Dauerkrise, Isolation, Zukunftssorgen: Kinder, Jugend und junge Erwachsene in der Pandemie

Beschluss des Vollversammlung des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK)

Während der Covid-19-Pandemie haben sich die Lebensumstände unabhängig von Alter und Lebenszusammenhängen massiv verändert. Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene waren und sind davon in besonderem Maße betroffen. Junge Menschen haben sich in der Pandemie sehr verantwortungsvoll verhalten, die Maßnahmen zum Schutz besonders gefährdeter Gruppen mitgetragen und sich in Jugendverbänden und Jugendorganisationen sehr engagiert für Formate für Kinder und Jugendliche eingesetzt sowie gesellschaftliche Projekte ins Leben gerufen. Obwohl sie diesen Einsatz zeigen, haben sich die Strukturen und Bedingungen zur Bewältigung des Alltags und zur Gestaltung von Bildung, Freizeit und Familienleben binnen kürzester Zeit aufgehoben oder radikal verändert. Die existenziellen und wirtschaftlichen Sorgen der Eltern sowie der Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen selbst, die Veränderungen des Alltags und die Ängste vor der Krankheit selbst haben bei vielen Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen psychosoziale Folgen hinterlassen, die durch den Krieg gegen die Ukraine verstärkt werden.

Sie beeinträchtigen ihr Aufwachsen und ihre Entwicklung besonders nachteilig. Ihre Kontakt-, Handlungs-, Entscheidungsmöglichkeiten sowie Entwicklungschancen werden gravierend eingeschränkt.

Hinzu kommen die reduzierten und mangelnden Bildungschancen in den schulischen wie außerschulischen Bereichen sowie in Ausbildung und Studium. Übergänge von der Schule in Ausbildung, Studium und Berufsleben waren ebenfalls erschwert. Studien belegen, dass all diese Pandemiefolgen junge Menschen psychisch stark belastet haben. Gleichzeitig waren (psychische) Hilfsangebote nicht in ausreichender Zahl verfügbar bzw. zugänglich.

Alle diese Auswirkungen treffen Kinder, Jugendliche, junge Erwachsene und Familien in belasteten Situationen besonders deutlich. Die Arbeitsgemeinschaft der Obersten Landesjugend- und Familienbehörde (AGJF) und die Bundesarbeitsgemeinschaft Landesjugendämter halten zusätzlich in einem gemeinsamen Positionspapier fest: „Bestehende Ungleichheiten nahmen zu und verringerte Teilhabe- und Chancengerechtigkeit zeigten sich noch deutlicher. Besonders herausfordernd war die Situation für jene junge Menschen, die in belasteten Verhältnissen aufwachsen.“

Trotz weitgehender Lockerungen der pandemiebedingten Einschränkungen und dem Versuch in Bildungseinrichtungen Normalität herzustellen, ist die Pandemie noch nicht überstanden. Wie weitreichend sich für unsere gesamte Gesellschaft die Belastungen und Einschränkungen nachhaltig auswirken werden, wird erst zu einem späteren Zeitpunkt umfassend erkennbar werden. Wie junge Menschen selber auf ihre Situation schauen, fasst der Erziehungswissenschaftler Klaus Hurrelmann wie folgt zusammen: „Kinder und Jugendliche in der Pandemie haben das Gefühl, sie hätten keine Kontrolle mehr über sich selbst. Auch keine Möglichkeit, ihr eigenes Leben zu steuern und zu planen und fallen deswegen in ein psychisches Loch, wo sie Unterstützung und Hilfe brauchen.“ Diese und andere Emotionen werden nicht vergehen ohne Spuren zu hinterlassen. So blicken viele junge Menschen mit Sorge in die Zukunft.

In die als fragil zu bezeichnende Krisensituation nach zwei Jahren Pandemie bricht nun der Krieg in der Ukraine hinein. Weitere Verunsicherungen und Existenzängste, allen voran die Klimakrise, beeinträchtigen das Leben aller.

Neben allen Maßnahmen zur Überwindung der Pandemie und zum Erreichen des Friedens in Europa, muss ein besonderes Augenmerk auf die Stärkung und Unterstützung von Kindern, Jugendlichen, jungen Erwachsenen und Familien gelegt werden.

Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) blickt mit Sorge auf die beeinträchtigten und reduzierten Bildungs- und Entwicklungschancen junger Menschen und fordert die Verantwortlichen in Politik und Kirche daher auf:

  • Die Auswirkungen der Pandemie im Blick zu behalten und weitere, auch geschlechtsspezifische, Maßnahmen zu ergreifen, um die Folgen abzufedern.
  • Angebote der außerschulischen Bildung und Entwicklung wie die frühkindliche Bildung und Betreuung, Angebote der Jugend(verbands)arbeit, Angebote der freien Jugend(sozial)arbeit müssen als systemrelevant anerkannt werden. Ihre Ausstattung und unterstützende Maßnahmen müssen bedarfsgerecht ausgebaut und krisenfest gestaltet werden. Jungen Menschen müssen, unabhängig von ihrer Herkunft, niedrigschwellige, gendergerechte (Gesprächs- und Hilfs-)Angebote zur Verfügung stehen, die sie in (psychischen) Notsituationen ohne Hemmschwellen in Anspruch nehmen können. Die Ausstattung aller Felder der Kinder- und Jugendhilfe muss in Kirche und Gesellschaft verlässlich finanziert werden. Der Digitalpakt Schule muss zügig und konsequent umgesetzt und um einen Digitalpakt für den außerschulischen Bildungsbereich ergänzt werden.
  • Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene müssen an allen Entscheidungen, die sie betreffen als Expert*innen ihrer Lebenswelt beteiligt werden. Nach dem entstandenen Kontrollverlust durch die gravierenden Einschränkungen ist die Förderung von Partizipation von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen an politischen, gesellschaftlichen und kirchlichen Prozessen vorrangig. Die bereits vom Zentralkomitee der deutschen Katholiken geforderte Absenkung des Wahlalters auf mindestens 16 Jahren ist dabei ein wichtiger Schritt. Alle Familien haben besondere Belastungen zu tragen. Einige sind durch ihre individuelle Situation besonders betroffen. Ihre Unterstützung muss als dringend notwendige gesamtgesellschaftliche Aufgabe wahrgenommen werden. Daher müssen die Angebote der Kinder-, Jugend- und Familientherapie ausgebaut, die aufsuchende Sozialarbeit für Familien verstärkt und Angebote der Familienerholung erweitert werden. Auch die Pfarrgemeinden und (Erz-) Bistümer müssen ihre Angebote an diesen Bedürfnissen ausrichten.
  • Junge Menschen müssen unterstützt werden, Zukunftsperspektiven zu entwickeln. Dazu brauchen sie vor allem in den Phasen der Übergänge von der Schule in Ausbildung, Studium oder Beruf Unterstützung; z.B. durch Angebote der Berufsorientierung und Praktika sowie Möglichkeiten, eigene Interessen und Begabungen zu entdecken.
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