Der Petersdom vor blauem und bewölktem Himmel, links oben steht in weißer Schrift Synode mit Söding

Synode mit Söding

Vom 04. bis 29. Oktober 2023 fand der erste Teil der Weltsynode unter dem Motto "Für eine synodale Kirche: Gemeinschaft, Teilhabe und Sendung" statt, an der erstmalig auch Laien stimmberechtigt teilgenommen haben. Unser ZdK-Vizepräsidenten Prof. Dr. Thomas Söding war als theologischer Experte mit dabei und hat uns vier Wochen lang mitgenommen. Lesen Sie hier in seinem Blog “Synode mit Söding” alle Geschehnisse des ersten Teils der Weltsynode nach, bevor es vom 02. bis 27. Oktober in die zweite Runde gehen wird.

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Synode mit Söding - Tag 20

vom 21. Oktober 2024

Um 8:30 Uhr begann der Tag mit der Messe im Petersdom „zum Heiligen Geist“. Der Blick in die Geschichte der Kirche zeigt: Wo nur Gott, der Vater, im Blick steht, haben sich oft monarchische Kirchenbilder durchgesetzt; eine reine Christozentrik verführt dazu, die Nachfolge im apostolischen Amt zu überschätzen. Wo sich in der Kirche etwas bewegt hat und bewegt, ist es dort. wo Gottes Geist angebraust kommt und die Herzen erfüllt. Deshalb war es ein Zeichen, den Gottesdienst für den Heiligen Geist zu feiern. In seiner Predigt sagte Kardinal Mario Grech: keine Selbstzufriedenheit, weder des Klerus noch der Synode, sondern eine Konzentration aufs Wesentliche – Kirche heute zu sein.

Um 10 Uhr kam die Synode in der großen Halle zusammen. Zuerst gab es eine Ansage: Kardinal Victor Fernández erklärte sich persönlich, nachdem am Freitag spät nur eine Mail hatte versandt werden können. Er versuchte, den kläglichen Auftritt seines Dikasteriums am Freitag zu erklären und wiederholte seine Bereitschaft, persönlich am Donnerstag zu erscheinen. Er sagte, dass die zweite Studiengruppe zum Diakonat, die schon vor Jahren eingesetzt worden war und ihr Werk eigentlich abgeschlossen hatte, ihre Arbeit fortsetzen wird – was allerdings mit der Anbindung an die Synode schwer zu vereinbaren ist. Er erinnerte daran, dass Papst Franziskus die Zeit nicht reif für die Einführung eines sakramentalen Diakonates sieht, kündigte aber vertiefte Studien an (was mit einer Absage an eine Öffnung des Amtes für Frauen nicht zu vereinbaren wäre). Und er wies auf die vielen Möglichkeiten aktiver Mitarbeit von Frauen sowohl im Welt- als auch im Kirchendienst hin, die noch erheblich ausgebaut werden könnten: Er sprach von Gemeindeleitung. Vor allem forderte er alle Synodenmitglieder, besonders die Frauen, auf, ihre Erwartungen und Erfahrungen dem Glaubensdikasterium vorzulegen (das Synodensekretariat scheint außen vor zu sein). Am nächsten Donnerstag sei dafür eine gute Gelegenheit.

In der offiziellen Pressekonferenz heute wurde die Erklärung bekanntgemacht – und intensiv diskutiert. Mir ist klar, welche Wirkung sie in Deutschland erzielt. Ich bin aber nur der Bote, der nicht für die Botschaft verantwortlich ist. Es wird sicher wichtig sein, eine große Koalition zu bilden: nicht nur der Frauen, nicht nur mit den engagierten Bischöfe (Georg Bätzing hat sich klar und deutlich für den Diakonat von Frauen ausgesprochen), sondern in einem breiten Bündnis der gesamten katholischen Kirche in Deutschland und möglichst auch in anderen Ländern. Die Verbände, die Diözesen, der Synodale Ausschuss: Es gibt gute Plätze, öffentlich Position zu beziehen – bessere als in vielen anderen Ländern der katholischen Weltkirche.

