Europa vor der Wahl: Für Demokratie und Menschenwürde stimmen

Erklärung der Initiative Christen für Europa

Eine echte Wahl zu haben, gehört zu den Vorzügen der Demokratie. In diesem Jahr entscheiden die Wahlberechtigten in der EU neu über die Zusammensetzung des Europäischen Parlaments, indirekt auch über die von den Parteienfamilien nominierten Spitzenkandidat*innen für den Vorsitz der Kommission, und markieren damit den politischen Gestaltungsspielraum der nächsten fünf Jahre. Als christliches Netzwerk wirbt IXE – Initiative Christen für Europa – darum, am 6.-9. Juni 2024 zur Wahl zu gehen und eine verantwortungsvolle Entscheidung im Sinne des Friedens und der Menschenwürde zu treffen.  

Insgesamt wurden in der vergangenen Legislaturperiode viele entscheidende und beispiellose Erfolge erzielt: Die Europäische Union hat gemeinsam Impfstoffe beschafft, an alle Mitgliedstaaten unabhängig vom Wohlstand verteilt und die Pandemie auch in ökonomischer Hinsicht überwunden. Sie hat die Green Deal-Gesetzgebung auf den Weg gebracht und damit einen klimapolitischen Aufbruch markiert. Der Ukraine hat sie infolge des russischen Angriffskrieges massive Unterstützung bereitgestellt. Um migrationspolitische Lösungen wurde gerungen; mit der finalen Fassung des Paktes über Asyl und Migration wurde eine gemeinsame Grundlage geschaffen. Die Herausforderungen bleiben jedoch immens. Der Dialog mit den Bürger*innen muss fortgesetzt werden. 

Deshalb darf die Wahl nicht auf einen Akt des Protestes reduziert werden: Es geht um eine politische Auswahl. Das Wahlergebnis ist die Voraussetzung für den Fortbestand der europäischen Einigung in den nächsten fünf Jahren. Nach der Wahl braucht es parlamentarische Mehrheiten, die Menschlichkeit und Solidarität, Nachhaltigkeit und Subsidiarität als grundlegende Prinzipien anerkennen, Rechtsstaatlichkeit verteidigen und Nationalismen, Diskriminierung und Abschottung entgegentreten. Die EU hat großen Einfluss auf diverse Politikfelder – die Wähler*innen entscheiden, in welche Richtung sich der Kontinent entwickeln wird. Eine zentrale Frage lautet, wie Europa die herausfordernden geopolitischen Bedingungen meistern wird. 

Der Schutz von Menschen, die verfolgt werden und um ihr Leben fürchten, ist grund- und völkerrechtlich geboten und darf nicht zur Disposition stehen. Aus christlicher Sicht fördern wir die Solidarität mit allen Menschen, die gezwungen sind, ihr Land zu verlassen, insbesondere mit Geflüchteten. Menschenrechtsverstöße an den EU-Außengrenzen sind unerträglich. Pushbacks müssen aufhören. Wir müssen neue legale Zugangswege nach Europa eröffnen. Die Bewährungsprobe des neuen Gemeinsamen Europäischen Asylsystems steht aus. Es wurde eine gewisse Ausweitung der solidarischen Verteilung von Geflüchteten erreicht, um gemeinsam Verantwortung für die Schutzsuchenden zu übernehmen und keinen Staat zu überfordern. 

In der Klimapolitik schließt sich das Zeitfenster, um die Pariser Klimaziele einzuhalten und eine weitere Verschärfung der Klimakrise einzudämmen. Deshalb drängen wir zu einer raschen Einigung auf das Ziel, die Treibhausgasemissionen bis 2040 um 90 % im Vergleich zu 1990 zu senken. Mit einer konsequenten Klimapolitik muss die EU in allen Sektoren starke Anreize für die sozial-ökologische Transformation setzen und aufrechterhalten, um das 55 %-Zwischenziel für 2030 nicht nur zu erreichen, sondern möglichst zu übertreffen. Sie muss für tragfähige Lieferketten für wichtige Rohstoffe wie Lithium sorgen und sich bemühen, diese fair und resilient zu gestalten. Wir plädieren dafür, die gescheiterte Sorgfaltspflichtenrichtlinie neu aufzusetzen und zum Erfolg zu führen.1 Klimapolitik und Armutsbekämpfung müssen Hand in Hand gehen: Die EU ist gefordert, Klimaschutz sozial zu flankieren, damit bei der Dekarbonisierung keine Region und kein Mensch abgehängt wird. Gute Klimapolitik schafft sozialen Ausgleich, schützt Menschenleben, fördert die Unabhängigkeit von fossilen Energien und erhöht damit die Sicherheit und berücksichtigt die internationale Wettbewerbsfähigkeit Europas. 

