Bericht zur Lage, Rede des ZdK-Präsidenten 11/2020

im Rahmen der digitalen Vollversammlung des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) - es gilt das gesprochene Wort

Sehr geehrte Damen und Herren,

liebe Schwestern und Brüder, 

 

2020 ist ein außergewöhnliches Jahr, das in die Geschichtsbücher eingehen wird. Für uns als katholische Kirche in Deutschland begann dieses Jahr mit einem Reformimpuls, mit dem „guten Geist von Frankfurt“ – der ersten Versammlung des Synodalen Wegs.

Der 3. Ökumenische Kirchentag in Frankfurt 2021, die Umzugspläne des ZdK-Generalsekretariates nach Berlin, die Planungen für den Katholikentag in Stuttgart 2022 und dann auch noch Corona – alles kam gleichzeitig auf unseren neuen ZdK-Generalsekretär Marc Frings zu, der seit dem 1. Januar 2020 Herrn Dr. Stefan Vesper abgelöst hat und den wir herzlich in seiner ersten, so ungewöhnlichen ZdK-Vollversammlung willkommen heißen. 

Im Februar 2020 wurden die ersten Corona-Fälle in Europa gemeldet. Das Virus breitete sich dann seit Aschermittwoch zu einer Pandemie aus, die seitdem unseren Alltag und das gesellschaftliche, soziale, politische und wirtschaftliche Leben weltweit prägt. Was für ein Ostern! – Die Heilige Woche mussten wir ohne die vertrauten Liturgien begehen und konnten lernen, wie man elektronisch und im häuslichen Kreis Gottesdienste ganz anders erleben kann. 

In Deutschland sind wir bisher gut durch die Pandemie gekommen. Der erste „Lockdown“ im März kam zur richtigen Zeit. Er hat eine weitere Ausbreitung und eine Überlastung des Gesundheitssystems verhindert. Wir danken den Menschen in den Gesundheitsberufen, in der Verwaltung und in der Politik für ihr verantwortungsvolles, zügiges und beherztes Handeln!

Zu diesem bisher erfolgreichen Corona-Management haben unsere föderalen Strukturen maßgeblich beigetragen. Die Corona-Krise zeigt, dass bundesweite Maßstäbe und ein einheitlicher Korridor des Handelns wichtig sind, zugleich aber den Unterschieden der Länder Rechnung zu tragen ist. Bei allen Einschränkungen muss das Verhältnis zu Freiheiten und Grundrechten immer sorgfältig abgewogen werden. Grundrechtseinschränkungen sind nur temporär zu akzeptieren und sie sind sehr gut zu begründen!

Öffentliche und politische Diskussionen um den richtigen Weg und geeignete Maßnahmen zur Bekämpfung des Corona-Virus sind richtig. Sie schaffen die notwendige Legitimität und die Akzeptanz für politische Entscheidungen. Eine Beteiligung der Parlamente bei zentralen Entscheidungen halte ich daher für äußerst wichtig.

Auch friedliche Proteste unter Einhaltung der entsprechenden Auflagen sind legitim und Ausdruck einer funktionierenden Demokratie. Zugleich besteht offenbar die Gefahr, dass diese Proteste von populistischen oder extremen Kräften vereinnahmt werden. Die Bilder der Demonstrationen vor dem Bundestag Ende August oder aus Leipzig Anfang November erschrecken mich zutiefst. Die Instrumentalisierung dieser Proteste ist völlig inakzeptabel. Und aus aktuellem Anlass stelle ich fest: das Deklarieren von Demonstrationen als Gottesdienste ist skandalös, der Missbrauch von Symbolen der NS-Zeit wie der gelbe Stern ist widerwärtig. Als Gläubige müssen wir alles dafür tun, friedliche Kritik zuzulassen und zugleich solchen Vereinnahmungen und Grenzüberschreitungen ganz entschieden entgegentreten!

