Menschenwürde achten – Vertrauen stärken – Europa gestalten – Polnische und deutsche Laiinnen und Laien übernehmen Verantwortung
Gemeinsame Erklärung des Klubs der Katholischen Intelligenz Warschau (KiK) und des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK)
Vor sechzig Jahren gingen die polnischen Bischöfe einen äußerst mutigen Schritt. In ihrem Brief an die deutschen Amtsbrüder steht der Satz: „Wir vergeben und bitten um Vergebung.“ In der damaligen Situation – zwanzig Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs und angesichts der Verbrechen, die von Deutschen in Polen verübt wurden – entfaltete der Satz geradezu prophetische Kraft. Damit wurden Türen aufgestoßen für versöhnende Begegnungen von Christinnen und Christen – Laien wie Bischöfen – aus Polen und Deutschland.
Wir blicken dankbar zurück auf das große Engagement der vergangenen Jahrzehnte. Laienorganisationen, Pfarrei- und Jugendgruppen, Caritas-Organisationen und Studierende aus beiden Ländern haben in zahllosen Begegnungen ihr Nachbarland, seine historische Prägung und den Blick auf Kirche, Politik und Europa kennengelernt. Oft waren Polen und Deutsche gemeinsam an Leidensorten wie Auschwitz, um in Gebet und Tat Zeichen der Versöhnung zu setzen. Unsere Beziehungen leben von dem tragfähigen Dialog, dem großen Engagement und gegenseitiger Unterstützung.
Als katholische Christinnen und Christen aus beiden Ländern nehmen wir den Briefwechsel der polnischen und deutschen Bischöfe aus dem Jahr 1965 zum Anlass, unsere Verantwortung für die Beziehungen unserer Länder, für Europa und die heutige Welt, die von eskalierenden Krisen heimgesucht wird, neu zu erkennen und zu stärken.
Gemeinsam für Menschenwürde eintreten
Die polnische wie die deutsche Gesellschaft erleben tiefgreifende Wandlungsprozesse. Seit einigen Jahren beobachten wir in beiden Ländern starke politische wie gesellschaftliche Polarisierungen. Die parlamentarische Demokratie und die Rechtsstaatlichkeit stehen unter äußerem wie innerem Druck. Kern unseres gemeinsamen Glaubens und Handelns ist die in der Gottesebenbildlichkeit begründete Würde des Menschen. Als KiK und ZdK stehen wir daher für die unteilbaren Menschenrechte, für soziale Gerechtigkeit und eine klimagerechte Zukunft ein. Es gilt, die Demokratie zu schützen und den sozialen Zusammenhalt zu stärken. Der Mensch und seine Würde müssen immer im Mittelpunkt der Politik stehen!
Diese Würde ist heute weltweit in Gefahr. Grenzen werden geschlossen, auch Deutschland hat an der Grenze zu Polen Kontrollen eingeführt, um Menschen zurückzuweisen und Migration zu reduzieren. Die menschliche Würde ist in Gefahr, wenn „push backs“ durchgeführt oder schutzsuchende Familien unter haftähnlichen Bedingungen festgehalten werden. Als KiK und ZdK haben wir uns bereits gemeinsam für legale Wege der Migration und für ein solidarisches System auf europäischer Ebene, das Finanzierungs- wie Aufnahmefragen im Sinne geteilter Verantwortung regelt, ausgesprochen. Das gilt weiterhin!
Der völkerrechtswidrige Krieg Russlands hat bis heute 14.000 zivile Todesopfer gekostet und rund zehn Millionen Menschen haben ihre Heimat verloren. Der Krieg gegen die Ukraine ist eine Bedrohung auch für Polen und ganz Europa. Die psychologischen, sozialen und spirituellen Wunden der Menschen in der Ukraine und in Russland werden über Generationen hinweg nicht verheilen. Wir befürworten eine fortgesetzte Unterstützung der Ukraine in ihrem Verteidigungskampf zum gerechten und dauerhaften Frieden. Als Christinnen und Christen aus Polen und Deutschland sind wir solidarisch mit den Menschen und den Kirchen in der Ukraine und stehen bereit nach dem Krieg bei einem Neubeginn zu helfen.
Vertrauen stärken
Als KiK und ZdK beobachten wir seit einigen Jahren, dass die Spannungen und Herausforderungen in den Beziehungen unserer Länder zunehmen. Wir nehmen wahr, dass es schwerer geworden ist, einander zu verstehen und das Vertrauen schwächer wird. Wir erfahren, dass es noch tiefliegende Gefühle der Ungleichheit zwischen Polen und Deutschen gibt. Wir wollen zunächst die Perspektive des Verstehens einnehmen und voneinander lernen: Was trägt und was belastet die deutsch-polnischen Beziehungen heute?
Als Christinnen und Christen vertrauen wir darauf, in Gott geeint zu sein. Wir sind, wie die Schrift sagt und das Zweite Vatikanum erinnert, „lebendige Steine“ (1 Petr 2,5) in einem gemeinsamen Haus Gottes. In der Gewissheit, dass uns mehr eint als trennt, sind wir Teil des einen pilgernden Gottesvolkes. Aus dieser Hoffnung heraus wollen wir das Verbindende hervorheben und zu einer Gemeinschaft der Verantwortung werden, in der wir uns für gelingende deutsch-polnische Beziehungen einsetzen und Europa mitgestalten.
Ausblick
Die prophetische Kraft des bischöflichen Briefwechsels von 1965 ist für uns als Christinnen und Christen in Polen und Deutschland Auftrag und Rückenwind zugleich. Ein mutiges Wort kann genügen, um den Weg zur Veränderung freizumachen. Dieses Wort zu sprechen und daran zu arbeiten, dass Menschen in Würde und Gerechtigkeit leben, in Polen und Deutschland, in Europa und an allen Orten der Erde, das begreifen wir als unsere Verantwortung und unseren Auftrag.
Warschau und Berlin, 17. November 2025
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