„Wir brauchen Projekte, die Europa stärken“

ZdK veröffentlicht aktuelle Erklärung – und eröffnet Debatte im Europäischen Haus in Berlin

„Nie war Europa wichtiger als heute“, sagt der Vizepräsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Prof. Thomas Söding. „Wir brauchen nicht weniger, sondern mehr Europa.“ Das ZdK-Präsidium habe sich deshalb zu einer Erklärung entschlossen, um Werte zu stärken, die Europa auszeichnen. Am Mittag wurde diese Erklärung im Europäischen Haus in Berlin vorgestellt. 

Europa sei aktuell von außen und von innen bedroht, so Söding. „Wir widersprechen allen, die Europa zu einem Projekt identitären Denkens machen wollen“, sagte der ZdK-Vizepräsident. Ebenso gelte es, sich gegen Aggression von außen zur Wehr zu setzen. „Wir bekennen uns zu einer wertegeleiteten Politik, die nicht moralisiert, aber ethisch fundiert ist. Wir setzen uns dafür ein, Europa als Standort für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, für Transformation und Innovation, für Sozialpartnerschaft und Freiheit zu bewahren und neu zu denken.“ Derzeit redeten viele von der Schwäche Europas. „Wir brauchen Projekte, die Europa stärken.“ 

Zu einem solchen Projekt müsse „die Mobilisierung der Menschen für die Verteidigung von Werten werden“, sagte Dr. Irina Scherbakowa, Gründungsmitglied der russischen Menschenrechtsorganisation Memorial. Scherbakowa, seit 2022 im Exil in Deutschland und hier Mitglied der Organisation ‚Zukunft Memorial‘, forderte „eine Bildungs- und Aufklärungsarbeit, die an die Basis geht, die alle erreicht“. Jeder Mensch könne an jedem Ort dazu beitragen, Freiheit, Demokratie und Menschenrechte wertvoll zu machen. „Wir brauchen Überzeugungsarbeit.“ Ihr mache die „intellektuelle Krise Europas“ große Sorge. „Wie schützt man Werte in einer solchen Krise? Zu vielen Menschen fehlt die Leidenschaft für das, was Europa bedeutet. Aber wir haben keine Zeit mehr für indifferentes Verhalten.“ Die Kirchen müssten ihre wichtige Rolle als Hüter der Menschenrechte stärker wahrnehmen als bisher. „Auf diesem Weg müssen sie die Jugend zurückgewinnen. Wo ist die Jugend? Die Kirchen drohen sie zu verlieren.“ 

Dr. Linn Selle, Ehrenpräsidentin der Europäischen Bewegung Deutschland (EBD), sagte: „Das Gefühl für das Ziel unseres Handelns darf uns nicht verloren gehen. Darauf müssen wir achten, wenn wir in diesen Zeiten bestehen wollen, dafür braucht es eine wirkmächtige Europäische Union. Deshalb unterstütze ich die ZdK-Erklärung sehr.“ Marie von Manteuffel, ZdK-Sprecherin für Europapolitik, legte den Finger in eine offene Wunde: „Als Mitautorin der Erklärung frage ich mich: Wie können europäische Werte verteidigt werden, wenn die Europäische Union selbst bestimmte Werte durch ihr Handeln infrage stellt? Aus meiner Sicht ist das aktuell rigide Grenzmanagement an den EU-Außengrenzen mit dem Menschenrecht auf Asyl nicht vereinbar.“   Selle pflichtete ihr bei. Wer, wie das ZdK, Mitverantwortung für Europa übernehmen wolle, sei gefordert, „Konflikte zu benennen und Lösungsvorschläge zu machen. Das ist nicht immer harmonisch. Aber gerade kirchliche Player dürfen Menschenrechte unter keinen Umständen einer falschen Harmonie opfern.“

Die Bedeutung von Werten als zentrale Pfeiler politischen Handelns hob Prof. Carlo Masala, Inhaber des Lehrstuhls für Internationale Politik an der Universität der Bundeswehr München und seit einigen Wochen Mitglied des ZdK, hervor. „Wir müssen uns bewusstwerden, dass unsere fundamentalen Werte massiv bedroht sind. Und zwar nicht nur von außen, auch von innen. Denn in der Europäischen Union selbst haben wir große Konflikte über Werte. Für deren Verteidigung müssen wir deshalb auch Partner außerhalb der EU suchen. Wir sehen bereits neue Kooperationsmuster – etwa mit Großbritannien, mit Norwegen, mit der Türkei. Das ist gut so. Es ist ein Weg in die Zukunft.“

Gosia Binczyk, stellvertretende Leiterin der Vertretung der Europäischen Kommission in Berlin, hatte zu Beginn in einem Grußwort dafür gedankt, „dass sich ein bundesweit agierender, großer christlicher Verband wie das ZdK für Europa engagiert. Die Wertedebatte ist die Basis von allem. Sie haben mit Ihrer Erklärung die Grundlage für weitere konstruktive Gespräche gelegt.“ 

Die Erklärung „Das Europa der Zukunft gestalten. Werte achten – Konflikte lösen – Verantwortung übernehmen“ finden Sie hier.

Pressemitteilung „Wir brauchen Projekte, die Europa stärken“ als PDF

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