Seit Anfang November befinden wir uns in einem zweiten Teil-Lockdown. Die aktuellen Maßnahmen der Bundesregierung entsprechen unserem Beschluss des Hauptausschusses vom 9. Oktober, der Öffnung von Schulen und Kitas höchste Priorität zu geben. Die Situation im Frühjahr hat gezeigt, dass Kinder aus sozial benachteiligten Familien unter den Corona-Einschränkungen besonders zu leiden hatten. Sorge bereiten mir derzeit auch die alten Menschen, die – oft hochbetagt – in Pflegeheimen leben. Soziale Isolation und Vereinsamung dieser Menschen dürfen trotz ihrer besonderen Gefährdung nicht wieder zugelassen werden. Die Einführung von definierten und festen Bezugspersonen, die ein kontinuierliches Besuchs- und Umgangsrecht erhalten, wäre ein möglicher Weg dafür.

Ein elementares Ziel ist es, das Wirtschaftsleben aufrecht zu erhalten, Einkommen und Arbeitsplätze zu sichern. Trotz aller bereits ergriffenen Maßnahmen zur sozialen und wirtschaftlichen Abfederung treffen die derzeitigen Beschränkungen einige Branchen erneut besonders hart. Neben anderen sind Künstlerinnen und Künstler derzeit in einer besonders schwierigen Situation. Der Wegfall von kulturellen Ereignissen zeigt, wie wichtig die Kunst in ihren vielfachen Formen ist.

Als Kirche müssen wir nun ganz besonders für die Menschen da sein. Dies bedeutet, dass wir mit Blick auf die Advents- und Weihnachtszeit möglichst vielen Menschen die Mitfeier von Gottesdiensten ermöglichen müssen. Die Angebote für konkrete Hilfen im Alltag bieten insbesondere für Ältere und kranke Menschen eine große Erleichterung.

Und wir brauchen eine stärkere Wahrnehmung der Einsamkeit und der Ängste, die mit der Pandemie aufkommen. Die Corona-Pandemie offenbart eine Sinnkrise, sie zeigt unsere Verletzlichkeit und wie sehr wir aufeinander angewiesen sind. Covid-19 zerbricht das Konzept totaler Machbarkeit und des Zwangs zur Selbstoptimierung. Sich einer radikalen Lebens-veränderung gegenüber zu sehen, die wir nicht verhindern können, sondern die zu meistern ist, stellt uns alle vor die Aufgabe, mit dem Unverfügbaren und dem Veränderbaren der Pandemie angemessen umzugehen. Wie sehr die Corona-Pandemie unser Miteinander in unterschiedlichen Lebensbereichen verändert und herausfordert, haben erstmalig alle unsere Sprecherinnen und Sprecher im Frühsommer in einem gemeinsamen Text formuliert, der gedruckt wurde und auf unserer Website nachzulesen ist.

Abschließen möchte ich dieses Thema vorerst mit einer konkreten Hoffnungsbotschaft: Seit dieser und letzter Woche gibt es eine realistische Perspektive auf zwei, offenbar wirksame Impfstoffe, die helfen werden, die Pandemie zu überwinden. Zugleich wissen wir, dass uns trotzdem noch ein weiteres Jahr mit Einschränkungen bevorsteht. Wir sind gefordert, unsere Stimme in der Diskussion über eine gerechte Verteilung des Impfstoffes für die Ärmsten und Schwächsten zu erheben.

Zum Stand der Suizidbeihilfe

Ich möchte nun auf eine wichtige ethische Debatte zu sprechen kommen, die wir in den Jahren 2014/15 engagiert geführt haben, in der wir uns aber nun wieder befinden. Am 26. Februar 2020 hat das Bundesverfassungsgericht die gesetzliche Regelung zum Verbot der geschäftsmäßigen Suizidbeihilfe in § 217 StGB für verfassungswidrig erklärt, die im Jahr 2015 nach langen sehr ernsthaften Beratungen im Bundestag ohne Fraktionszwang beschlossen worden war.

