Impuls Segensfeiern

von Dr. Martina Kreidler-Kos im Rahmen der Vollversammlung des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) - es gilt das gesprochene Wort

Ich bedanke mich zunächst ganz herzlich für die Gelegenheit, hier einen Impuls zum Thema „Partnerschaftssegnungen“ am Beginn eines langen und sicher aufregenden Sitzungstages zu geben. Ich werde aus pastoraler Perspektive sprechen, denn ich bin im Bistum Osnabrück u.a. für die Ehe- und Familienpastoral zuständig. Und bin dankbar, dass sich Herr Prof. Kranemann von liturgiewissenschaftlicher Seite anschließen wird. Wir verstehen unsere Beiträge als inhaltliches Warming-Up für Ihre anschließende Diskussion. Wir haben jeder 10 Minuten – deshalb gleich zur Sache:

Die pastorale Erfahrung zeigt etwas Ermutigendes: Liebende Menschen bitten um Segen. Sie tun das nicht immer offensiv, weil viele von ihnen eine negative Antwort vermuten oder sogar fürchten, aber sie artikulieren den Wunsch, dass das, was sie als gut und heilsam, als Glück erleben – nämlich ihre Beziehung - in einen ausdrücklichen Zusammenhang mit einer guten, heilsamen und Glück stiftenden Gotteserfahrung gestellt wird. Sie erhoffen sich dadurch Mehreres: Bestärkung und sicher auch Anerkennung, aber sie bringen damit vor allem – wie es in Ihrem Papier heißt – ihr Angewiesensein auf Gott zum Ausdruck.

Menschen warten offensichtlich in dieser Frage auf konkrete Signale. Der Bedarf ist groß. Zwei Beispiele aus der Praxis: Sie alle kennen sicherlich den Vorstoß des Frankfurter Stadtdekans Johannes zu Eltz vom Januar 2018.  Sofort nachdem sein vorsichtiges Papier in der Welt ist, erhält er die ersten Anfragen. Obwohl er klar gemacht hat, dass er zunächst nur eine Diskussion in Gang setzen kann. Dieselbe Dringlichkeit zeigt auch die Erfahrung einer Kollegin, die eine Segensfeier anlässlich einer Silberhochzeit mitgestaltet hat - völlig unverfängliches Terrain. Wenig später hat sie vier Anfragen von ganz unterschiedlichen Paaren, die ausdrücklich sie und nicht den Priester bitten, ein Segensritual mit ihnen zu feiern.

Obwohl der Antragstext sich ausschließlich mit dem Segenswunsch von gleichgeschlechtlichen Paaren befasst, lassen Sie mich in Erinnerung rufen, dass dieser Bedarf auf breiter Ebene da ist. Liebende gibt es in allen Farben: Da sind natürlich auch die (was Ihr Text leise andeutet), die in einer zweiten Beziehung glücklich sind und da sind vermehrt Paare, von denen nur der eine Teil katholisch ist. Oft respektiert der andere, die andrer, diese Anbindung an die Kirche und ist auch bereit, erste Schritte mitzugehen. Aber gleich das ganz große und wirkmächtige „Gesamtpaket“ einer sakramentalen Eheschließung wird als Unwucht in der Beziehung erlebt. Auch wenn der Liturgiewissenschaftler hier zurecht Einwände erhebt, weil Segen etwas ganz Großes ist, deuten diese Paare eine Segensfeier als etwas Vorsichtiges, Tastendes, das erst einmal das Angemessenere zu sein scheint.

Ich erzähle Ihnen das mit der Vielfalt der Segenswünsche nicht, um hier Verwirrung zu stiften, sondern um unser Bewusstsein und – ja auch eine Dankbarkeit - dafür zu stärken, wie vielfältig Segen ist, wenn er so vielfältig gewünscht, erbeten oder auch ersehnt wird. Der Zuspruch Gottes ist nicht an eine bestimmte Klientel gebunden, das wissen wir alle. Spannend ist an dieser Stelle: Das müssen wir nicht einmal predigen, das wird von ganz allein verstanden. Was ist das für ein Schatz, wenn so ganz verschiedene Menschen in so ganz verschiedenen Lebenssituationen, wenn selbst die buntesten Vögel spüren, dass ein Segen sie stärken kann, dass er wohl tut – und dass er für eine angemessene Form von Ernsthaftigkeit steht. Sicher wird man die verschiedenen Beziehungsformen in liturgischer Hinsicht ausdifferenzieren müssen, in pastoraler Hinsicht kann man sich zunächst an dieser Vielfalt von Segenswünschen freuen!

