“Ein zu kleiner Schritt zu einer gerechteren Globalisierung”
ZdK und Französische Sozialwochen sehen für Europa „halbherzige Fortschreibung nationaler Lieferkettengesetze“
Mit der Abstimmung im Europäischen Parlament hat das Lieferkettengesetz die letzte Hürde genommen. Im Plenum votierte heute eine Mehrheit für die sogenannte Sorgfaltspflichtenrichtlinie. „Es ist ein Lieferkettengesetz, das in vielerlei Hinsicht weit hinter dem zurückbleibt, wofür wir uns eingesetzt haben“, sagt Dr. Irme Stetter-Karp, Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK).
Das ZdK und die Semaines Sociales de France (SSF), eine soziale Initiative in Frankreich, die seit langem mit dem ZdK kooperiert, blicken mit gemischten Gefühlen auf den europäischen Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens. „Lieferketten sind nur dann krisenfest, wenn sie fair sind. Wir hätten uns deshalb gewünscht, dass das Gesetz mehr Unternehmen adressiert. Die nationalen Lieferkettengesetze, die es in Frankreich und Deutschland bereits gibt, werden damit nur halbherzig fortgeschrieben“, kritisiert die ZdK-Präsidentin.
„Katholische Stimmen aus Deutschland und Frankreich haben seit Jahren vehement für das EU-Lieferkettengesetz gekämpft. Wir sind froh darüber, dass dieser Schritt kurz vor der Europawahl gelungen ist, um Menschenrechte und Umwelt entlang von Wertschöpfungsketten besser zu schützen. Wir sind aber zugleich enttäuscht darüber, dass die Hebelwirkung, die dieses Gesetz haben könnte, nun nur teilweise abgerufen wird. Es hätte viel effektiver sein können in der Durchsetzung der Menschenrechte“, kommentiert Isabelle de Gaulmyn, Präsidentin der SSF.
Gemeinsam mit dem von beiden Partnern getragenen europäischen Netzwerk Initiative Christen für Europa (IXE) hatten SSF und ZdK im September 2023 in einer Erklärung gefordert, den Finanzsektor aufgrund seiner Schlüsselrolle bei der Finanzierung wirtschaftlicher Aktivitäten einzubeziehen. „Es ist eine vertane Chance, dass der Finanzsektor im Lieferkettengesetz außen vor bleibt. Damit wurde ein Instrument, um Finanzströme sozial-ökologisch umzuleiten, aus der Hand gegeben. Das Lieferkettengesetz leistet in dieser Hinsicht leider keinen Beitrag“, kritisiert de Gaulmyn.
Stetter-Karp würdigt die Haftungsregelungen, für die sich SSF und ZdK ausgesprochen hatten und die mit dem Gesetz nun geschaffen werden: „Betroffenen wird erstmals ein Zugang zu Gerichten in Europa eröffnet. Das ist der eigentliche Paradigmenwechsel, der trotz aller Verwässerung in diesem Frühjahr nicht angetastet wurde. Es ist ein kleiner Schritt zu einer gerechteren Globalisierung.“
Kritisch blickt die ZdK-Präsidentin auf die Rolle der Mitgliedstaaten im Aushandlungsprozess: „Ich bedauere, dass der Rat der EU den im Dezember bereits ausgehandelten, ausgewogenen Kompromiss aufgeschnürt und abgeschwächt hat. Gerade die Bundesregierung hat ein entschiedenes Eintreten für die Menschenrechte vermissen lassen, ihre Uneinigkeit stattdessen in Form von Enthaltungen demonstriert und die Nachverhandlungen damit erst in Gang gesetzt.“ Isabelle de Gaulmyn plädiert für eine übergreifende Verständigung: „Die EU-Mitgliedsstaaten müssen die Umsetzung dessen, was vom Lieferkettengesetz übrig geblieben ist, nun rasch auf den Weg bringen. In der Praxis braucht es gezielte Unterstützung für kleinbäuerliche Betriebe im Globalen Süden. Der Dialog darüber, wie Schöpfungsverantwortung und Menschenwürde in unternehmerisches Handeln zu übersetzen ist, muss weitergehen – in Europa und weltweit.“
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