Dabei wurde unter anderem den Klagen einiger Ärzte gefolgt, die sich in ihrer Berufsausübung eingeschränkt sahen. Ich bin nach wie vor der Auffassung, dass die Situation der Ärzte, die schwerkranke und sterbende Menschen begleiten und ihr Leid lindern, in dem Gesetz von 2015 angemessen berücksichtigt wurde. Man hätte für ihre Problemanzeige wohl auch eine andere Lösung im Rahmen des § 217 finden können.

Doch das Verfassungsgericht ist weit darüber hinausgegangen und hat die Selbsttötung zum Inbegriff menschlicher Freiheit und Selbstbestimmung erhoben. Es kommt nicht darauf an, ob es der Sterbewunsch einer schwerkranken, unheilbaren Person ist – die Suizidassistenz muss, der Entscheidung des obersten Gerichts zufolge, für alle Menschen zugänglich sein. Das darin zum Ausdruck kommende extreme Verständnis der Autonomie als Kern der Menschenwürde halte ich für hochproblematisch.

Derzeit erarbeitet eine Ad-hoc-AG des Katholischen Büros, der DBK und des ZdK eine Stellungnahme für die Gemeinsame Konferenz zu diesem Thema, in der unsererseits Prof. Dr. Lob-Hüdepohl und Dr. Wolfgang Thierse mitarbeiten. Der kürzlich so tragisch verstorbene Professor Eberhard Schockenhoff hat einen seiner letzten Artikel zu diesem Thema verfasst.  Der Ausbau der Palliativmedizin und der Hospizarbeit sind unsere Antworten auf die Angst vor einem schmerzhaften Sterben. Uns geht es auch um einen Rahmen für die pastorale Begleitung in diesen Situationen. Wir wollen und müssen uns hier gemeinsam als katholische Kirche, und wenn eben möglich auch im ökumenischen Miteinander, positionieren.

Europäische Flüchtlingspolitik

Ich möchte nur kurz auf die Flüchtlings- und Asylpolitik zu sprechen kommen, zu der wir uns in diesem Jahr – auch im Hauptausschuss – immer wieder positioniert haben. Die schrecklichen Ereignisse und Bilder aus Lesbos und der Brand im griechischen Flüchtlingslager in Moria haben uns die besondere Dringlichkeit des Problems und der Suche nach politischen Lösungen erneut vor Augen geführt. Im September hat die EU-Kommission einen Reformvorschlag zur europäischen Asyl- und Flüchtlingspolitik vorgelegt, der zu einem wichtigen Kompromiss werden kann und derzeit von den Mitgliedstaaten unter deutscher EU-Ratspräsidentschaft verhandelt wird. Dieser Vorschlag entspricht an einigen Stellen nicht eins zu eins unseren ethischen Maßstäben, dennoch muss dieser Kompromiss als derzeit kleinster gemeinsamer Nenner unter den Mitgliedstaaten betrachtet und als Fortschritt in dieser seit Jahren festgefahrenen Debatte gesehen werden. Für uns als Gläubige ist klar, dass Abschottung und Rückführung von Asylsuchenden nicht das Hauptmerkmal einer wertebasierten europäischen Flüchtlingspolitik sein können. Dem jetzt vorgelegten Kompromissvorschlag müssen daher weitere Schritte folgen.

Islamistischer Terror und Islamfeindlichkeit

Immer wieder aufs Neue beschäftigt uns das Thema islamistischer Terror. Vor vier Jahren hat sich unser Gesprächskreis „Christen und Muslime“ in der Erklärung „Keine Gewalt im Namen Gottes“ differenziert mit dieser Problematik auseinandergesetzt und dezidiert Stellung dazu bezogen. In diesem nach wie vor lesenswerten und wichtigen Text heißt es kurz und eindeutig: „Gott zur Rechtfertigung von Tötungen und Gewalttaten in Anspruch zu nehmen, ist Gotteslästerung.“ Das galt und gilt auch heute, wenn wir auf die tödlichen Angriffe in Dresden, Nizza und Wien blicken, wo die Täter wieder einmal mit ihrem Ruf „Allahu Akbar“ den Gottesnamen auf schrecklichste Weise missbraucht haben.