Es ist ja nicht nur bei der Eheschließung so, dass Menschen sich eine Segenshandlung vorstellen können, aber mit dem Sakrament fremdeln. Das gilt genauso für sogenannte „Segen für Neugeborene“, die in Krankenhäusern angeboten und vielfach angenommen werden. Oder: Ein „Segen für den Neuanfang“ wird im Rahmen von Begleitungsgesprächen als hilfreich erlebt, ebenso die Sterbesegen, die in Altenheimen oder Krankenhäusern gesprochen werden.

Für unser Thema der Liebesbeziehungen könnte das heißen: Diese Bitten spiegeln eine Richtung, die vom Konzil eingeschlagen wurde, aber jetzt erst an Fahrt gewinnt: Das Konzil hat von der Ehe als „Bund“ gesprochen, nicht mehr als „Vertrag“ und hat damit die pragmatische Lehre von den Ehezwecken in ihre Schranken gewiesen. Etwas spröde könnte man sagen: Das Konzil hat die personale Dimension der Ehe gestärkt. Poetischer formuliert: Es hat begonnen, der Liebe zu trauen. Wenn Menschen heute für eine kirchenrechtlich „unmögliche“ Liebe nach Segen fragen, dann erinnern sie an diese Weichenstellung des Konzils, die wir noch längst nicht eingeholt haben. Dass nicht die Ehezwecke das allein entscheidende sind, sondern mindestens ebenso wichtig, die gegenseitige Liebe ist. Und wer weiß, vielleicht müssen wir noch weiter gehen und für unsere Zeit formulieren: Sie ist das Wichtigste.

Ein letzter inhaltlicher Gedanke: Aus Sicht der Dogmatik mag man für das Thema des Antragtextes die Frage nach der Schöpfungsordnung bedenken. Aus Sicht der Pastoral sollte man die Bitten gerade der gleichgeschlechtlichen Paare als das benennen, was sie sind: ein hartnäckiges und oft sehr berührendes Glaubenszeugnis. Und dem sollte man Gewicht geben. Paare, die nicht den Erwartungen entsprechen, geraten, wenn sie in der Kirche bleiben wollen, nicht selten unter hohen Druck. Gerade deshalb zeigen sie oft und in berührender Weise, wie unbedingt Liebe beschützt werden muss – manchmal sogar gegenüber einer Institution, die doch ihrerseits nichts anderes tun möchte, als die Liebe zu schützen. Und von diesen Erfahrungen ausgehend, müsste man bedenken, was das für unsere Überlegungen zur Schöpfungsordnung bedeutet.

So, jetzt bewegt Sie alle vermutlich die Frage: Grundsätzlich mag das alles so sein, aber ist jetzt ein guter Zeitpunkt für ein solches Papier? Das Jetzt ist christlich gesprochen immer ein guter Zeitpunkt. Erst recht, wenn es Not gibt, auf die eine Antwort gegeben werden muss - und diese Not gibt es in dreifacher Weise:

Die ersten, die leiden, sind die Paare: Darüber habe ich gerade gesprochen. Aber auch hier schlage ich einen Perspektivwechsel vor: Da geht es nicht nur um Wünsche oder Sehnsüchte, die dann eben leider nicht erfüllt werden können. Bedenken wir die Wirkung von Segen: Ein Segen, der über etwas gelegt - oder ausgesprochen wird, weil er längst da ist - der ist ja nie privat. Und der bleibt auch nicht privat. Der wirkt – durch die Gesegneten und durch alle die, damit in Berührung kommen. Ich denke manchmal: Vielleicht bekommen wir derzeit auch und gerade die Verweigerung von Segen zu spüren.

