„Einheit braucht das Gefühl der Zusammengehörigkeit“

ZdK-Präsidentin sieht in lebendiger Zivilgesellschaft Schlüssel zum Überwinden von Entfremdung

Irme Stetter-Karp, Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), ruft vor dem 35. Jahrestag der deutschen Einheit zu einem breiten Engagement für Zusammengehörigkeit in der deutschen Gesellschaft auf. „Umfragen zeigen die wachsende Entfremdung zwischen Ost und West. Damit dürfen wir uns nicht abfinden. Deutschland braucht Menschen, die Brücken bauen. Menschen, die das Gespräch suchen und führen, auch da, wo es wehtut. Das mangelnde Gefühl der Einheit ist eine offene Wunde, die wir gemeinsam schließen müssen.“

Die Präsidentin sieht in einer organisierten und lebendigen Zivilgesellschaft eine große Chance, den Herausforderungen der Gegenwart zu begegnen: „Wir brauchen mehr soziale Gerechtigkeit. Noch immer gibt es Unterschiede bei Einkommen und Renten, ist die Landflucht von Ost nach West nicht gestoppt, weil junge Menschen eine bessere Zukunft suchen. Zugleich wird Deutschland immer vielfältiger. Diese Vielfalt als Bereicherung wahrzunehmen, ist wichtig und kann zugleich schwerfallen, wo Ängste um die eigene Existenz dominieren. Gerade deshalb müssen wir alles für eine gerechte Gesellschaft tun.“  Wer die Zukunft Deutschlands zu seiner Sache mache – im Großen wie im Kleinen –, leiste damit auch etwas für Europa und seine Werte. „Wir brauchen dieses Gefühl der Gemeinschaft. Solidarität ist das Wort der Stunde. Seien wir solidarisch – mit unseren Nachbarn, mit unseren Kindern und Enkeln, aber auch mit denen, die Deutschland in einem starken Europa zu ihrer Heimat wählen.“

Franziska Schubert, seit wenigen Wochen gewählte Einzelpersönlichkeit im ZdK, Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen im Sächsischen Landtag, sieht ihre Generation – in den 1980er Jahren in Deutschland Ost geboren – vor der Aufgabe, die Demokratie neu zu stärken. Die Generation der Eltern sei mit dem „Bruch von Gewissheiten“ konfrontiert worden, habe im besten Fall „Bruch-Kompetenz“ erworben und Krisen in Chancen verwandelt. Doch die „Kultur der Beteiligung“, die diese Generation geprägt habe, sei nach 1989 nach und nach verloren gegangen, schreibt Schubert heute in einem Meinungsbeitrag für den Newsletter des ZdK. „Strukturen wie die Runden Tische, geprägt vom Neuen Forum und anderen Bürgerrechtsbewegungen, hätten diese Kultur der Beteiligung dauerhaft verankern können. Doch das wurde nicht gewollt. Eine große Chance ging dadurch verloren, Demokratie nicht von oben zu organisieren, sondern von unten zu leben. Gerade heute, wo das Vertrauen in Institutionen und Demokratie brüchig ist, spüren wir diesen Mangel.“ 

Schubert ist überzeugt: „Auch für uns als Christen als Teil dieser Gesellschaft bleibt eine doppelte Aufgabe: die Erinnerung an den demokratischen Aufbruch lebendig zu halten – und zugleich den Blick nach vorn zu richten. Freiheit und Einheit müssen täglich erneuert werden, in Deutschland wie in Europa. Und das gelingt nur, wenn wir Vielfalt nicht als Bedrohung, sondern als Grundlage für ein gemeinsames Morgen begreifen.“

Pressemitteilung „Einheit braucht das Gefühl der Zusammengehörigkeit“ als PDF

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