Das Töten von betenden Gläubigen in einer Kirche oder die Enthauptung eines Lehrers wird zur Inszenierung eines Religionskrieges genutzt. Das ist eine politische Instrumentalisierung des Islams für Terror und Mord, die in jeglicher Hinsicht abzulehnen und scharf zu verurteilen sind. Damit verbunden ist zugleich die Gefahr, dass alle in Deutschland und Europa lebenden Muslime für diese Taten in Mithaftung genommen werden und einer verbreiteten antiislamischen Stimmung Auftrieb geben. Zu diesem Thema haben wir einen eigenen Tagesordnungspunkt in dieser Vollversammlung.

Alle Organisationen und Strukturen des Islam in Deutschland müssen sich deutlich von Gewalt, Terror und der politischen Ausnutzung ihrer Religion distanzieren. Den Leitbegriff „Politischer Islam“, wie er vor allem in Österreich diskutiert wird, halte ich allerdings für nicht zielführend. Er hat Verhetzungspotential, weil damit Politik mit Gewalt verwechselt und das Bild einer unpolitischen Religion gezeichnet wird, das nicht zum Ideal werden sollte. Navid Kermani hat 2015 in einer Rede nach den Anschlägen in Paris formuliert: „Heute muss die Antwort auf den Terror […] sein: Nicht weniger, sondern mehr Freiheit! Nicht Ausgrenzung, sondern gerade jetzt Gleichheit! Und vor allem nicht Feindschaft, sondern Brüderlichkeit!“ Dies muss auch unsere Antwort auf den islamistischen Terror sein!

 

Fratelli Tutti

Geschwisterlichkeit, das ist das Leitthema der neuen Enzyklika des Papstes, die er am 3. Oktober 2020 in Assisi vorgestellt hat. „Fratelli Tutti“ – an alle Geschwister, an die Menschheit wendet sich diese, von anderen Sozialenzykliken zu unterscheidende Schrift, die viele frühere Texte des Papstes um eine große Exegese des Samaritergleichnisses zusammenstellt. Die teils harsche Abqualifizierung der Enzyklika in einigen Zeitungen weicht inzwischen einer differenzierteren Betrachtung. Wie alle Texte des Papstes lohnt sich die Lektüre auch für Nichttheologen. Er entwickelt die Vision einer weltumspannenden Geschwisterlichkeit mit den religiösen, gläubigen Menschen als Motor einer humanen Entwicklung.

Missbrauch in unserer Kirche

Im Umgang mit den Opfern sexualisierter Gewalt in der Kirche hat es im vergangenen Jahr wichtige Fortschritte gegeben. Die deutschen Bischöfe haben sich auf einen grundsätzlichen Rahmen für Entschädigungszahlungen geeinigt, der sich an den in Deutschland üblichen Zahlen bemisst und prioritär kirchliches Vermögen als Finanzquelle für Entschädigungs-zahlungen heranzieht – und keine Kirchensteuermittel. Wir sehen damit den Antrag der ZdK-Vollversammlung von November 2019 und den Beschluss des ZdK-Hauptausschusses von März diesen Jahres erfolgreich umgesetzt.

Einige Bistümer haben wissenschaftlich fundierte, systematische Studien zu Fällen sexualisierten Missbrauch in den vergangenen Jahrzehnten vorgelegt, die Transparenz und Aufklärung schaffen wollen und einen würdevollen Umgang mit den Opfern zum Ziel haben. Ob es nicht besser ist, diese Aufgabe Historikern zu übertragen als Anwälten, die ja immer Interessen ihrer Auftraggeber zu vertreten haben, sei als Frage dahingestellt. Die sehr gute Tagung der Kommission für Zeitgeschichte, die unser Mitglied Professorin Dr. Birgit Aschmann dazu kürzlich in Bonn durchgeführt hat, ist ein gutes Zeichen für die historische Aufarbeitung.

Aus aktuellem Anlass möchte ich heute betonen: Wer in dieser Hinsicht Ankündigungen der Transparenz macht, steht in der Verantwortung, für eine angemessene Veröffentlichung zu sorgen. Es geht um die ernstzunehmende Aufarbeitung der sexuellen Missbrauchsfälle und des kirchlichen Umgangs damit! Es geht nicht um eine mediale Inszenierung, es geht um Glaubwürdigkeit. Im Zentrum all dieser Bemühungen, so hat es unser Vize-Präsident Wolfgang Klose in seiner Rede auf der Vollversammlung im Mai 2019 gesagt, müssen die Betroffenen stehen; ihnen muss mit allen möglichen Mitteln Gerechtigkeit zuteilwerden!

Wenn die Presseberichte zutreffen, nach denen der Betroffenenbeirat im Erzbistum Köln instrumentalisiert wurde für die Akzeptanz einer veränderten Strategie, dann ist das ein sehr schwerwiegender Skandal! Der Diözesanrat Köln hat sich am vergangenen Freitag schon dazu geäußert. Die Empörung unter den Gläubigen ist zu Recht laut geworden.

Man fragt sich angesichts solcher Vorgänge: haben die Verantwortlichen wirklich verstanden, was sexueller und geistlicher Missbrauch bedeuten? Bis in die Gegenwart scheinen die Täter und die Institution mehr im Blick zu sein als die Opfer. Das kann man aus der Politik lernen: die Übernahme von Verantwortung durch Amtsträger ist würdevoller als peinliches Durchlavieren! Wir sagen das als Laien nicht selbstgerecht: auch Kirchenvorstände und Pfarrgemeinderäte wussten oft von den Vergehen und haben das Vorgehen gestützt.

In der Kirche wiegen die Vergehen an Kindern besonders schwer – wir stehen unter dem scharfen Satz Jesu aus Mt 18,6, der lautet: „Wer einem von diesen Kleinen, die an mich glauben, Ärgernis gibt, für den wäre es besser, wenn ihm ein Mühlstein um den Hals gehängt und er in der Tiefe des Meeres versenkt würde“. Und der Hinweis auf andere Institutionen verfängt nicht: die Kirche muss nicht zuletzt wegen ihres moralischen Anspruchs die Aufarbeitung ihrer Missbrauchsfälle so vorbildlich machen, dass andere Bereiche – wenn sie ihre Missbrauchsgeschichten aufarbeiten – zu der Erkenntnis kommen, nicht hinter das Anspruchsniveau der katholischen Kirche zurückfallen zu dürfen.

Synodaler Weg

Die Darstellung systemischer Gründe für Missbrauch in der MHG-Studie ist die Grundlage für den Synodalen Weg, der uns heute Nachmittag beschäftigen wird. Nach intensiven und kontroversen Diskussionen in der ZdK-Vollversammlung haben wir entschieden, als Partner mit der Deutschen Bischofskonferenz diesen Reformprozess mitzugehen. Die Tatsache, dass die katholische Kirche als System Mitverantwortung und Schuld der Täter trägt, drängt auf Neuordnungen auf vielen Ebene und in zahlreichen Handlungsfeldern. Nur über diesen Weg können wir gemeinsam verlorenes Vertrauen zurückgewinnen und die Kirche wieder glaubwürdig machen, damit sie ihrem Auftrag und Zeugnis gerecht werden kann.

Der Weg ist kein deutscher Sonderweg: in verschiedenen Ländern gibt es nicht nur eine aufmerksame Beobachtung dessen, was hier geschieht, sondern Formulierungen für ähnliche Reformprozesse unter Beteiligung von Laien – so entsteht in Frankreich momentan eine stärkere Organisation der unterschiedlichen Laienverbände.

Die erste Synodalversammlung sowie die fünf Regionalkonferenzen haben gezeigt, dass es kein Lagerdenken gibt und der Synodale Weg wirklich Bewegung schafft. Das ZdK repräsentiert mit seinen Delegierten in der Synodalversammlung die große Vielfalt des deutschen Laienkatholizismus, die große Mehrheit der Bischöfe sieht die Notwendigkeit baldiger Reformen. Einige öffentliche Äußerungen verschiedener Bischöfe in den letzten Monaten haben gezeigt, dass dessen Dynamik bereits jetzt zur Lösung von Denkblockaden geführt hat. Dies betrifft beispielsweise die Weihe von Frauen oder den Umgang mit Homosexualität in unserer Kirche.