Gerade in diesem Jahrzehnt, in dem in vielen Ländern weltweit Autokratien entstehen, erstarken und die demokratischen Grundsätze in Europa und in der Welt erschüttern, muss Europa standhaft bleiben. Im Interesse des Gemeinwohls muss die Demokratie in Europa geschützt werden – gegen Angriffe und Desinformationen von außen im Vorfeld der Wahlen, einschließlich des Missbrauchs künstlicher Intelligenz. Zukünftig sollten neue Technologien demokratie- und grundrechtskompatibel reguliert werden. Das KI-Gesetz ist ein gutes Beispiel dafür. Die EU ist zu einem Vorreiter beim digitalen Schutz geworden, muss die digitale Transformation vorantreiben und digitale Teilhabe und Rechte für alle ermöglichen.  

Als Christ*innen kennen wir jene Einheit in Vielfalt, welche auch die Regierungen der EU-Staaten immer wieder mühsam einüben müssen. Wir nehmen wahr, dass die modernen Gesellschaften jene Werte, auf denen sie beruhen, immer weniger begründen können und stehen bereit, einen Dialog über gemeinsame europäische Werte und Identität zu führen. 

Als Gläubige möchten wir tatkräftig daran mitwirken, die vor uns liegenden Aufgaben zu bewältigen. Dies kommt nicht nur in einer christlichen Wahlentscheidung zum Ausdruck, sondern auch im alltäglichen kirchlichen Engagement. Wir setzen uns in den europäischen Gesellschaften dafür ein, das Gemeinwohl immer wieder in den Fokus politischen Handelns zu rücken. Wir wirken zentrifugalen Kräften und der sozialen Entfremdung entgegen, leben Subsidiarität und Solidarität und widerstehen einer Globalisierung der Gleichgültigkeit und Resignation. Für uns steht fest: Ein Wahlerfolg von Rechtsextremist*innen und anderen nationalistischen Populist*innen würde den Fortbestand Europas gefährden. Deshalb erinnern wir an das Ziel der Europäischen Union, das auch Papst Franziskus bei seinem Besuch in Lissabon aus dem dort 2007 geschlossenen Vertrag zitiert hat: „Ziel der Union ist es, den Frieden, ihre Werte und das Wohlergehen ihrer Völker zu fördern. In ihren Beziehungen zur übrigen Welt […] leistet [sie] einen Beitrag zu Frieden, Sicherheit, globaler nachhaltiger Entwicklung, Solidarität und gegenseitiger Achtung unter den Völkern, zu freiem und gerechtem Handel, zur Beseitigung der Armut und zum Schutz der Menschenrechte«“2

 

Matteo Bracciali, ITALY, Federazione delle ACLI Internazionali 
Josian Caproens, BELGIUM, Interdiocesan Pastoral Council (IPB) / European Forum of National Laity Committees (ELF)
Raphael de Araújo Bittner, GERMANY, Zentralkomitee der deutschen Katholiken
Dr Stefan Eschbach, GERMANY, Zentralkomitee der deutschen Katholiken
Dr Fr Roman Fihas, UKRAINE, Institute of Ecumenical Studies, Lviv
Isabelle de Gaulmyn, FRANCE, Semaines Sociales de France
Claudia Gawrich, GERMANY, Zentralkomitee der deutschen Katholiken
Janko Korošec, SLOVENIA, Socialna akademija
Norbert Kreuzkamp, GERMANY, Acli Deutschland
Mary McHugh, UNITED KINGDOM, National Board of Catholic Women of England and Wales
Petr Mucha, CZECH REPUBLIC, Czech Christian Academy
Théo Péporté, LUXEMBOURG, Journées sociales de Luxembourg ASBL
Neven Šimac, CROATIA, Centre d'etudes et de documentation européennes R. Schuman
Sabine Slawik, GERMANY, ANDANTE. European Alliance of Catholic Women Associations
Marie Louise van Wijk-van de Ven, NETHERLANDS, Network of Catholic Women in the Netherlands
Henryk Woźniakowski, POLAND, Znak Christian Culture Foundation 

 

Die Initiative Christen für Europa (IXE) ist ein Zusammenschluss von Laienorganisationen und engagierten Christen aus verschiedenen europäischen Ländern. Allgemeines Anliegen von IXE ist es, ein lebendigeres Bewusstsein für ein vereintes Europa in die nationalen Debatten einzubringen. Ziel der Initiative ist es, die Begegnung von Christen in Europa zu fördern und die Soziallehre der Kirche voranzubringen, um ein besseres gegenseitiges Kennenlernen und Verständnis der historischen und kulturellen Unterschiede zu erreichen. Mehr Informationen finden Sie unter https://christiansforeurope.com/. 

 

Erklärung: Europa vor der Wahl: Für Demokratie und Menschenwürde stimmen

Diesen Artikel teilen: