Alles neu macht der Mai?

Rede der ZdK-Präsidentin im Rahmen der ZdK-Vollversammlung vom 22. bis 24. Mai 2025 in Paderborn - es gilt das gesprochene Wort

Alles neu macht der Mai?

Das kann man fragen angesichts der Tragweite politischer wie kirchlicher Ereignisse allein in den vergangenen drei Wochen. Friedrich Merz wurde zum Bundeskanzler gewählt; die neue Bundesregierung hat ihre Arbeit aufgenommen. Das Regierungsschiff fährt von Beginn an in schwerer See; Kanzler wie Minister*innen müssen angesichts von Sicherheitsbedrohungen, Zuwanderung, wachsender Kinder- und Jugendarmut oder Umgang mit der AfD nach dem Bericht des Verfassungsschutzes echte Stand- und Wetterfestigkeit beweisen. Europa hofft auf eine starke Regierung in Deutschland, die für Demokratie einsteht und sich konstruktiv an der Lösung der globalen Krisen beteiligt. Als ZdK stehen wir dafür, dass die Kirchen sich einmischen und Gesellschaft mitgestalten. Das gilt vor allem dann, wenn die Rechte und die Würde des Menschen tangiert sind. Dass das nicht immer leicht ist, haben wir zu Jahresbeginn erfahren. Jedoch fühlen wir uns aufgefordert, in entscheidenden Momenten unsere Haltung zum Ausdruck zu bringen und gleichzeitig den Dialog darüber anzubieten. Dazu ermutigt uns auch der neue Papst!

 

Alles neu macht Herr Merz? 

Eine neue Bundesregierung ist im Amt, ein neuer Bundeskanzler vereidigt und Friedrich Merz an der Spitze einer Koalition aus CDU, CSU und SPD. Für die zügige Regierungsbildung und den politischen Willen, trotz schwieriger Mehrheitsverhältnisse schnell handlungsfähig zu werden, zolle ich ihm persönlich Respekt. In Zeiten multipler Krisen ist das ein wichtiges Signal.

Wir stehen vor großen Herausforderungen. CDU, CSU und SPD haben ihren Koalitionsvertrag unter den Titel „Verantwortung für Deutschland“ gestellt. Diese zu übernehmen und in gute Politik zu übersetzen, ist das Versprechen, an dem sie gemessen werden. In dreifacher Hinsicht blicke ich auf die schwarz-roten Vorhaben:  

Erstens: Die Union ist mit der Ankündigung in den Wahlkampf gezogen, einen Politikwechsel vorzunehmen. Der Koalitionsvertrag kombiniert nun Kontinuität mit Neuerungen. Ein Politikwechsel findet in erster Linie in der Asylpolitik statt, die massiv verschärft werden soll. Die Aussetzung des Familiennachzugs steht beispielhaft dafür, dass wir gerade in diesem Politikfeld nicht schweigen dürfen. Die Familie ist ein hohes Gut und fördert nachhaltig die Integration der betroffenen Menschen. Wir setzen uns dafür ein, im Aufenthaltsgesetz einen Rechtsanspruch auf Geschwisternachzug zu verankern.

Zweitens: In der Gesamtschau nehme ich kein gemeinsames Narrativ wahr, hinter dem sich die Koalitionäre versammeln. Stattdessen sehe ich in vielen Bereichen den kleinsten gemeinsamen Nenner. Formelkompromisse ersetzen zu oft klare Linien. Finanzierungsvorbehalte versehen die Vorhaben mit Fragezeichen. Von Aufbruch und Zukunft ist wenig zu spüren: die großen Herausforderungen der Klimagerechtigkeit und der Generationengerechtigkeit scheinen nur mehr Randnotizen zu sein. 

Drittens: Ich begrüße ausdrücklich die Einrichtung eines Nationalen Sicherheitsrats und warne zugleich davor, einen zu engen Sicherheitsbegriff anzulegen. Die Bundesregierung trägt nicht nur Verantwortung für Deutschland. Die unfassbare Gewalt in der Ukraine und im Nahen Osten erfordert Haltung und Handeln. Nach dem Scheitern der Waffenruhe verbleiben Geiseln in den Händen der Hamas, während das israelische Militär seine Präsenz im Gazastreifen fortsetzt. Die neue Bundesregierung muss die Unterstützung für Israel, 60 Jahre nach der Aufnahme diplomatischer Beziehungen, deutlich machen, ohne das deutsche Eintreten für das Völkerrecht zu vergessen. Angesichts der unklaren US-Strategie muss sich die Ukraine auf Deutschland verlassen können. Die gemeinsame Reise von vier Staats- und Regierungschefs nach Kiew war ein starkes Bild, dem nun Taten – gerade auch mit Blick auf die EU-Beziehungen zu Vladimir Putin – folgen müssen.

