Treibhausgas-Emissionen minimieren, Energieverbrauch reduzieren, Subsidiarität und Solidarität stärken – eine Stellungnahme des ZdK aus Sicht der katholischen Sozialethik

Beschluss der Vollversammlung des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK)

Der Klimawandel ist die zentrale Bedrohung der Schöpfung. Naturkatastrophen als Folge des anthropogenen Klimawandels in allen Erdteilen machen uns zunehmend drastisch bewusst, wie verwundbar Leben auf unserem Planeten ist. Die Erhitzung der Erde führt zu Hungersnöten und Süd-Nord-Fluchtbewegungen nie dagewesenen Ausmaßes. Weltweit sind vor allem Frauen von den Folgen des Klimawandels betroffen aufgrund ihres meist geringeren sozialen Status sowie dem begrenzteren Zugang zu politischer und wirtschaftlicher Teilhabe.

Wir kennen seit vielen Jahrzehnten das wichtigste Gegenmittel gegen den von der Menschheit verursachten Klimawandel: Die Verringerung des CO2-Ausstoßes – und das geht mit der radikalen Abkehr von fossilen Energieträgern am schnellsten. Deshalb ist die Energiewende – der möglichst schnelle Ersatz von Kohle, Gas und Öl durch die nachhaltige Nutzung von Wind, Sonne und Wasser verbunden mit der Steigerung der Energieeffizienz und der Reduzierung des Energieverbrauchs – der wirksamste Beitrag zur Bewahrung der Schöpfung.

Durch den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine ist in den öffentlichen Diskurs gekommen, wie abhängig die westlichen Industriestaaten, insbesondere Deutschland, von russischem Gas und Öl sind. Damit wird der konsequente Ersatz für fossile Energien auch zu einer Frage von mehr Sicherheit und Energiesouveränität. Dies ist gerade im Hinblick auf unseren Anspruch, eine wertegebundene Außenpolitik zu betreiben, von enormer Bedeutung. Energiepolitik ist gleichzeitig eine zentrale Herausforderung für die Sozialpolitik. Denn Strom und Wärme drohen für viele Menschen in unserem Land unbezahlbar zu werden. Daher ist die Gas- und Strompreisbremse der Bundesregierung, die damit den Empfehlungen der Gas-Wärme-Kommission folgt, eine Antwort auf eine Situation, in der jahrelang der rechtzeitige Umstieg von fossilen Brennstoffen auf erneuerbare Energieträger versäumt wurde. Zur bitteren Wahrheit gehört: Es sind Öl, Gas und Kohle, durch die die Energierechnungen steigen. Erneuerbare Energien und Effizienz senken sie hingegen. 

Energiewende und bezahlbare Energie sind kein Widerspruch. Im Gegenteil: Strom aus Wind und Sonne ist schon heute günstiger in der Erzeugung als Strom aus Kohle, Gas und Uran. Auch in Deutschland. Sie bedürfen intelligenter, schneller und gleichzeitig nachhaltiger Lösungen. Dies erfordert ein Umdenken in unser aller Köpfe und einer nachhaltigen Veränderung der Rahmenbedingungen.

Dieser Herausforderung muss sich auch die katholische Kirche stellen, und zwar in Form einer Klima- und Energiepolitik auf dem Boden der katholischen Sozialethik. Ihre grundlegende Ausrichtung darauf, die Schöpfung zu bewahren und allen Menschen Zugang zu ihren Gütern zu eröffnen, sodass sie gut leben und sich entfalten können, spiegelt sich in dem Dreiklang: Treibhausgas-Emissionen minimieren, Energieverbrauch reduzieren, Subsidiarität und Solidarität stärken. Dies betrifft nicht nur kirchliches Fordern und Schreiben, vielmehr sind hier auch alle Kirchengemeinden und kirchliche Einrichtungen vor Ort in der Pflicht. Ihr oft kreatives, konkretes und nachhaltiges Engagement setzt Zeichen und ist zu unterstützen und zu fördern.

