erklärung kann unter
www.zdk.de/erklaerungen heruntergeladen oder
beim ZdK bestellt werden.
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Immer weniger Bürgerinnen und Bürger gehen zur Wahl. Seit rund 25 Jahren lässt sich in der Bundesrepublik Deutschland auf allen politischen Ebenen ein tendenzieller Rückgang der Wahlbeteiligung feststellen. Besonders drastisch sichtbar wurde dies bei der Wahl zum Europäischen Parlament am 7. Juni 2009, an der nur rund 42 Prozent der Wahlberechtigten teilnahmen. Aber auch bei Landtags- und Bundestagswahlen geht der Trend nach unten: Bei den Landtagswahlen sind die Werte inzwischen auf durchschnittlich 65 bis 70 Prozent gesunken. Während bei den Bundestagswahlen bis 1983 noch rund 90 Prozent der Wählerinnen und Wähler zu den Wahlurnen gingen, nahmen zuletzt im Jahr 2005 nur noch 77,7 Prozent teil – ein historischer Tiefstand. Die Folgen dieser Entwicklungen sind dramatisch und werden derzeit von einem Großteil der Wählerschaft noch gar nicht realisiert: Immer weniger Wähler bestimmen über die Zukunft unseres Landes.
Der Trend zur Wahlenthaltung wird von der Wissenschaft durchaus kontrovers diskutiert. Einige sehen darin ein „Normalisierungssymptom“, das auch in anderen älteren, etablierten Demokratien zu beobachten sei. Die Mehrzahl der Experten aber interpretiert die vermehrte Stimmenverweigerung als ein Warnsignal, das fehlende politische Information, Unzufriedenheit oder Protest ausdrücken kann. Dieser Position schloss sich auch der Ständige Arbeitskreis „Politische Grundfragen“ des ZdK an, indem er der Vollversammlung einen entsprechenden Resolutionsentwurf vorlegte, der am 8. Mai 2009 in Berlin mit wenigen Änderungen fast einstimmig verabschiedet werden konnte.
Nachdrücklich appelliert das ZdK in dieser Politischen Erklärung an alle Wahlberechtigten, zur Wahl zu gehen und mit ihrem Votum den künftigen Kurs deutscher Politik zu bestimmen: „Die Demokratie lebt von der Verantwortung aller“. Insbesondere die Katholikinnen und Katholiken seien aufgerufen, christliche Kriterien zur Gestaltung des Gemeinwohls einzubringen. Aber auch die Politikerinnen und Politiker werden vom ZdK in die Pflicht genommen.
Wahlrecht bedeutet Wahlverpflichtung
Drei große Themenkreise werden in der Erklärung weiter ausgeführt. In einem ersten Abschnitt wird zunächst daran erinnert, dass das demokratische Wahlrecht keine Selbstverständlichkeit ist, sondern als politisches Grundrecht in Jahrhunderten erkämpft werden musste: „Freiheit und Wahlen sind untrennbar miteinander verbunden“. Vor allem die moderne Demokratie, in der Wahlen zwar nicht die einzige, aber die wichtigste Partizipationsform darstellen, ist auf politische Beteiligung angewiesen. Denn in der Demokratie ist Politik – und damit die Gestaltung der Zukunft – nicht nur die Aufgabe von Politikerinnen und Politikern; „Wir alle tragen Verantwortung“.
Das ZdK fordert die „mündigen Bürgerinnen und Bürger“ daher auf, zur Wahl zu gehen und damit aktiv an der Politik mit zu wirken: „Je weniger zur Wahl gehen, desto stärker ist der Einfluss extremistischer Parteien, die ihre Wählerinnen und Wähler mit populistischen Methoden besser mobilisieren können“.
Politik ist ein komplexer Prozess
Dass sich das ZdK der Hürden und Hemmnisse für politische Partizipation bewusst ist, wird im zweiten Abschnitt der Resolution thematisiert: „Politik ist ein komplexer Prozess“. Kaum eine politische Frage lässt heute ein einfaches Ja oder Nein zu. Kein Politiker und keine Politikerin kann von vorneherein den Anspruch erheben, im Alleinbesitz gemeinwohlorientierter Konzepte zu sein. Auch die politischen Institutionen bilden ein komplexes System, das oft schwer durchschaubar ist. Für die Bürgerinnen und Bürger sind diese komplexen Prozesse häufig nur schwer nachvollziehbar. Viele sehnen sich nach Übersichtlichkeit und fühlen sich von der Politik allein gelassen: „Die möglichen Folgen sind Politikverdrossenheit, Wahlenthaltung oder die Hinwendung zu vermeintlich einfachen populistischen Rezepten“.
