„Wir schaffen das!“ – Oder nicht? – Zehn Jahre nach Angela Merkels Sommer-PK
ZdK-Thema des Monats September 2025
Im August und September 2015 kamen so viele Menschen auf der Flucht nach Deutschland, dass Kanzlerin Angela Merkel sich zu einer Botschaft veranlasst sah: „Wir schaffen das!“, sagte sie am 31. August in der Bundespressekonferenz. Geflüchtete aus Syrien, Afghanistan, dem Irak, den Balkanstaaten erfuhren in diesen Wochen eine beispiellose Willkommenskultur. Bis Ende 2016 waren es fast zwei Millionen Menschen, die um Asyl baten. Die Folge aber war eine Debatte über die grundsätzliche Ausrichtung der Migrationspolitik. Sie hält bis heute an. Peter Kossen, Leiter des Ad-hoc-Arbeitskreises Integration im ZdK, fragt: Was muss sich tun, um zehn Jahre danach neu sagen zu können: „Wir schaffen das“?
Ich hatte in meinem bisherigen Leben noch nie den Eindruck, dass ich stolz sein sollte auf unsere Bundesregierung. Und doch war ich stolz auf Angela Merkel, als sie 2015 angesichts der Not vieler, vor allem aus Syrien geflohener Menschen versprach: „Wir schaffen das!“ „Die Flüchtlinge retten die Gemeinden“, hat damals der Caritas-Direktor des Bistums Hildesheim festgestellt. Christliche Gemeinden fanden wieder ihr Innerstes, wo sie herausgegangen sind aus bürgerlicher Sattheit an die Ränder der Gesellschaft.
Immer wieder hat Papst Franziskus an den „Friedhof" Mittelmeer erinnert. In einer Generalaudienz am 28.08.24 sagte er: „Die Tragödie ist, dass es möglich gewesen wäre, viele, die meisten dieser Toten zu retten." Eine schwere Sünde begingen jene, "die systematisch und mit allen Mitteln versuchen, Migranten abzuwehren". Gott sei mit den Migranten und nicht mit denen, die sie zurückweisen, so der Papst. Migration lasse sich nicht durch restriktivere Gesetze, eine Militarisierung der Grenzen oder Zurückweisung stoppen. Ein Ende des Leids lasse sich nur durch mehr sichere und legale Zugangswege für Migranten erreichen, "indem wir Menschen, die vor Krieg, Gewalt, Verfolgung und den vielen Katastrophen unserer Zeit fliehen, Zuflucht gewähren".
Wenn eine Gesellschaft durch Krisen besonders herausgefordert wird, werden Randgruppen gesucht und gefunden, denen man die Schuld für die Misere geben kann. Das geschieht aktuell wieder in Deutschland. Migranten geraten unter Generalverdacht, werden Projektionsfläche diffuser Ängste und ungelöster gesellschaftlicher Probleme.
Es gibt aber massive Integrationserfolge in unserm Land! So ist beispielsweise das Beschäftigungsniveau der Eingewanderten ein großer Erfolg, gerade im internationalen Vergleich. Studien zeigen allerdings, wie sehr das Zusammenleben mit Migranten trotz allem als konfliktreich wahrgenommen wird – selbst wenn es gut läuft und alle von Migration profitieren.
Die Wahrheit ist: Es hat eine enorme Entwicklung bei der Integrationsfähigkeit und der Qualität der Integrationsangebote gegeben. Populistische Forderungen zum Thema Migration blenden das bewusst aus. Auch Politiker von Parteien, die sich für die bürgerliche Mitte halten, schwimmen auf dieser Welle mit und nehmen dafür die kollektive Diskriminierung von Migranten in Kauf. Warum überhaupt müssen Migranten besser integriert sein als hier Aufgewachsene?
Die Idee unserer jüdisch-christlich geprägten Kultur ist eine internationale. Und die Bibel ist voll von Migrationsgeschichten. Die Propheten und Jesus selbst sagen: „Der Fremde, das ist dein Bruder, das ist deine Schwester. Behandle sie so!“ Aus guten Gründen bestehe ich deshalb darauf: „Wir schaffen das!“
Pfarrer Peter Kossen, geboren 1968, war bis zum Mai 2025 Mitglied des ZdK. Aktuell leitet er den Ad hoc-Arbeitskreis Integration, der in diesem Herbst die integrationspolitische Position des ZdK fortschreiben wird. Kossen ist über Deutschland hinaus bekannt für sein Engagement pro Mindestlohn und für würdige Bedingungen des Arbeitens in der Fleischindustrie, wo überdurchschnittlich viele Menschen mit Migrationshintergrund tätig sind.
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