Danach wurde der erste Entwurf des Endtextes verteilt: auf Papier, nicht elektronisch, um die Vertraulichkeit zu wahren. An die muss und werde ich mich halten. Die Originalsprache ist Italienisch, auch eine englische Version wurde ausgeteilt, die noch nicht die authentischen Übersetzungen der Heiligen Schrift und der Konzilsdokumente enthält; das wird nachgebessert. Vormittags war eine Stunde Lesezeit – ein schönes Bild entstand: An den Tischen, verteilt in den vielen hinteren Reihen der Synodenhalle, im Foyer, einige draußen in der Sonne wurde der Text aufmerksam studiert. Heute Nachmittag kamen die Kleingruppen zusammen. Dort wurde der Text besprochen. Morgen werden „Modi“ erarbeitet: Vorschläge für konkrete Textänderungen. Beim letzten Mal waren es über 1000. Die müssen am Donnerstag und Freitag gemustert und vom italienisch-englischen Schreibteam eingearbeitet werden, bevor das synodale Redaktionskomitee (gewählt am 8. Tag der Synode) das „Placet“ gibt.

Ich habe zuerst die englische Version gelesen und dann das italienische Original. Offengestanden bin ich gleich mitten in den Text gesprungen: dorthin wo die synodalen Beratungs- und Entscheidungsprozesse beschrieben werden. Von dort aus habe ich vorwärts und rückwärts den ganzen Text studiert.

Auch das gebe ich zu: Ich habe stark mit der Frage gelesen, ob diejenigen, die den Synodalen Weg in Deutschland nicht wollen, Argumente finden oder nicht. Und ob diejenigen, die ihn wollen und in aller Ruhe, aber auch in aller Entschiedenheit weiter verfolgen, auf Barrieren stoßen oder ein wenig Rückenwind gekommen. Es ist völlig klar, dass nicht die spezifischen Anliegen eines einzelnen Landes behandelt werden können, sondern eine Wegweisung für die ganze Kirche erfolgen soll. Aber es ist auch klar, was der Papst will: synodale Beratungs- und Entscheidungsstrukturen auf allen Ebenen. Ein Bischofsamt, das nicht abhebt, sondern eingebunden ist und nicht die Spitze einer Pyramide beansprucht, sondern – die nautische Metapher der Bibel liegt nahe – einen anerkannten Platz im „Schiff“ der Kirche findet.

Eine echte Schwierigkeit, die bereits vor der Synode immer wieder aufgekommen ist: Was heißt „decision making“? Und was heißt „decision taking“? Wer sehr gut Englisch spricht, hat Probleme, die Differenz auf den Punkt zu bringen. Da ich Englisch (das humanistische Gymnasium lässt grüßen) nicht so gut kann, versuche ich einmal (auf eigene Kappe) einen Vorschlag.

„Decision making“ heißt, eine Entscheidung zu treffen. Beratungen gehen voran: „consultations“. Der „decision process“ – so schon im „Instrumentum laboris“ – schließt sich an. Möglichst viele sollen beteiligt werden – durch synodale Räte auf allen Ebenen: universal, kontinental, national, diözesan, pfarrlich. Das Ziel ist eine gemeinsame, gute Entscheidung, in der alle gehört wurden, die sich zu Wort gemeldet haben, und ein Votum abgeben konnten, und in der niemand durch das Verfahren und die Entscheidung desavouiert wird. Deshalb ist die Prozessqualität so wichtig: geistlich, menschlich, sachlich. 

„Decision taking“ heißt: Diese Entscheidung annehmen und in Kraft setzen – oder auch nicht. Das ist die spezifische Aufgabe der kirchlichen „Autorität“, auf welcher Ebene auch immer. Sie ist ja ohnedies für die Exekutive verantwortlich. Die Beratungen und Entscheidungen sollen so gut vorbereitet sein, dass die Übernahme der Entscheidung kein Problem sein sollte. Wenn doch, dann müssen die Gründe dargelegt werden. Vielleicht überzeugen sie. Wenn nicht, müssen alle Seiten – hoffentlich nur für kurze Zeit – mit einem Dissens leben. In jedem Fall sind Rechenschaft und Evaluation – besser vielleicht: Mentoring – erforderlich. Eine rechtliche Bindung des Bischofs an eine Mehrheitsentscheidung eines synodalen Gremiums widerspricht dem geltenden Kirchenrecht. Dass dort bislang von einer rein („mere“) beratenden Mitwirkung die Rede ist, widerspricht dem synodalen Aufbruch. Es gilt, einen neuen Weg zu finden.