Wir stehen für und unterstützen eine Politik, die die Energiewende als zentrale Maßnahme zur Bewahrung der Schöpfung anerkennt, gerade auch in Solidarität mit und aus Verantwortung gegenüber denen, die am stärksten durch seine Folgen betroffen sind:

- Eine transnationale klimapolitische Architektur muss CO2 auf einem hohen und sukzessiv steigenden Niveau bepreisen, damit fossile Energieträger aus dem Markt gedrängt und die dringend erforderliche Dekarbonisierung beschleunigt wird. Damit dies nicht einseitig zulasten einkommensarmer Menschen geht, sind die Einnahmen sozial gerecht zurückzugeben. Der Ausbau der erneuerbaren Energien muss beschleunigt werden, um den CO2-Ausstoß bei der Erzeugung von Strom und Wärme radikal zu reduzieren. Das Ziel sind Netto-Null-Emissionen, für die es neben der Emissionsreduktion einer zügigen Ausbreitung von Maßnahmen bedarf, mit denen CO2 der Atmosphäre entzogen wird (u.a. Aufforstung, Luft-Filtrierung, verändertes Bodenmanagement). Eine Ausweitung der Kohleimporte zur Nutzung für den Strom- sowie den Wärmesektor ist klima- und entwicklungspolitisch hoch problematisch und verzögert die Energiewende in Deutschland ebenso wie im Globalen Süden. Die Nutzung von Kernenergie kann wegen ihrer unbeherrschbaren Risiken ebenso keine Alternative für die Zukunft sein.

Erfolgskritisch ist dabei, dass die Kirchen einen Beitrag leisten – indem sie beispielsweise ihre Immobilien und Grundstücke für Photovoltaik und Windkraft – insbesondere auch für neue technologische Lösungen und Pilotprojekte, die für dicht besiedelte Regionen/ Städte geeignet sind - unkompliziert zur Verfügung stellen. Ausbauhemmnisse wie Abstandsregeln, die Funkfeuerproblematik und häufig konstruierte Konflikte mit Arten- und Naturschutz müssen abgebaut, Genehmigungsprozesse beschleunigt und bürokratische Hemmnisse reduziert werden. Die Energiewende muss in der Abwägung mit anderen Interessen Vorrang haben.

- Gute Beratungsangebote müssen Einsparmöglichkeiten kommunizieren und mit Förderprogrammen unterstützen – zum Beispiel für den Austausch elektrischer Geräte oder zum Umstieg von Gas und Öl auf klimafreundliche Wärmeerzeugung. Der Stromspar-Check des Caritasverbandes zeigt beispielsweise seit vielen Jahren, wie das geht. Verhaltensveränderungen beginnen im Kopf und enden bestenfalls im Portemonnaie. Auch hier sind wir Kirchen in der Pflicht, mit dem christlichen Ansatz des „Gut leben statt viel haben“ zu verdeutlichen, dass Einsparung nicht immer Verzicht bedeutet. Gleichzeitig müssen die Kirchen – wie auch andere öffentliche Einrichtungen – erheblich mehr in die energetische Sanierung ihrer Gebäude investieren. Zur Umstellung gehört auch, dass Kirche und kirchliche Organisationen CO2-neutral fahren und reisen. Kirchliches Handeln ist bisher unzureichend und deshalb unglaubwürdig.

- Entscheidend ist, die Energiewende als ein Projekt der Solidarität und Gerechtigkeit auf nationaler und internationaler Ebene zu begreifen. Klimapolitik muss sozial gerecht als Klimasozialpolitik ausgestaltet werden. Unter den Folgen der Klimakrise leiden besonders arme Bevölkerungsgruppen in Nord und Süd, also genau jene Gruppen, die am wenigsten zur Klimakrise beigetragen haben. Ambitionierte Klimapolitik kann Energieeinsparziele nur erreichen, wenn Solidarität in allen Politikfeldern - in der Verkehrs-, Wohnungs-, Ernährungs-, Gesundheits-, Landwirtschafts- Finanz- und Stadtentwicklungspolitik - Beachtung findet. So befördert sie soziale Gerechtigkeit. Wird die klimaschonende Infrastruktur, wie der ÖPNV, ausgebaut und barrierefrei und preisgünstig gestaltet, profitieren einkommensarme und andere vulnerable Bevölkerungsgruppen - Menschen mit Behinderung, Ältere und kinderreiche Familien. Zudem muss der steuerliche Aufwand, der mit einer Entlastung geringer Einkommen von hohen Energiekosten verbunden ist, fair verteilt werden. Starke Schultern können und müssen stärker belastet werden. Gleichzeitig dürfen wir die europäische und globale Solidarität nicht vernachlässigen.

