Gesprächskreis „Juden und Christen“ beim ZdK gedenkt der Opfer des Terrors vom 7. Oktober

„Im Gespräch verbunden – wenn nicht jetzt, wann dann?!“

„Im Gespräch verbunden – wenn nicht jetzt, wann dann?!“ Unter diesem Titel widmete sich der Gesprächskreis „Juden und Christen“ beim Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) heute im Frankfurter Haus am Dom dem Gedenken an den 7. Oktober. Der brutale Angriff der Hamas auf Israel, mehr als 1200 Tote an jenem Tag und noch immer viele Geiseln in der Gewalt der Terrororganisation führen zur drängenden Frage: Was ist jetzt Aufgabe des jüdisch-christlichen Dialogs?

Der Gesprächskreis, 1971 vom Präsidium des ZdK gegründet, „ist nach wie vor weltweit das einzige Gremium, in dem Juden und Christen, Jüdinnen und Christinnen so kontinuierlich über theologische und gesellschaftliche Fragen im Gespräch sind“, sagte Dagmar Mensink. Gemeinsam mit Rabbiner Prof. Andreas Nachama leitet sie den Gesprächskreis seit 2016. Zuvor hatte ihn Prof. Hanspeter Heinz, der ebenfalls nach Frankfurt gekommen war, über 42 Jahre geführt.

Der Nachmittag begann mit einer jüdisch-christlichen Gedenkfeier für die Opfer des Terrors gegen Israel am 7. Oktober. In seiner Begrüßung ging Rabbiner Andreas Nachama gleich zu Beginn auf die aktuelle Situation ein: „Der unverhohlene Ausbruch von Judenhass und Israelfeindlichkeit nach dem 7. Oktober ist in höchstem Maße erschreckend und bedrückend. Die gegenwärtige Situation ist auch eine Bewährungsprobe für die katholisch-jüdische Weggemeinschaft.“ Dagmar Mensink ergänzte: „Christen und Christinnen, Bischöfe und Pfarrer müssen jetzt dem Judenhass in all seinen Formen entschieden entgegentreten und klare Zeichen der Solidarität mit Israel und mit Juden und Jüdinnen in Deutschland setzen.“

Der Gesprächskreis habe immer davon gelebt, die Weggemeinschaft von Juden und Christen, die das Zweite Vatikanische Konzil eröffnet habe, mit Leben zu füllen und die alte christliche Lehre der Verachtung endgültig zu überwinden. „Diese Aufgabe besteht bis heute“, so Mensink. „Wir müssen weiter Aufklärung leisten, um den Vorurteilen, denen Jüdinnen und Juden auch in Deutschland ausgesetzt sind, etwas entgegenzusetzen. Bis heute kennen leider nur wenige Christen und Christinnen jüdische Auslegungen der Bibel und die reiche jüdische Tradition. Auch Predigten und christliche Religionsbücher sind noch immer nicht frei von antijüdischen Vorurteilen.“

Für die Hessische Landesregierung unterstrich Staatssekretär Uwe Becker die Bedeutung des jüdisch-christlichen Gesprächs für die Gegenwart. Becker ist zugleich Beauftragter für das Jüdische Leben und Antisemitismusfragen in Hessen. Der Vizepräsident des Zentralrats der Juden, Abraham Lehrer, verwies auf die Verpflichtung der Kirche, in der gegenwärtigen Situation ganz klar an der Seite von Juden und Jüdinnen zu stehen. Bischof Ulrich Neymeyr, der die Unterkommission für die religiösen Beziehungen zum Judentum der Deutschen Bischofskonferenz leitet, und die Präsidentin des Zentralkomitees, Irme Stetter-Karp, hoben ebenfalls die Bedeutung der christlich-jüdischen Freundschaft in dieser schwierigen Situation hervor.

Die Religionswissenschaftlerin Prof. Susanne Talabardon erläuterte in ihrem Beitrag, „zu den prägenden Konstanten der in sich vielfältigen jüdischen Tradition“ gehörten „die Tora, das Land Israel und das Volk Israel. Man kann die Entwicklung weiter Teile der jüdischen Strömungen geradezu als eine Beziehungsgeschichte dieser drei Größen erzählen. Dabei finden sich bereits in der Bibel zwei miteinander konkurrierende Konzepte, die sich bis in die Gegenwart verfolgen lassen.“ Das eine Konzept skizziere „die Heiligkeit des Heiligen Landes als exemplarisch, das andere beschreibt eine Art generische Heiligkeit Israels. Beide Entwürfe erfordern von seinen Bewohnern besondere Fürsorge und Aufmerksamkeit“.

Drs. Edward van Voolen, Landesrabbiner der Liberalen Jüdischen Gemeinde in der Hansestadt Hamburg, berichtete über die Seelsorge in jüdischen Gemeinden in Deutschland nach dem 7. Oktober: „Das größte Massaker an Jüdinnen und Juden seit der Shoa und die weltweite Welle von Hass und Gewalt danach haben nicht nur Israel, sondern auch die jüdische Gemeinschaft in Deutschland in Fassungslosigkeit, Trauer und Wut versetzt.“ Als Gemeinderabbiner suche er „nach liturgischen Texten und Worten, die meine, unsere Gefühle zum Ausdruck bringen, in neuen Gebeten und Predigten, die mit der Situation ringen.“ Gerade jetzt sei Haltung wichtig: „Als Jude bin ich, sind wir verpflichtet, uns für Frieden, Hebräisch Schalom, Arabisch Salam, einzusetzen, aber auch für Gerechtigkeit, Tzedaka, Sadaka, und barmherzige Liebe Rachamim, Rachmah – drei Kernkonzepte in den drei Abrahamitischen Religionen. Wie verzweifelt uns die heutige Situation auch macht, setzen wir uns weiterhin für den Dialog ein und für ein Gespräch mit Musliminnen und Muslimen.“ Nach den Worten des Propheten Jesaja sei nun zu handeln: „Nation soll nicht gegen Nation das Schwert erheben, den Krieg werden sie nicht mehr lernen“ (Jesaja 2,4).“

Dr. Uri Kaufmann, Prof. Josef Wohlmuth und Prof. Hanspeter Heinz erinnerten an die Anfänge des Gesprächskreises. „Mit der Entscheidung für den Gesprächskreis haben die Mitglieder die Last der Geschichte angenommen. Unser Weg aufeinander zu war immer auch ein Weg miteinander für die Versöhnung in unserer Welt“, so Hanspeter Heinz. Esti Rubins von der Jüdischen Studierendenunion beschrieb die Erwartungen an den Dialog seitens der jungen Generation. Der Landeskirchliche Beauftragte für den christlich-jüdischen Dialog in Bayern, Dr. Axel Töllner, der für die Evangelische Kirche in Deutschland sprach, unterstrich die Bedeutung der ökumenischen Zusammenarbeit im jüdisch-christlichen Dialog.  Der Nachmittag wurde musikalisch begleitet vom „Jerusalem Duo“, Hila Ofek und Andre Tsirlin.

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