Wird es in der Synode zu einer solchen Klärung kommen? Man wird es am Samstag wissen.

Notiz des Tages
Die Spannung steigt. Die Hauptthemen liegen auf dem Tisch: Partizipation und Geschlechtergerechtigkeit. Die Lösung liegt nicht in einem Text, sondern: „Entscheidend ist auf’m Platz“ (Adi Preißler). Aber ein Synodenbeschluss kann Prozesse verlangsamen oder beschleunigen. Also zurück an den Anfang des Tages: „Veni creator Spiritus“ – „Komm, heiliger Geist und erfülle das Herz der Synode“.

Synode mit Söding - Tag 19

vom 20. Oktober 2024

Heute war auf dem Petersplatz ein großer Gottesdienst: eine Heiligsprechung. An der Fassade prangten die großen Plakate. Über den Platz waren die Gruppen verteilt, die den Heiligen besonders zugetan sind. Wer auserkoren wurde, zur Ehre der Altäre erhoben zu werden, ist kennzeichnend. Auch die Form, in der es geschieht.

Manuel Ruiz López (1804-1864), spanischer Superior eines Klosters im Libanon,  und seine fünf Gefährten, gleichfalls Mönche, haben zusammen mit zwei Brüdern aus demselben Kloster bei einem antichristlichen Pogrom ihr Leben gelassen. Ein ähnliches Schicksal haben drei Brüder erlitten, die in Syrien gleichfalls zu Märtyrern wurden: Francesco, Mooti und Raffaele Massabki, maronitische Christen aus dem Libanon, die beiden ersten Familienväter mit mehreren Kindern, der dritte noch nicht verheiratet.

Heiliggesprochen wurde Giuseppe Allamano (1831-1926), ein italienischer Priester, der eng mit Don Bosco verbunden war, sehr viel Sozialarbeit im Industrialisierungselend von Turin geleistet und danach einen eigenen Missionsorden für Männer und für Frauen gegründet hat, benannt nach der Kirche Maria Consolata in Turin. (Das Stammhaus des Ordens ist hier in unmittelbarer Nachbarschaft; nachts leuchtet eine mit unterschiedlichen Farben illuminierte Madonna herüber). 

Zwei Ordensgründerinnen gehören in die heilige Corona. Die Kanadierin Marie-Léonie Paradis (1840-1912) hat den Orden der Kleinen Schwestern von der Heiligen Familie ins Leben gerufen hat, der sich vor allem um Bildung kümmert; die Italienerin Elena Guerra (1835-1914) hat die Oblatinnen vom Heiligen Geist ins Leben gerufen und Papst Leo XIII. so lange bestürmt, bis der die Verehrung des Heiligen Geistes auf seine Fahnen geschrieben hat.  

Was verbindet diese Heiligen? Einerseits die Unterschiedlichkeit ihrer Berufungen, die alle auf brennende Fragen ihrer Zeit antworten, andererseits ihre Zugehörigkeit zu einer wegweisenden Epoche der neuen Kirchengeschichte. Die katholische Kirche will an Menschen Maß nehmen, die im Übergang der Moderne Glaube und Ethik verbunden haben, Kirche und Geist, regionale Verwurzelung und internationale Weite.

Dass wieder einmal vor allem Priester und Ordensleute geehrt werden, ist typisch. Immerhin sind die drei maronitischen Christen, die geehrt werden, fromme Menschen mitten im Leben, bis es ihnen brutal genommen wurde. Aber können Frauen nur als Ordensschwestern heilig sein? Die meisten Heiligen kennt nur Gott. Wenn die Kirche einige wenige sucht und findet, um ihrer offiziell zu gedenken, braucht es neue Wege, sie zu finden, als nur die eingefahrenen über Orden und religiöse Gemeinschaften.