Ich bin zuversichtlich, dass wir trotz erschwerter Rahmenbedingungen durch die Corona-Pandemie in den nächsten Monaten konkrete Fortschritte erzielen werden. Trotzdem wissen wir alle, dass es auch Gegenwind gibt.

Römische Interventionen

Exemplarisch möchte ich hier die im Juli diesen Jahres veröffentlichte Instruktion unter dem sperrigen Titel „Die pastorale Umkehr der Pfarrgemeinden im Dienst an der missionarischen Sendung der Kirche“ der römischen Kongregation für den Klerus nennen. Bereits Zeit und Umstände der Veröffentlichung werfen Fragen auf. Die Instruktion konstruiert eine Wirklichkeit, die es so nicht mehr gibt. Das Bild des Priesters als Hirten, um den sich die Herde schart, ist schon immer schief gewesen und stimmt längst nicht mehr. Viele der immer weniger werdenden Pfarrer sind überlastet, ganz selbstverständlich halten haupt- und ehrenamtliche Laien viele Gemeinden am Leben. Das Gesicht der Gemeinden in Deutschland ist seit Langem weiblich; Frauen kommen in der Instruktion allerdings nicht vor. In verschiedenen Interviews habe ich meinen Eindruck der Realitätsferne dieses Papieres kundgetan.

Auch viele Bischöfe haben sich irritiert und kritisch zu dem Papier geäußert. Zugleich ist es umso bemerkenswerter, wenn ausgerechnet der Erzbischof und Kardinal von Köln als einer von wenigen die Instruktion begrüßt, in seinem eigenen Bistum eine Pfarreireform anstößt, die dem Verbot von pauschalen Pfarreiauflösungen in der Instruktion entgegenstehen. Das Thema Gemeindezusammenlegungen sorgt in vielen Bistümern für erhebliche Verärgerung, Verunsicherung und auch für Kirchenaustritte. Es wird angesichts des verbreiteten Auszugs der Kirche aus der Fläche künftig vor allem auf die Laien – die Frauen und Männer vor Ort in den alten Gemeinden – ankommen, wenn kirchliches Leben eine Zukunft haben soll.

Eine andere Intervention ist das Schreiben der Glaubenskongregation zu dem Papier des renommierten Ökumenischen Arbeitskreises „Zu Gast am Tisch des Herrn“. Wenn darin festgestellt wird, diese Studie sei keine hinreichende Begründung für die persönliche Gewissensentscheidung der Gläubigen, so sagt es nichts darüber aus, dass diese Entscheidung trotzdem von jeder und jedem Einzelnen vor allem in konfessionsverbindenden Familien Sonntag für Sonntag zu treffen ist.

Alles das kann uns nicht hindern an der Zuversicht für das Gelingen des Synodalen Wegs. Bestärkt bin ich darin auch dadurch, dass die gute Zusammenarbeit mit dem neuen Vorsitzenden der DBK, Bischof Dr. Georg Bätzing, sehr gut gelingt; so wie Erzbischof Reinhard Kardinal Marx, dem ich hier und heute einmal ausdrücklich danken möchte für sein Eintreten für das ZdK während seiner Amtszeit.

Bischof Dr. Georg Bätzing vertritt das gemeinsame Anliegen des Synodalen Wegs in der Orts- und der Weltkirche ganz entschieden und genießt, genauso wie sein Vorgänger, unser volles Vertrauen. Ich freue mich sehr, dass wir heute Nachmittag die Gelegenheit haben werden, mit ihm ins Gespräch zu kommen.

Ich danke für Ihr Aufmerksamkeit.

            

Prof. Dr. Thomas Sternberg, ZdK-Präsident

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