Unser Anspruch bleibt: „Menschenwürde, Zusammenhalt und Zukunftsfähigkeit“
Rede der ZdK-Präsidentin im Rahmen der Fortsetzung der ZdK-Vollversammlung vom 22. bis 24. Mai 2025 in Paderborn - es gilt das gesprochene Wort
Zur Lage im Nahen Osten
Seit dem Auftakt der Vollversammlung in Paderborn kam es mit dem zwölftägigen Krieg zwischen Iran, Israel und den USA zu weiteren Eskalationen im Nahen Osten. Humanität, Völkerrecht und Multilateralismus haben erneut versagt. Die regelbasierte Ordnung steht nicht nur unter Beschuss – sie ist kaum noch wahrzunehmen.
Es war der persönliche Druck von US-Präsident Donald Trump, der die Waffen ruhen ließ. Zu welchen Bedingungen und mit welchen Instrumenten, ist der Welt völlig unklar. Ebenso wenig wissen wir, wie groß der Misserfolg der israelischen und US-amerikanischen Militäreinsätze wirklich war: Dass nun die Zerstörung ballistischer Raketen, der Flugabwehr und der nuklearen Infrastruktur als Erfolg präsentiert wird, täuscht nicht darüber hinweg, dass das eigentliche Ziel nicht erreicht wurde. Denn klar ist – das sagen Geheimdienste und die Internationale Energieatombehörde – dass das Atomprogramm der Iraner nur zurückgeworfen wurde. Das menschenverachtende Regime in Teheran hat die Situation genutzt, um die Spielräume für Minderheiten und Zivilgesellschaft weiter zu verengen, hunderte Menschen zu verhaften und zehn Menschen hinzurichten.
Bei den Verhandlungen um das iranische Atomprogramm war Deutschland Mitgestalter auf dem internationalen Parkett. In den letzten Wochen war die Bundesregierung hingegen vor allem Zuschauerin. Ich wage zu bezweifeln, ob die Rede von „Drecksarbeit“ der Komplexität Rechnung trägt. Deshalb schlägt gerade jetzt die Stunde von kirchlichen Akteuren, mit differenzierten Positionen – auch zur eigenen Friedensethik – auf die vielen Schattierungen in Israels und Irans Gesellschaft, auf Bedrohungen und Versöhnungschancen hinzuweisen.
Bei der ZdK-Vollversammlung in Paderborn haben wir den Beschluss „Völkerrecht wahren – Menschlichkeit schützen“ gefasst. Im Juni konnten wir in Kooperation mit Pax Christi einen Round Table anbieten, bei dem ein Israeli, eine Palästinenserin, das Auswärtige Amt und kirchliche Organisationen ins Gespräch kamen. Im Fokus stand die verheerende, menschenunwürdige Lage im Gazastreifen. Von der eindrücklichen Bestandsaufnahme aus erster Hand wurde der Bogen zur deutschen Nahostpolitik geschlagen – und intensiv debattiert. In dieser Woche fand ein weiteres Hintergrundgespräch statt, bei dem Thomas Söding mit einer Vertreterin der Europäischen Kommission ins Gespräch kam und unsere Positionen vorstellte.
Diese sind klar: Alle Geiseln müssen freigelassen werden. Die Blockade von humanitären Hilfsleistungen ist aufzuheben. Das Völkerrecht darf nicht länger verletzt werden. Es braucht endlich einen dauerhaften Waffenstillstand. Jüdisches Leben müssen wir schützen, gerade hier in Deutschland. Palästinensisches Leben hat denselben Stellenwert. Auch dies müssen wir in aller Deutlichkeit in die öffentliche und politische Debatte einbringen.
Heute, am 11. Juli, jährt sich zum dreißigsten Mal der Beginn des Massakers von Srebrenica. Während des Bosnien-Krieges nahmen bosnisch-serbische Einheiten unter Führung des Militärchefs Ratko Mladić die Stadt ein. In den darauffolgenden Tagen töteten sie über 8.000 muslimische Bosnier – Männer und Jungen. Das geschah in der „UN-Schutzzone“, unter den Augen der UN-Soldaten, die keinen Schutz bieten konnten. Inzwischen haben die UN den 11. Juli zum internationalen Gedenktag erklärt; 2025 wird er zum ersten Mal begangen. Das Osteuropa-Hilfswerk Renovabis hält das für ein wichtiges Signal. „Doch Worte allein reichen nicht“ sagt sein Leiter Thomas Schwartz. „Es braucht politisches Handeln, moralische Klarheit und internationale Solidarität. Srebrenica darf nie wieder geschehen – und nie vergessen werden.“
Parlamentarisches Frühstück und ZdK-Lobbyarbeit
Gestern fand zum Beginn der neuen Legislatur und kurz vor der Sommerpause das erste parlamentarische Frühstück des ZdK in Berlin statt. Es war ein sehr gelungener, intensiver Austausch mit rund 20 Abgeordneten des Bundestags von CDU, SPD und den Grünen– getragen von gegenseitigem Respekt, Offenheit und dem gemeinsamen Willen, unsere Demokratie zu stärken. Wir konnten aktuelle Themen aus unserer Arbeit platzieren, wie zum Beispiel die VV-Beschlüsse zum Fachkräftemangel und zum Lieferkettengesetz. Zugleich haben wir auch spannende Einblicke in aktuelle Debatten bekommen und wichtige Impulse für die Weiterarbeit mitgenommen. Es war ein guter Auftakt, auf den sicherlich eine Intensivierung der Zusammenarbeit folgen wird.
Unsere im Januar verabschiedeten „Politischen Erwartungen im Bundestagswahljahr 2025“ die unter den drei Leitbegriffen „Menschenwürde, Zusammenhalt und Zukunftsfähigkeit“ stehen, waren dabei erneut eine bewährte Grundlage für den Dialog. „Menschenwürde, Zusammenhalt und Zukunftsfähigkeit“ sind für uns kein einmaliger Impuls, keine Schlagworte, sondern ein lebendiger Orientierungsrahmen und Dreiklang für unsere gemeinsame politische Arbeit. Er hilft uns, Position zu beziehen und unsere Anliegen gezielt einzubringen, er bestärkt uns, auch dann die Stimme zu erheben, wenn wir mit Kritik und Gegenwind zu rechnen haben. Wenn es etwa um Migration – aktuelles Stichwort Familiennachzug – den Kampf gegen Rechtsextremismus oder Klimapolitik geht, sind wir als Kirche und Zivilgesellschaft unbedingt gefordert, denn wir treten nicht nur für unsere Demokratie ein, sondern leben sie ganz konkret!
So können wir festhalten: Der Umzug des ZdK-Büros nach Berlin war eine gute Entscheidung und hat sich gelohnt. Wir sind sichtbarer, ansprechbarer, wirkungsvoller geworden. Unser Generalsekretär Marc Frings und das ganze Team leisten hier hervorragende Arbeit. Die Kontakte zu Politik, Medien und Partnerorganisationen haben sich deutlich intensiviert.
Mit Blick auf die neue Legislaturperiode wollen wir unsere gemeinsame katholische Lobbyarbeit noch intensivieren. Unser Anspruch bleibt: „Menschenwürde, Zusammenhalt und Zukunftsfähigkeit“. Wir wollen als katholische Stimme glaubwürdig, konstruktiv und hörbar sein – für eine gerechte, solidarische und zukunftsfähige Gesellschaft.
Rede „Unser Anspruch bleibt: „Menschenwürde, Zusammenhalt und Zukunftsfähigkeit““ als Pdf