Frauen in kirchlichen Ämtern

Theologische Einordnung von Prof. Dr. Dorothea Sattler im Rahmen der Vollversammlung des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) - es gilt das gesprochene Wort

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Mitglieder der Vollversammlung, geschätzte Zuhörende – später – bald schon Mitsprechende – und dies gewiss nicht erst heute zum ersten Mal über diese Thematik Sprechende, ja, mit diesem Gedanken möchte ich beginnen: Wahrlich nicht erst seit heute sprechen viele von uns immer wieder in unterschiedlichen Kontexten über die Thematik „Frauen in kirchlichen Ämtern“. Nein, wir sind es nicht leid – wir tun es sehr gerne – und immer wieder, und in jüngerer Zeit immer häufiger, weil es bei dieser Thematik um das österlich formierte Evangelium Gottes in Jesus Christus geht. Es geht um nichts weniger als dies: Es geht darum, die Herausforderung aufzunehmen, in der Nachfolge Jesu Christi alles dafür zu tun, dass möglichst viele Menschen in irdischer Zeit Hoffnung gewinnen in ihrem endlichen, in unserem immerzu vom sicheren Tod bedrohten Leben – eine Hoffnung gewinnen, die begründet ist in dem Zeugnis für den auferstandenen Jesus Christus. Wenn Frauen – und davon erzählen die biblischen Schriften – wenn Frauen von Gott dazu berufen worden sind, in Jerusalem nahe bei dem sterbenden Jesus zu bleiben, ihn nicht zu verlassen, zu wachen bei ihm, ihn sterben sehen, den Leichnam salben möchten, das Grab aufsuchen – und dann dem auferstandenen Christus Jesus begegnen und von ihm selbst gesandt werden, ihn zu bezeugen – wenn all das stimmt, was in den biblischen Schriften als Osterbotschaft erzählt ist – warum sollte es Frauen dann verboten sein, in der eucharistischen Feier öffentlich in der Wortverkündigung und in der Zeichenhandlung im Mahl Zeugnis für Jesus Christus zu geben?

Ich möchte an dieser Stelle allen danken, die sich in den letzten Jahrzehnten um eine theologische, eine argumentative Besprechung der Thematik „Frauen in kirchlichen Ämtern“ bemüht haben. Es sind nicht wenige - Einzelpersönlichkeiten, Verbände, Gemeinden. Herzlich danken möchte ich in diesem Raum hier auch besonders den Geschwistern in den Kirchen reformatorischer Tradition, die sich sehr mutig mit den eigenen theologischen Bedenken gegen eine Teilhabe von Frauen am ordinierten Amt auseinandergesetzt haben.

Ökumenische Zugänge zu unserer Thematik legen offen, dass es seit dem 18. Jahrhundert vor allem einzelne missionarische Strömungen waren, die sich dankbar zeigten für die Charismen der Frauen bei der Verkündigung des Evangeliums. In den deutschen evangelischen Landeskirchen hat die Praxis der Ordination von Frauen noch eine sehr junge Geschichte. Martin Luther war aus geschlechteranthropologischen Gründen gegen die öffentliche religiöse Rede von Frauen – vermeintlich auf Paulus konnte er sich dabei berufen: die Frau schweige in der Gemeinde, so las Martin Luther in der Bibel - und er stimmte zu. Nach dem 2. Weltkrieg fehlten die Männer auf vielen Pfarrstellen. Man mag unterschiedlich urteilen über neue Handlungsformen, die aus dem Mangel, aus der Not am Mann, begründet werden. Es war so - aber könnte es nicht sein, dass die wache Aufmerksamkeit auf Phänomene der Gegenwart auch prophetischen Charakter haben? Viele – nicht alle – evangelischen Kirchen weltweit haben sich inzwischen kritisch mit der Position von Martin Luther befasst und sind mit Luther über Luther hinaus gegangen: Das oberste Gebot Gottes ist die Verkündigung des Evangeliums – wer es vermag, der und die tue es. Nun könnte ich viel über die ökumenische Bedeutung unserer Thematik erzählen – ich denke, das trauen Sie mir zu – allein: es fehlt uns die Zeit. Wichtig ist mir an dieser Stelle jedoch festzuhalten, dass aus meiner Sicht bei der Suche nach der anzustrebenden sichtbaren Einheit der Kirchen die Frage nach der Partizipation von Frauen am ordinierten Dienstamt nicht ausgeblendet werden kann. Ohne eine Verständigung in dieser Thematik werden wir das von allen Kirchen in der „Charta Oecumenica“ erklärte Ziel der Ökumenischen Bewegung, nämlich sichtbare Einheit – und dies bedeutet: Einheit auch in Gestalt der Eucharistie- und Abendmahlsgemeinschaft - nicht erreichen können. Ich wünsche mir im Kontext des 3. Ökumenischen Kirchentags eine thematische Schwerpunktsetzung im Blick auf die Geschichte und Gegenwart von Frauen in den Kirchen.