Wir müssen die militärischen Bedrohungen von heute genauso im Blick haben, wie die globalen Krisen von morgen. Mich besorgt die massive Schieflage von Entwicklungszusammenarbeit und Verteidigung. Wie auch vom ZdK-Hauptausschuss gefordert, bleibt das BMZ erhalten – doch die Mittel schrumpfen unaufhaltsam weiter. Darüber hinaus steht das Lieferkettengesetz auf deutscher und EU-Ebene zur Disposition. Bis die europäische Richtlinie Wirkung entfaltet, sollen die Berichtspflichten entfallen und die Sanktionierung wird ausbleiben. Wer auf dem Rücken der Ärmsten spart, stellt unseren Wertekompass infrage. 

Anfang Mai stufte das Bundesamt für Verfassungsschutz die AfD als „gesichert rechtsextremistische“ Partei ein. Wir haben uns in der Vergangenheit, ebenso wie die Deutsche Bischofskonferenz, bereits unmissverständlich geäußert: Ein AfD-Engagement ist unvereinbar mit einem haupt- oder ehrenamtlichen Engagement in der Kirche. Ob aber ein Parteiverbot der richtige Weg ist, um rechtsextremes und menschenverachtendes Gedankengut zu bekämpfen, muss sehr genau abgewogen werden. Lassen Sie uns über Pro und Contra gemeinsam beraten!

Die Einladung von Bundeskanzler Merz, in seiner Delegation zur Amtseinführung von Papst Leo XIV zu reisen, hat mich persönlich gefreut. Die Gespräche haben gezeigt, dass wir weiterhin gut im Dialog sein werden und dass wir als kirchlicher Partner wertgeschätzt werden. Ich wünsche der neuen Bundesregierung und Bundeskanzler Merz viel Erfolg, gutes Gelingen und Kraft für die verantwortungsvolle Aufgabe. Wir als ZdK werden die politische Arbeit genau verfolgen, kritisch-konstruktiv begleiten und in den Dialog mit Parlament und Regierung gehen. Und wir laden die Bundesregierung schon jetzt zum Katholikentag 2026 in Würzburg herzlich ein! 

Als ZdK-Präsidium legen wir Ihnen heute einen Antrag vor, der den Anspruch auf politisches Mitgestalten unterstreicht und Forderungen an die neue Bundesregierung deutlich macht. Wir machen uns dafür stark, dass eine generationen- und geschlechtergerechte, inklusive und zukunftsfähige Gesellschaft Wirklichkeit wird. 

                                 

Neues aus Rom 

Für unsere Kirche hat der Mai ein neues Pontifikat gebracht, nachdem Papst Franziskus in Erfahrung der österlichen Gnade am Ostermontag zum Herrn gerufen wurde. Papst Franziskus hat die Türen zu Veränderungen weit aufgestoßen und die Synodalität neu belebt. Er hat die Welt bewegt, weil er Menschen bewegte – das war zutiefst während der Trauerfeier erfahrbar.

Die Kardinäle haben im Konklave bereits im vierten Wahlgang Kardinal Robert Francis Prevost OSA zum Papst gewählt. Als er als Papst Leo XIV. auf den Balkon trat, war sein erster Gruß für die Gläubigen und alle Menschen ein Gruß des Friedens. Wie wichtig ist es in diesen Zeiten, um einen Papst zu wissen, der sich mit seiner Namenswahl in die Tradition der katholischen Soziallehre stellt und mit seiner ersten Rede eine Kirche verspricht, die Brücken baut. Bei der Amtseinführung am vergangenen Sonntag, die ich im Kreise vieler Politiker*innen auf dem Petersplatz miterleben konnte, hat er überzeugend deutlich gemacht, dass er ein politischer Papst sein wird und dass er um die Konflikte in Politik und in seiner Kirche sehr gut weiß. Beten wir für ihn und unterstützen wir ihn nach Kräften bei seinem Weg zu einer synodalen Kirche.

