Salzkörner

Samstag, 3. Juli 2010

Schöpfungsverantwortung wahrnehmen

Anmerkungen zum Sparpaket der Bundesregierung aus Sicht der Umwelt- und Energiepolitik
Anfang Juni 2010 stellte die Bundesregierung ein in der Öffentlichkeit viel diskutiertes Sparpaket vor. Neben verschiedenen dort skizzierten Veränderungen im sozialen Bereich werden die geplanten Maßnahmen Auswirkungen auf dem Feld der Umwelt- und Energiepolitik haben.
Das ZdK hat sich im Herbst 2008 ausführlich mit Handlungsperspektiven einer zukunftsfähigen Klima- und Energiepolitik befasst. Dabei wurden Politik und Wirtschaft aufgefordert, sich für einen wirksamen Klimaschutz einzusetzen. Zentrale Forderungen für die Energiepolitik wurden dabei ausformuliert. Im Zuge des Sparpakets scheinen einige der dort formulierten Ideen endlich umgesetzt zu werden.
Ökosteuer und Flugverkehr
Auch wenn die geplanten Sparmaßnahmen bislang nur schematisch erkennbar sind, gehen einige hiervon in die richtige Richtung. Insbesondere die geplante konsequentere Umsetzung der Ökosteuer wird deutliche Anreize setzen, den Energieverbrauch in Deutschland zu reduzieren. Aus dem Eckpunktepapier der Bundesregierung ist zu entnehmen: "In erster Linie werden zunächst die Ausnahmeregelungen der sogenannten Ökosteuer, die zu Mitnahmeeffekten geführt haben, reduziert." Bei der anstehenden Konkretisierung ist darauf zu achten, dass auch die Befreiung des Flugverkehrs von der Ökosteuer gestrichen wird. Die steuerpolitische Bevorzugung dieser Reisemöglichkeit sollte dringend beendet werden. Eine vergleichbare Besteuerung des Energieverbrauchs für alle Verkehrsträger wird hoffentlich langfristig zu einem Rückgang des Flugverkehrs und zu einer Verschiebung hin zu energieschonenderem Reisen führen.
Eine Reduzierung des CO2-Ausstoßes um 50 % im Flugverkehr wurde 2000 vom Advisory Council for Aeronautics Research in Europe (ACARE) gefordert. Eine angemessene Besteuerung des Flugbenzins kann die Luftfahrtindustrie zusätzlich motivieren, ressourcenschonendere Techniken zu entwickeln. Sie würde zu einem Innovationsschub insbesondere bei den europäischen Flugzeugherstellern führen und dazu beitragen, dass die ACARE-Ziele auch tatsächlich erreicht werden.
Als Folge einer derartigen Besteuerung ist mit einer Verteuerung von Flugreisen zu rechnen. Die Neuregelung hätte damit konkrete Auswirkungen auf die Lebenswirklichkeit der Menschen. Aus Gründen des Klimaschutzes muss jedoch die abzusehende Steigerung des Luftverkehrs unbedingt verhindert werden. Langfristig sind Verkehrskonzepte notwendig, die auch eine Reduzierung ermöglichen. Zur Einbeziehung des Flugverkehrs in die Haushaltskonsolidierung enthält das Eckpunktepapier der Bundesregierung eine weitere konkrete Ankündigung. Dort heißt es: "Bis zur Einbeziehung des Luftverkehrs in den bereits vereinbarten CO2-Emissionshandel wird eine nationale ökologische Luftverkehrsabgabe für alle Passagiere erhoben, die von einem inländischen Flughafen abfliegen."
Energiesteuern für produzierendes Gewerbe
Ein weiteres Beispiel für eine abzustellende inkonsequente Besteuerung ist das produzierende Gewerbe, das bislang nur rund 60 % der Stromsteuer zahlt und zudem seit 1999 von der Erhöhung der Mineralölsteuer ausgeschlossen ist. In Deutschland stellt der Bereich des Maschinenbaus einen sehr bedeutenden Wirtschaftszweig dar. Durch eine Verteuerung des Energieverbrauchs sind auch in diesem Feld Innovationen zu erwarten. Die Entwicklung einer ressourcenschonenden Produktionstechnik würde hierdurch noch attraktiver gemacht. Langfristig könnte durch das Bereitstellen einer neuen Umwelttechnik ein großer Wettbewerbsvorteil der deutschen Industrie erreicht werden. Die Chance, energiesparende Produktionstechniken zu stärken, sollte daher mutig angegangen werden. Viele Wirtschaftsexperten bemängeln ja gerade aus ökonomischer Sicht den zu hohen Anteil der industriellen Lohnkosten im Vergleich zu Aufwendungen für Energie.
Brennelementesteuer