Mit meiner gerade geschehenen Aufnahme des ökumenischen Kontextes der Thematik „Frauen in kirchlichen Ämtern“ habe ich an die erste der „Osnabrücker Thesen“ erinnert, deren Erarbeitung und Veröffentlichung am Ende des Jahres 2017 eine unerwartet hohe Aufmerksamkeit bewirkte. Viele hier im Raum haben dazu einen Beitrag geleistet. Zustimmung fand und findet in diesem ökumenischen Prozess vor allem die These, dass der Ausschluss von Frauen aus kirchlichen Ämtern der theologischen Begründung bedarf, nicht die Teilhabe von Frauen. Weithin unstrittig ist auch die Annahme, dass sich durch die Partizipation von Frauen an den ordinierten Dienstämtern nicht nur das äußerliche Erscheinungsbild der Kirchen ändert, vielmehr auch die internen Kommunikationsformen und die Rollenverteilungen. Es ist ja nun einmal so: Der kategorische Ausschluss von Frauen aus sakramentalen Dienstämtern in der römisch-katholischen Kirche bedeutet, dass Frauen bei allen Beratungen mit letztverbindlicher Entscheidungsfindung ausgeschlossen sind. Bei keinem der ökumenisch anerkannten universalen Konzilien in zwei Jahrtausenden der Christenheit hatte bisher eine Frau Rede- oder gar Stimmrecht.

Was sind die Gründe, die das römisch-katholische Lehramt bis heute dazu bewegt, an der Lehre, dass Frauen nicht am sakramentalen Amt teilhaben können, festzuhalten? Die beiden auf diese Thema bezogenen lehramtlichen Dokumente – zum einen das Schreiben der Glaubenskongregation „Inter Insigniores“ aus dem Jahr 1976, zum anderen die Enzyklika „Ordinatio Sacerdotalis“ von Johannes Paul II. aus dem Jahr 1994 – diese beiden Dokumente stellen zunächst eines klar: Auf der Ebene der Schöpfungsordnung und auch der Erlösungsordnung hat die Frau den gleichen Rang wie der Mann: in Christus Jesus gibt es weder Mann noch Frau, weder Sklaven noch Freie, weder Juden noch Heiden – so sagt Paulus nach  Gal 3,28. Es gebührt der Frau dieselbe Würde, dieselbe Wertschätzung wie dem Mann. Die in der mittelalterlichen und sogar noch in der neuzeitlichen Tradition zu findende Unterordnung der Frau unter den Mann aufgrund von anthropologisch begründeten Defiziten – all dies findet sich in den lehramtlichen Schreiben nicht. Ganz im Gegenteil – ein Lob der hoch zu achtenden Eigenschaften von Frauen und von deren Diensten jenseits ihrer Berufung in ein sakramentales Amt erklingt - und fern sei es mir, gegen dieses Frauenlob Einwände zu erheben.

Da es nicht geschlechteranthropologisch begründete Argumente sind, die die lehramtlichen Schreiben dazu führen, Frauen vom sakramentalen Dienstamt auszuschließen, stellt sich die Frage, welche sonst es sind. Aus meiner Sicht lassen sich dabei drei Begründungsstrategien unterscheiden:

Erstens: Es ist der erklärte Wille Gottes, dass nur Männer der Feier der Eucharistie vorstehen. Es handelt sich um eine göttliche Ordnung – ein „ius divinum“. Jesus wusste davon und hat daher zwölf Männer an seinem letzten Mahl teilhaben lassen und diesen Männern den Auftrag gegeben, zu seinem Gedächtnis das eucharistische Mahl zu feiern. Zweitens: Die kirchliche Tradition hat diese Weisung Gottes immerzu im Gedächtnis bewahrt und niemals anders gehandelt. Drittens: Auf der Ebene der zeichenhaften Symbolik ist die Weisung Gottes stimmig: Der in der weiblichen Metaphorik vorgestellten Kirche als Braut Jesu Christi wird der Bräutigam in Gestalt eines Mannes als Repräsentant Jesu Christi gegenübergestellt. Gott ist – so ist verstärkt in jüngeren Äußerungen zur Thematik zu lesen – Gott ist ganz bewusst als ein Mann Mensch geworden. Nicht zeitgeschichtlich bedingte Vorzüge bei einer solchen Entscheidung haben ihn dazu bewogen, sondern tiefere Einsichten in die zeitlose Unterscheidung des Wesens des Mannes vom Wesen der Frau – wie gesagt: nicht auf der Ebene der Differenzierung in Achtung, Wertschätzung und Würde zwischen den Geschlechtern gedacht, wohl aber im Hinblick auf das öffentliche Handeln des Menschen im Sinne der Präsentsetzung Gottes in Zeit und Geschichte.