Die zweite Ebene sind die Seelsorgenden: Wie oft kommt ein Priester oder Diakon oder auch ein Laie ins Schwitzen, weil eine solche Bitte an ihn herangetragen wird. Und wie oft wird sie zurückgehalten, weil man eben jenen geschätzten Priester, Diakon oder Laien nicht in Schwierigkeiten bringen will. Da gibt es eine unglaubliche Rücksichtnahme von Paaren. Für die Arbeit dieser Hauptamtlichen und auch für ihre Gewissensnöte brauchen wir jetzt eine Lösung dieser Fragen.

Und die dritte Ebene ist ein waches Gottesvolk, das kopfschüttelnd fragt, wo die Schwierigkeiten denn eigentlich liegen? Wenn man einer Reaktion in dieser Sache begegnet, dann dieser: „Wir segnen doch alles! Hamster, Autos, sogar Panzer! Nur Menschen, die segnen wir nicht?!“ Die Gläubigen können sich des Eindrucks nicht erwehren, dass manchen Menschen Segen vorenthalten wird. Und das Delikt soll die Liebe sein? Man mag es lehramtlich auch noch so gut begründen, pastoralpraktisch überzeugt das nicht. Das sollte zu denken geben. Das Empfinden der gläubigen Menschen hat von jeher eine eigene theologische Dignität. Dieser Sensus fidelium erinnert im Moment sehr klar daran, dass Liturgie nicht dazu da ist, moralische Urteile zu fällen. Segen ist keine moralische Instanz.

Also, warum jetzt? Weil die Not groß ist! Aber nicht alleine deswegen. Wir können froh und dankbar sein, wenn in der Vorbereitung des Synodalen Weges und erst recht in der inhaltlichen Arbeit der Foren auf gute Diskussionsgrundlagen zurückgegriffen werden kann. Wir müssen uns dort auf Vorarbeiten stützen können. Die nehmen nichts vorweg, sondern strukturieren und befruchten die Debatten. Der Prozess ist auf zwei Jahre angelegt. Das ist gut so, damit er Fahrt aufnehmen kann. Aber wir gehen dafür nicht alle zurück auf Los. Wir beginnen doch nicht bei null. Im Gegenteil, die Idee ist doch gerade, all das mitzubringen, was an wissenschaftlichen und pastoralen Erkenntnissen vorliegt, und damit in die Diskussionen zu gehen. Dann und nur dann kann in zwei Jahren ein ordentliches Wegstück gegangen werden.

Auf der Ebene der Bistümer im Übrigen gehen wir bereits weitere Schritte. Es ist ja nicht so, als müsse man Partnerschaftssegnungen neu erfinden. Es gibt sie schon. Es gibt sie in Wohnzimmern oder Gartenhäusern, auch in klandestinen Feiern im Kirchenraum, und wir wissen auch um Ansprechpersonen, die damit Erfahrungen haben. Ich halte es immer noch für einen der wichtigsten Impulse, des Frankfurter Papieres, diese Praxis zu benennen und ans Licht zu holen. Verantwortlich und gemeinsam klären zu wollen, was geht und was der Veränderung bedarf. Dazu werden vielerorts bisherige Erfahrungen gesammelt und dazu sitzen pastorale Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zusammen, um sich für den Ernstfall vorzubereiten. Damit sie theologisch und pastoral verantwortet handeln können in dem Moment, in dem es grünes Licht gibt. Wenn die Ampel auf Rot bleibt, gut, dann wird diese Arbeit umsonst gewesen sein. Aber ich fürchte, das ist dann das kleinste Problem.

Wir hätten mit diesem Beschlusspapier einen Baustein, einen zugegeben gewichtigen, mit dessen Hilfe die konkreten Fragen nach konkreten Segnungen für gleichgeschlechtliche Paare intensiv debattiert werden könnte. Diese Frage wird bewegt werden, ebenso wie die Frage nach den Zweiten Ehen oder wo wir sonst noch Baustellen haben. Für diese jetzt zu führenden Debatten sind breite Erfahrungen und klare Voten das Beste, was dem Synodalen Weg passieren kann.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

Dr. Martina Kreidler-Kos, Bistum Osnabrück

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