Aber auf dem Petersplatz waren viele Menschen und haben gestrahlt. Schon ab 9 Uhr schallten Freudengesänge vom Petersplatz hinauf an den Fuß des Gianicolo, wo die „Villa Mater Dei“ liegt, das, für die vier Synodenwochen noch einmal angemietete, Gästehaus der Deutschen Bischofskonferenz. Viele Pilgergruppen waren zwischen den Kolonaden vereint, viele Ordensleute mit ganz unterschiedlichen Trachten. Ich fand einen Platz zwischen kernigen Mönchen aus einem Kloster im Libanon. Vor mir war eine Trachtengruppe aus dem Zillertal, weil Engelbert Kolland von dort stammt, einer der libanesischen Märtyrer. Bunte Bilder – gute Stimmung: Herz, was willst du mehr?

Die merkwürdigen Prozesse, die – inklusive Wunderbeweis – zu einer Heiligsprechung gehören, muss man freilich ausschalten, wenn man einfach mitfeiern will. Der Ritus ist durchaus komplex. Zuerst stellt der Präfekt des Dikasteriums die Menschen, um deren Heiligsprechung gebeten wird, biographisch kurz vor („Petitio“). Dann betet das Volk die Heiligenlitanei. Der Papst, als Sprecher des Gottesvolkes, bittet Gott um die rechten Bitten und deren Erfüllung. Das Volk stimmt zu: Es sagt „Amen“, also „Ja“. Daraufhin erfolgt die offizielle Kanonisierung – mit einer Formel, die der Papst spricht: dass die Seligen nun in die Schar der Heiligen aufgenommen werden, der frommen Verehrung empfohlen. Wieder „Amen“ und: „Alleluja“. Der Präfekt fasst zusammen. Und der Papst sagt: „Discernimus“ (im höfischen Pluralis majestatis: So entscheiden wir).

Das Verfahren ist hoch formalisiert, hat aber einen synodalen Kern. Es gibt eine Präsentation, die klärt, worum es geht. Es gibt eine Konsultation, die den Horizont weitet und wieder auf den Punkt kommt. Es gibt ein Gebet, das Gott zu Wort kommen lässt. Es gibt eine Zustimmung des Volkes. Es gibt eine Erklärung des Papstes, die der Konsultation und Zustimmung entspricht. Es gibt eine Zustimmung des Volkes zu dieser Erklärung. Und daraufhin ist es entschieden: und muss nun umgesetzt werden. „Decision making and taking“ sind etwas komplexer verbunden. Aber dass es keine einsamen Entscheidungen geben darf, kein „basta“, das Prozesse abbricht, kein reines „top down“: das ist in der Liturgie schon angekommen. Jedenfalls im Grundsatz.

Notiz des Tages
Für den Apostel Paulus sind alle Gläubigen „Heilige“: berufen und begabt von Gott, befreit, ihre Stimme zu erheben, gleichberechtigt in der christliche Gemeinde, auch wenn die Rollen durch Charisma und Zeitgeist unterschiedlich ausgeprägt waren. Dieses Konzept von Heiligkeit ist die Basis christlicher Synodalität. Die katholischen Heiligen fallen aus dieser Gemeinschaft nicht heraus, sondern zeigen beispielhaft, wozu alle berufen sind.

Synode mit Söding - Tag 18

vom 19. Oktober 2024

Heute hat die Synode frei. Der Papst nicht. Um 9 Uhr gab es eine Audienz: für die Frauen. Danach eine weitere: für die „Laien“ – zu denen ich gehöre. Dass ein kirchenrechtlicher „Laie“ theologischer „esperto“ der Synode ist, gehört zu den lustigen Widersprüchen der katholischen Kirche. Viele der „fascilitators“ waren da: die, die an den Tischen moderieren, viele aus dem „staff“, ohne die der Laden nicht laufen würde. 

Einige der „Laien“ sind aktiv im Kirchendienst ihrer Heimat. Das passt gut. Denn die „lay ministers“ hatten unmittelbar vor der Synode ihr zweites Welt-Treffen – digital. Vor einem Jahr durfte ich in Rom vor Ort dabei sein: ein besonderer Moment der Synode. Aber die internationale Bedeutung wächst – und die digitale Form hat noch mehr Menschen die Teilnahme ermöglicht. Die Zahl derer, die weltweit Gemeinden leiten, ohne Priester zu sein, und in der Kategorialseelsorge oder in Generalvikariaten und Offizialaten Verantwortung übernehmen, wächst. Die Vernetzung nimmt zu. Esther Göbel und Konstantin Bischoff, bekannt aus dem Synodalen Weg, spielen eine führende Rolle. Die „Lay Ministers“ haben einen Brief an die Synodenmitglieder geschrieben, der auch schon die Runde gemacht hat; sie haben in diesem Schreiben nicht nur ihre eigenen Interessen adressiert, sondern auch ihre Erfahrungen für eine Erneuerung der Kirche in die Waagschale geworfen. Dass sich die theologischen Kompetenzen über die Priester hinaus so extrem stark erweitert haben und weiter erweitern, ist einer der Gründe, warum die katholischen Kirche neue Formen der Kooperation braucht, auf allen Ebenen.

