Salzkörner

Montag, 13. Dezember 1999

Volk Gottes

Im Namen der Kirche handeln heißt, die Institution repräsentieren und sie für sein Handeln in Anspruch nehmen. Als Kirche handeln heißt, sein eigenes Leben auf den Glauben ausrichten und in diesem Sinne in der Gesellschaft wirken. Beides gehört untrennbar zusammen. Denn so verwirklicht sich die Gemeinschaft der Glaubenden im Sinne der Frohen Botschaft. Gleichwohl sind damit die beiden Dimensionen christlichen Handelns nicht identisch. Die Kirche ist keine Truppe, die in Reih' und Glied marschiert. Welchen Sinn hätte sonst das Wort von der Einheit in der Vielfalt? Und welchen Inhalt das Bild vom Volke Gottes? Zu oft ist allerdings aus diesem vom II. Vatikanischen Konzil wieder in den Mittelpunkt gerückten Bild der falsche Schluss gezogen worden, das Wirken der katholischen Christen in der Gesellschaft zu verkirchlichen und das kirchliche Leben allein in den Kategorien der heutigen Gesellschaft zu denken. Eine solche Sicht wird der Vielschichtigkeit der Wirklichkeit nicht gerecht. Und sie gibt der Einsichtsfähigkeit und der Gewissensentscheidung des Christen keinen Raum. Katholischer Realitätssinn unterscheidet daher zwischen der actio catholica und der actio catholicorum. Die Begriffe entsprechen einer langen geschichtlichen Erfahrung. Wie hätte die Kirche sonst im Dialog zwischen der Botschaft des Glaubens und den Nöten und Anliegen der jeweiligen Zeit ihren Weg durch die Jahrtausende gehen können? Im Jahre 1832 bezeichnete Papst Gregor XVI. in seiner Enzyklika "Mirari vos" die Gewissensfreiheit als "irrige Meinung", "Wahnsinn" und "seuchenartigen Irrtum". Im Revolutionsjahr 1848 haben sich deutsche Katholiken davon nicht irritieren lassen. Auch dies hat dazu beigetragen, dass das II. Vatikanum den Wert der gesellschaftlichen Freiheit anerkannte. Und dass Papst Johannes Paul II. zu einem weltweit gewürdigten Anwalt der Freiheit wurde.

Autor: Hans Joachim Meyer

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