Was lässt sich aus akademisch – theologischer Sicht zu diesen in den lehramtlichen Schreiben vorgetragenen Positionen sagen? Vor allem in der europäischen und der nordamerikanischen Theologie werden wir nicht müde zu betonen, dass die in den lehramtlichen Schreiben vorgetragene Argumentation nicht den Stand der Differenzierung erreicht hat, den die theologische Wissenschaft heute als Mindestmaß erwartet. Es schadet somit aus Sicht vieler Theologinnen und Theologen dem Ansehen des Lehramts, wenn diese Positionen ohne Bereitschaft zu einer Überprüfung weiterhin vorgetragen werden. Ich kann hier nur andeuten, was nach meiner Kenntnis die weithin einmütig in der Theologie vorgetragene Argumentation ist:

Thema „Zwölferkreis beim Abendmahl“: Wer das gesamte Neue Testament liest, wird feststellen, dass nur Lukas in seinem Evangelium und in der Apostelgeschichte den Kreis der Zwölf mit den Aposteln identifiziert. Lange Zeit vor Lukas war Paulus der Überzeugung, sich selbst zu den Aposteln zählen zu dürfen – wenn auch der geringste unter ihnen – dennoch ein Apostel, weil er dem auferstandenen Herrn begegnet ist und ihn in seinem Leben und in seinem Sterben bezeugt. Die Begegnung mit dem Auferstandenen und die sich daraus ergebende Sendung zur Verkündigung - das begründet das Apostolat. Daher wird Maria von Magdala bis heute als „apostola apostolorum“ verehrt – als die Frau, die von Jesus Christus selbst als Zeugin für ihn zu den Aposteln gesandt wird. Die theologische Idee des Lukas, von zwölf Aposteln zu erzählen, steht im Kontext des Anliegens, die Sendung Jesu, Israel zur Umkehr zu bewegen, zu betonen. Das erwählte Volk mit seinen zwölf Stämmen bleibt auch angesichts von Ostern von hoher Bedeutung für die christliche Existenz. Lukas schreibt sein Evangelium und die Apostelgeschichte ca. 50 Jahre nach dem Tod Jesu. Jerusalem ist durch die Römer im Jahr 70 zerstört worden. Lukas erinnert an die bleibende Bedeutung von Israel – zwölf Stammväter daher. Lukas konnte keine Frau in den Zwölferkreis berufen.

Im Blick auf die ununterbrochene Tradition des Ausschlusses von Frauen aus der sakramentalen Ordination ist zum einen auf die unsichere Quellenlage in den ersten Jahrhunderten zu verweisen. Wir wissen wenig Gesichertes über die ersten Versammlungen wohl zumeist am Abend nach dem Tageswerk, über die Tischgemeinschaften in den Häusern, über die Leitung dieser Begegnungen. Es waren Zeiten der Verfolgung damals – kleine Gruppen, die unter tiefen Anfechtungen dennoch sich zu Jesus Christus bekannten. Einzelne Namen sind überliefert – darunter auch Frauen – Junia, Phöbe, Lydia. Wir erinnern heute an sie. Zweifellos hat bei der Feier der Eucharistie die Leitung durch einen Mann sehr bald schon dominiert. Anders war es bei der Taufe – es gibt viele Zeugnisse, die die amtliche Rolle der Frau wohl auch aus Gründen der Schicklichkeit bei der Taufe von erwachsenen Frauen belegen – im Osten im gesamten ersten Jahrtausend. Kanones von Konzilien gibt es dazu; auch liturgische Ordnungen von Amtsübertragungen liegen vor. Dies ist der Hintergrund, warum über die Teilhabe von Frauen am Diakonat gesondert von der Frage nach der Teilhabe an der Leitung der Eucharistie nachzudenken ist.