Für uns war der Abend der Papstwahl auch der Vorabend der IV. Sitzung des Synodalen Ausschusses – Sie können vielleicht erahnen, wie bestärkend und wichtig es war, zu hören, dass sich Papst Leo hier ganz in eine Linie mit Papst Franziskus gestellt und dies direkt in seiner ersten Rede bekräftigt hat: Wir können eine synodale Kirche sein. 

So konnten wir als Synodaler Ausschuss in Magdeburg Papst Franziskus und seinem Wirken gedenken. Und wir sind bestärkt durch Papst Leo weitere wichtige Schritte hin zu einer synodaleren Kirche in Deutschland gegangen. Für das synodale Nachfolgegremium auf Bundesebene wurden erste Entscheidungen getroffen. Dabei ist dem Souverän vor allem die Arbeitsfähigkeit des Nachfolgegremiums ein wichtiges Gut. Bei der Entscheidungsfindung wurde intensiv und lebhaft debattiert – so wie wir es auch vom ZdK gewohnt sind - auf eine vertrauensvolle Art und Weise. Wir haben der Kommission I, die mit der Erarbeitung der Satzung beauftragt ist, nicht wenige Hausaufgaben mitgegeben. Aber auch klare Voten: im neuen Gremium sollen alle Mitglieder des Ständigen Rates und gleichviele vom ZdK gewählte ZdK-Mitglieder vertreten sein. Weitere Personen werden hinzugewählt - einen Vorschlag für die Art und Weise zu erarbeiten ist eine der Hausaufgaben der Kommission I.

Wir sind in Magdeburg also erste konkrete Schritte für das Synodale Gremium auf Bundesebene gegangen. Gleichzeitig konnten wir von ersten konkreten Schritten in vielen Bistümern hören: die Kommission II stellte den ersten Teil des Monitorings zu vier Handlungstexten des SW vor, ein spannender Einblick in synodale Umsetzungserfahrungen und -herausforderungen vor Ort. Dazu konnten wir auch zwei überarbeitete Handlungstexte verabschieden, die auf dem Synodalen Weg aus Zeitgründen nicht mehr beschlossen werden konnten: “Gewissensentscheidungen in Fragen der Empfängnisregelung respektieren” sowie “Maßnahmen gegen Missbrauch an Frauen in der Kirche”.

Das ZdK stellt sich neu auf 

Auch im ZdK macht der Mai - fast -  alles neu. Nicht nur wählen wir heute und morgen die dritte Säule im ZdK - die sogenannten Einzelpersönlichkeiten - , wir werden ebenso Leitlinien für die neue Amtsperiode setzen, indem wir die Sachbereiche neu einrichten und Themenzuschnitte festlegen. Hierzu an dieser Stelle nur so viel: sehr herzlich danke ich  allen Kandidatinnen und Kandidaten für ihre Bereitschaft. Ich möchte mich auch bei Ihnen allen bedanken, die Sie sich vorab Gedanken gemacht und Personen aus der Öffentlichkeit vorgeschlagen haben. Nicht zuletzt werden wir diese Vollversammlung nutzen, um gemeinsam weiter über Veränderungen im Statut und Geschäftsordnung zu beraten und zu entscheiden. Als Präsidium ist es uns ein Anliegen, Reformen nicht nur im synodalen Miteinander bei Bischöfen einzufordern, sondern auch auf uns zu schauen und das Statut und die Geschäftsordnung für die kommende Amtsperiode spürbar zu entschlacken und zu aktualisieren. 

Fazit

Sie merken: Der Mai bringt der Welt und uns viele Neuanfänge. Ein Neuanfang benötigt auch immer großes Engagement und viel Einsatz aller Beteiligten. Dabei darf gerade in der Politik nie aus den Augen verloren werden, das „Wohl der Stadt zu suchen”, wie der Prophet Jeremia uns mit auf den Weg gibt. Das heißt, die Würde aller Menschen, das Gemeinwohl und den Einsatz für Frieden weltweit immer an die erste Stelle zu setzen. Lassen Sie uns für diese Werte gemeinsam einstehen und an einer zukunftsfähigen Gesellschaft und Kirche mitbauen. Oder, um es mit dem Leitwort des nächsten Katholikentages zu sagen: Habt Mut, steht auf!

 

 

Rede „Alles neu macht der Mai?“ als Pdf

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