Salzkörner

Montag, 30. Juni 2014

TTIP - Staatsstreich durch die Hintertür?

Fairer Handel statt freier Handel

Der Katholikenrat im Bistum Trier hat eine Position zum Freihandelsabkommen TTIP formuliert.

Es geht um das viel zitierte Chlorhühnchen, das auch. Aber es geht um viel mehr. Nach allem, was bisher bekannt geworden ist, geht es um die Frage, ob künftig internationale Konzerne noch mehr als bisher schon bestimmen, wie die Welt aussieht oder demokratische legitimierte Staatsregierungen. Die Rede ist vom TTIP, von der Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft, kurz, vom Freihandelsabkommen zwischen EU und USA. Es gibt Befürworter des Abkommens. Sie sprechen davon, dass durch die Beseitigung "nicht-tarifärer Handelshemmnisse", also durch noch mehr freien Handel mehr Wachstum, Wohlstand und Arbeitsplätze entstünden.

Einstimmiger Beschluss

Die Liste der Kritiker ist in den letzten Monaten immer länger geworden. Der Katholikenrat im Bistum Trier gehört dazu. Er hat gefordert, die TTIP-Verhandlungen zu stoppen, weil das geplante Abkommen nach allem, was bisher bekannt geworden ist, "keinerlei Lösungsansätze für die globalen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts" enthalte. Den Beschluss fasste die Vollversammlung einstimmig. Dass die Verhandlungen anfangs gänzlich hinter verschlossenen Türen geführt und vor allem von den Lobbyisten der Konzerne bestimmt wurden, sei hier nur noch der Vollständigkeit halber erwähnt. Denn da im digitalen Zeitalter auf Dauer wohl nichts mehr geheim bleibt, sind die wesentlichen Inhalte des Abkommens mittlerweile durchgesickert – und sie verheißen das Schlimmste.

Angriff auf den Rechts- und Sozialstaat

Die Süddeutsche Zeitung hat am 10. Mai ein Pro und Contra zum Thema gebracht. Wir zitieren aus der Contra-Position von Heribert Prantl, weil er aus unserer Sicht die Dinge auf den Punkt bringt. "Hinter dem Chlorhühnchen versteckt sich einer der gefährlichsten Angriffe auf die demokratischen Rechts- und Sozialstaaten, die es je gegeben hat. Das Freihandelsabkommen will exklusive Sonder- und Schutzrechte für Großinvestoren schaffen, welche die Parlamente binden und fesseln; wenn diese neue Gesetze erlassen, müssen sie künftig fürchten, dass ein Konzern wegen enttäuschter Gewinnerwartungen den Staat wegen ,indirekter Enteignung‘ auf Schadenersatz in Millionenhöhe verklagt. Über diese Klagen sollen dann nicht die ordentlichen rechtsstaatlichen Gerichte, sondern private, geheim tagende Schiedsgerichte entscheiden, die mit privaten Anwälten aus internationalen Kanzleien besetzt sind." Dass die EU-Kommission die Verhandlungen über diese Art von "Investorenschutz" zwischenzeitlich ausgesetzt hat, war ein Schritt in die richtige Richtung. Doch es ist nicht zu erwarten, dass die Unternehmen von dieser Forderung abrücken werden, denn sie bildet den Kern ihrer Strategie.

Absenkung der Standards

Zum Wachstums- und Wohlstandsargument: Selbst die optimistischsten Studien gehen nur von einem Wirtschaftswachstum im Promillebereich aus und von 13 000 neuen Arbeitsplätzen pro Jahr in Deutschland. Dafür kauft sich die EU dann niedrigere Standards in zahlreichen gesellschaftlichen Feldern ein, für deren Niveau die Zivilgesellschaften Europas  seit Jahrzehnten  teils erfolgreich gekämpft haben.

Und ein Aspekt, der für uns Christen handlungsleitend sein sollte: Wir brauchen nicht noch mehr neoliberalen Handel, der auf Kosten der Armen geht. Wir haben die Märkte der Entwicklungsländer lange genug mit unseren überschüssigen Lebensmitteln kaputt gemacht und ihr Land benutzt, um kostengünstig Lebensmittel zu produzieren. Entwicklungshilfe versucht nur das zu reparieren, was eine verfehlte internationale Handels- und Agrarpolitik zuvor kaputt gemacht hat. Wir brauchen mehr fairen Handel statt eine Wirtschaft auf Kosten der Armen. Wir brauchen keine weitere Deregulierung und das freiwillige Abgeben von demokratisch legitimierten staatlichen Rechten und Pflichten. Die Politik muss endlich wieder die Kraft finden, Rahmenbedingungen zu schaffen, die einer hemmungslosen kapitalistischen Ausbeutung von Mensch und Natur Grenzen setzen. Das TTIP ist dafür nicht nur ungeeignet, es ist der völlig falsche Ansatz.

 

 

 

 

 

Autor: Bruno Sonnen und Manfred Thesing Katholikenrat Trier

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