Das ZdK appelliert daher in zwei Richtungen. Einerseits werden wir alle aufgerufen, die Komplexität des Politischen anzunehmen und sich bei der Wahlentscheidung nicht bloß von Stimmungen leiten zu lassen. Vielmehr sollten wir uns über die verschiedenen politischen Konzeptionen der Parteien und Kandidatinnen und Kandidaten informieren, Konsequenzen bedenken, Rückmeldung geben und uns am politischen Diskurs beteiligen.
Andererseits nimmt das ZdK aber auch die Politikerinnen und Politiker in die Pflicht: „Mit Recht erwarten die Wählerinnen und Wähler Transparenz bei politischen Entscheidungen“. Von den politischen Akteuren wird erwartet, dass sie verlässlich Maßnahmen und Ziele ihrer Politik erläutern. Was vor der Wahl inhaltlich gesagt wurde, soll auch nach der Bildung einer Koalitionsregierung wieder erkennbar sein: „Wenn die Wählerinnen und Wähler nicht vor dem Wahltag kalkulieren können, was mit der Wahlstimme passiert, werden sie nicht wählen gehen“.
Die Demokratie braucht
nachhaltige politische Führung
Der dritte Abschnitt der Politischen Erklärung nimmt das Prinzip der Nachhaltigkeit in den Blick. Das ZdK warnt hier davor, die notwendigen langfristigen Politikkonzepte durch nur auf die nächsten Wahlen zielende Entscheidungen zu ersetzen: „Politik ist kein Wünsch-Dir-Was-Programm“. Manches in der Politik sei unpopulär, aber gleichwohl notwendig. Gute politische Führung darf daher nicht auf kurzfristigen Wahlerfolg, sondern auf nachhaltige Problemlösung zielen. Aus christlicher Perspektive muss gerade auch im Interesse künftiger Generationen eine Kultur der Nachhaltigkeit und des Maßhaltens im Zentrum politischer Entscheidungen stehen.
Die Bundesrepublik Deutschland, so schließt die Erklärung, hat sich in den vergangenen 60 Jahren als eine rechtsstaatlich verfasste, freiheitlich orientierte, sozialen Frieden stiftende und demokratisch gelungene Staatlichkeit erwiesen: „Deshalb gehen wir voller Zuversicht an die Gestaltungsaufgaben der Zukunft.“
Mit seiner Politischen Erklärung zur Bundestagswahl nimmt das ZdK also nicht nur Politikerinnen und Politiker, sondern uns alle als Bürgerinnen und Bürger in die Pflicht. Das Dokument vermeidet moralisierende Untertöne. Es findet sich diesmal kein Katalog konkreter politischer Forderungen. Statt dessen erinnert die Resolution uns alle daran, dass die Demokratie von der Mitverantwortung aller lebt. Dies ist letztlich nicht nur ein Postulat des demokratischen Staates. Auch das II. Vatikanische Konzil fordert uns als Katholikinnen und Katholiken zu einer "verantwortungsbewussten Mitarbeit (...) im täglichen Leben des Staates" auf. Die Christen sollen "in der politischen Gemeinschaft jene Berufung beachten, die ihnen ganz besonders eigen ist. Sie sollen beispielgebend dafür sein, insofern sie pflichtbewusst handeln und sich für das Gemeinwohl einsetzen." (Gaudium et Spes, Nr. 75).
In diesem Sinne ist zu hoffen, dass die Politische Erklärung des ZdK über die Vollversammlung hinaus wahrgenommen wird. Es ist zu wünschen, dass unser Wahlaufruf über die Räte, Organisationen und Verbände weitere Verbreitung findet und so ein Stück weit dazu beitragen kann, dass wir als Bürgerinnen und Bürger durch die Teilnahme an den Wahlen die Voraussetzungen für eine handlungsfähige, gemeinwohlorientierte und nachhaltige Politik in Deutschland schaffen.
Die Politische Erklärung kann unter
www.zdk.de/erklaerungen heruntergeladen oder
beim ZdK bestellt werden.