Unsere energiepolitischen, vor allem aber klimasozialpolitischen Maßnahmen müssen über Deutschland hinauswirken. Dies gilt in besonderem Maße für unsere Verantwortung in den Ländern des Globalen Südens, denen Kompensationen für die Schäden der Klimakrise zustehen und die bei der sozial-ökologischen Transformation sowie für Anpassungsmaßnahmen auf umfangreiche Finanzflüsse aus dem Globalen Norden angewiesen sind. Der Aufbau der Infrastruktur für Erneuerbare Energien im Globalen Süden bedarf hoher Investitionen, die der Globale Norden über multilaterale Entwicklungsbanken fördern und mit Just Transition Partnerships für den Ausstieg aus fossiler Energie und die Einführung einer CO2-Bepreisung flankieren sollte. Aufgrund der maßgeblichen Verantwortung, die dem Globalen Norden als Hauptverursacher der Klimakrise zukommt, verpflichteten sich die Industriestaaten im Jahr 2009 dazu, ab 2020 jährlich 100 Milliarden US-Dollar für Präventionsmaßnahmen im Globalen Süden bereitzustellen. Die Klimakonferenz 2022 beschloss zudem, 100 Milliarden US-Dollar als Entschädigung zu zahlen. Das erste Ziel wird dieses Jahr zum dritten Mal verfehlt; voraussichtlich werden nicht einmal 90 Milliarden US-Dollar fließen. Klimagerechtigkeit gibt es nicht ohne einen langfristig angelegten Kraftakt des Globalen Nordens, der weit über 100 Milliarden US-Dollar jährlich hinausgeht. Da Deutschland Gas in großen Mengen auf dem Weltmarkt kauft, wird es für andere Länder unbezahlbar. Sie kehren daher zur Kohleverstromung zurück. Die Förderung der Kohle führt dazu, dass Menschen in anderen Ländern ihren Lebensraum verlieren. Eine achtsame Energiepolitik erkennt dies, sucht die Lösung in einem sehr schnellen Ausbau Erneuerbarer Energien sowie einer zügigen Effizienzsteigerung, und unterstützt andere Länder sehr ambitioniert.

- Klimagerechte Energiepolitik begleitet die Wirtschaft in der Energiewende so, dass Investitionen und vor allem Innovationen nach Kräften gefördert werden. Dazu gehören zum Beispiel Nahwärmenetze, die dezentral Wärme einsammeln – etwa Abwärme von Rechenzentren, Industrie- und Kläranlagen, aber auch von großen Solarthermieanlagen und zentralen Wärmepumpen. Neben den kommunalen Wärmeplänen (die vielfach schon Pflicht sind) bedarf es dazu auch einer detaillierten Wärmeplanung auf Ebene einzelner Stadtviertel und Quartiere. Die Wirtschaft muss umfassend dabei unterstützt und in die Pflicht genommen werden, energieeffizienter zu arbeiten.

Bei Windenergie braucht es mehr Unterstützung und Schnelligkeit aus den Ländern, um mehr Flächen zur      Verfügung zu stellen. Dafür sollten Kommunen, Bürger*innen und Unternehmen stärker an den Erträgen der Windkraft beteiligt werden. Grüner Wasserstoff kann für die chemische und pharmazeutische Industrie sowie für den Stahlsektor eine Zukunftstechnologie darstellen. 

Bei allen Herausforderungen im Großen und im Kleinen: Der Schutz des Klimas und der Umbau der Energieversorgung sind für unsere Gesellschaft auch eine große Chance. Die Vermittlung dieser Chancen und das Werben für die Entwicklung, die wir als Gesellschaft dabei nehmen müssen, sind ein wichtiger Faktor einer zukunftsmutigen Energiepolitik. Neben der Bewahrung der Schöpfung dient sie dem Aufbau eines wirtschaftlichen Fundaments künftiger Generationen und dem sozialen Zusammenhalt.

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