Sehr kontrovers zu sehen ist die geplante Abgabe auf Brennelemente für Atomkraftwerke, die zu erheblichen neuen staatlichen Einnahmen führen soll. Aus umweltpolitischer Sicht ist zu begrüßen, dass die Energiekonzerne stärker finanziell an den Folgen des Einsatzes der Atomenergie beteiligt werden. Verknüpft wird die geplante Abgabe mit einer anvisierten Verlängerung der Laufzeit der Kraftwerke. Das Ziel einer solchen Regelung wäre wohl einerseits, den Betreibern der Kraftwerke durch den weiteren Betrieb der bereits abgeschriebenen Kraftwerke erhebliche neue Gewinne zu ermöglichen. Die gesellschaftliche Zustimmung soll vermutlich im Gegenzug durch die Abschöpfung eines Teils dieser Gelder gewonnen werden. Ein derartiges Vorgehen erscheint nicht verantwortbar.
Werden auf diesem Weg zukünftig erhebliche Mittel für den Haushalt zur Verfügung gestellt, macht sich der Staat zunehmend vom Weiterbetrieb der Kraftwerke abhängig. Eine gesellschaftliche Diskussion über die Verantwortbarkeit der damit verbundenen Technologie wird damit fast unmöglich gemacht. So müssten zugunsten des Staatswohls die Risiken der Kernkraft in Kauf genommen werden. Das Ziel, langfristig aus der Nutzung der Kernenergie auszusteigen, ließe sich so kaum verfolgen. Aus Sicht des ZdK darf der Ausstieg aus der Atomkraft jedoch nicht in Frage gestellt werden.
So heißt es im Beschluss von 2008: "Angesichts der Risiken, der ungelösten Problematik der Endlagerung und der Gefahr der Verbreitung von Atomwaffen stellt die Kernenergie jedoch längerfristig keine verantwortungsvolle Möglichkeit dar, die Probleme des Klimawandels zu lösen. Eine Verlängerung der Laufzeiten ist deswegen nicht zu befürworten." Der kürzlich bekannt gewordene, völlig unverantwortbare Umgang mit radioaktiven Abfällen im Endlager Asse durch private Betreiber und Bundeseinrichtungen machen auf drastische Weise deutlich, dass die Folgen aus der Nutzung der Kernenergie im menschlichen Ermessen nicht beherrschbar sind.
Eine längerfristige Nutzung der Kernenergie wirkt sich zudem auch nach Einschätzung des Bundesumweltamtes negativ auf den weiteren Ausbau einer alternativen Stromerzeugung aus. Dies lässt sich dadurch erklären, dass Kernkraftwerke aufgrund ihrer Trägheit nur für die Grundlast in der Stromerzeugung nutzbar sind. In einem Stromnetz, welches zunehmend regenerative Energiequellen nutzt, werden jedoch deutlich weniger Grundlastkraftwerke und mehr hocheffiziente und flexible Stromkraftwerke notwendig sein. Im Hinblick auf den notwendigen Klimaschutz muss daher am Ausstieg festgehalten werden.
Pendlerpauschale oder PKW-Maut
Neben den aus umweltpolitischer Sicht positiven Elementen des Sparpaketes vermisse ich einige wegweisende Entscheidungen. Die in Deutschland nach wie vor gewährte Pendlerpauschale setzt steuerliche Anreize, die einer zielführenden Reduzierung im Verkehrsbereich entgegenstehen. Mit der Finanzierung der Pendlerpauschale fördern wir einen Lebensstil, der nicht zukunftsfähig ist. Statt Anreize für kurze Wege zwischen Wohnstätte und Arbeitsort zu schaffen, führt die momentane Regelung zu einer Zunahme des Straßenverkehrs und zu einer Zersiedelung des ländlichen Raumes. Es ist äußerst bedauerlich, dass die Bundesregierung nicht den Mut aufweist, dieses ohne Zweifel unpopuläre Thema anzugehen. Ebenfalls nicht sonderlich beliebt wäre sicher auch die bereits mehrfach vom Bundesumweltamt in die Diskussion gebrachte Einführung einer allgemeinen PKW-Maut. Auch hier böte sich die Möglichkeit, Anreize für ein ökologisches und energieschonendes Verhalten eines jeden einzelnen zu setzen. Um im Sinne des Klimaschutzes zu einer geeigneten Reduzierung des CO2-Ausstoßes in Deutschland zu gelangen, sind solche individuellen Verhaltensänderungen unverzichtbar.
Beide genannten Vorschläge brächten sicher eine höhere finanzielle Belastung eines großen Teils der Bevölkerung mit sich. Durch die zusätzlichen Einnahmen würden jedoch ökologisch sinnvolle Beiträge zur Gesundung der Staatsfinanzen auf viele Schultern verteilt, während durch andere angekündigte Sparmaßnahmen die soziale Spaltung der Gesellschaft vertieft zu werden droht.

Autor: Dr. Michael Lentze, Sprecher des ZdK für Umwelt und Technik, Physiker, Referent bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft

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