Eine entscheidende Frage in unserer Thematik ist: Welche lehramtliche Verbindlichkeit können die bereits vorliegenden Dokumente beanspruchen? Wer hat die Autorität, diese Frage zu beantworten? Wer entscheidet über die Kompetenzkompetenz – und mit welchen Methoden? Wer darf mitsprechen?  Ich bin mit vielen meiner Kolleginnen und Kollegen in der Theologie der begründeten Überzeugung, dass bisher noch keine letztverbindliche Lehre vorgetragen wurde. Auch eine päpstliche Enzyklika unterliegt der kritischen Prüfung durch die normative biblisch begründete Autorität – eine spontane Äußerung eines Bischofs von Rom ohnehin.

Gestern war in den Medien zu lesen, dass Papst Franziskus sich ernüchtert und enttäuscht darüber zeigte, dass die von ihm einberufene Kommission zur Prüfung des historischen Befundes sich im Hinblick auf die theologische Qualifizierung des Diakonats von Frauen nicht einigen konnte. Mich wundert dies nicht. Bei jedem theologischen Urteil sind Vorentscheidungen wirksam. Das gilt gewiss auch für meine Rede heute. Eine ex – cathedra – Entscheidung des Bischofs von Rom liegt nicht vor – noch nicht. Der Papst möchte sich daran halten, was Jesus Christus selbst wünschte. Jedoch – hatte Jesus eine konkrete Vorstellung von der institutionellen Gestalt seiner Nachfolge? Hatte Jesus nicht gerade am Abend vor seinem Leiden am Kreuz andere Gedanken und Empfindungen als darüber nachzudenken? Wissen und Selbstbewusstsein Jesu – diese Thematik gilt lange schon als eine der schwierigsten in der christlichen Theologie.  

Auch die Berufung auf das einmütige Zeugnis aller Bischöfe weltweit in unserer Frage wird zunehmend schwieriger. Es gibt inzwischen Bischöfe, die sich zumindest dafür offen zeigen, über Argumente nachzudenken. Gleichwohl gibt es nicht wenige Versuche, die Diskussion beenden zu wollen. Andere Themen erscheinen manchen wichtiger. Im weltkirchlichen Kontext werden die Gewichte anders gesetzt und die Rollenbilder von Frau und Mann sind im kulturellen Vergleich sehr unterschiedlich. All dies stimmt – aber ist es nicht doch heute an der Zeit, in aller Nüchternheit die theologischen Fragen erneut aufzunehmen? Ich meine: Ja, so ist es. Wir sollten es tun in Verbindung mit einer grundlegenden Reflexion auf die vielfältigen Dienste und Ämter von Frauen und Männern in den Kirchen bei der Verkündigung des Evangeliums.

Welche Bedeutung haben die vorgetragenen Überlegungen für uns und diese Versammlung hier? Die Vollversammlung des ZdK hat im November 2018 den Beschluss gefasst, sich für die Öffnung aller sakramentalen Ämter auch für Frauen einzusetzen. Für die Zukunft – für den anstehenden synodalen Weg – erscheinen mir folgende Haltungen wichtig: (1) die Thematik als gemeinsames Anliegen aller Männer und Frauen in den Kirchen zu verstehen und zu jeder Zeit auskunftsfähig werden zu wollen; (2) die Bereitschaft, sich auf der Basis theologischer Argumentationen in die Kontroversen erneut hinein zu begeben; (3) Denkverbote und Sanktionsandrohungen dabei zu unterlassen; (4) auch im Streit einander mit Wertschätzung zu begegnen; (5) den weltweiten Kontext nicht aus dem Blick zu verlieren; (6) zu unterscheiden zwischen dem Grund unserer österlichen Hoffnung auf Gottes Handeln auf der einen Seite und der von Menschen zu verantwortenden, immer auch sündigen Gestalt der Kirche auf der anderen Seite.

Was stimmt mich hoffnungsfroh – eine kleine Begebenheit in den nächsten Tagen möchte ich ansprechen: Ich darf – ich werde – am kommenden Mittwoch vor der Gnadenkapelle meines Wohnorts, dem Wallfahrtsort Telgte in der Öffentlichkeit mit dem Propst der Gemeinde über das Thema „Frauen in kirchlichen Ämtern“ sprechen. Soweit sind wir immerhin bereits gekommen: Wir werden in der Sache vermutlich nicht einig werden. Wir möchten einander jedoch mit Respekt und im Wissen um den tiefen, spirituellen Ernst des Anliegens begegnen. Das wünsche ich mir auch für unsere Versammlung hier und für den synodalen Weg insgesamt.

Prof. Dr. Dorothea Sattler

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