Als wir auf den Papst warteten, habe ich mich mit Luca Casarini, Chef der “Mediterranea Saving Humans” und eingeladener Gast der Synode, über italienische, deutsche und europäische Migrationspolitik unterhalten: Er war bestens über die problematische Entwicklung, aber auch über die Bündelung demokratischer Kräfte in Deutschland informiert. Und kannte das ZdK und wusste, wo es steht.

Dann kam der Papst. Er sprach sehr gut: dass die Laien die wichtigsten Glieder der Kirche sind und dass auch die Kleriker stolz sein sollten, zu ihnen zu gehören, nämlich zum Volk Gottes. Dass sie die wichtigste Aufgabe der Kirche in der Welt übernehmen. Man hat es schon öfter gehört, aber jetzt live von Angesicht zu Angesicht in der Sala Clementina wirkt es noch einmal besonders.

Danach durften Fragen gestellt werden. Einige mit Spanisch als Muttersprache begannen. Dann habe ich die Chance genutzt: "Santo Padre, mi chiamo Thomas Söding. Sono catholico, sono professore dell' Nuovo Testamento, sono tedesco - in quest'ordine". (An seinem Gesicht habe ich abgelesen, dass er die Pointe verstanden hat.) Auf Englisch - mein Italienisch und Spanisch sind nicht gut genug für spontane Reden - habe ich ein Versprechen abgegeben und eine Frage gestellt. Ich habe mich als Repräsentant der Organisation der katholischen Laien (das muss man auf Englisch so sagen) vorgestellt: Dass wir uns bei der Regierung und im Parlament konsequent für katholische Anliegen einsetzen, dafür aber eine synodale Kirche brauchen, weil nur sie Autorität gewinnen kann. Gefragt habe ich ihn nach seinen Erwartungen: Was erhofft er von der Weltsynode, so dass sie sich nicht nur mit internen Problemen auseinandersetzen, sondern auch den Einsatz für Menschenrechte, Umweltschutz und Armutsbekämpfung besser fördern kann.

Er hat freundlich geantwortet, wenn auch allgemein - ohne Spitze gegen Deutschland, vielmehr in dem Sinn, dass die klerikale Selbstbezüglichkeit überwunden werden muss. Was man auch schon wissen konnte, was aber richtig ist und durchaus wiederholt werden darf.

Notiz des Tages
Papst und Laien – der hierarchische Gegensatz ist so groß, dass es schon wieder stimmen kann mit den Beziehungen. Die Synode bietet einen Rahmen. Sie muss auch eine Ordnung bekommen. Dann herrschen nicht wohlwollende Freundlichkeit, gar große Barmherzigkeit, sondern geteilte Freiheit und spirituell aufgeschlossene Gerechtigkeit. 

 

Synode mit Söding - Tag 17

vom 18. Oktober 2024

Die heutige SMS kommt spät, aber hoffentlich nicht zu spät. Ursprünglich sollte der Nachmittag frei sein – und die Theologiegruppe sollte Zeit haben, in Ruhe die „reports“ der „table groups“ zu studieren. Es ist aber anders gekommen.

Heute war der Vormittag den Tischgruppen gewidmet; sie sollten sich wieder auf das einigen, was sie nach den langen Debatten der letzten beiden Tage zu Modul 4 („Orte“) einbringen und aufschreiben wollen. Als „Experte“ gehöre ich zu denen, die die Auswertung machen, möglichst heute noch. Deadline: Morgen früh um 8 Uhr. Nachmittags laufen jetzt aber die theologischen Studiengruppen, bei denen die Theologie auch präsent sein sollte. Und die „writers“ des Endtextes, dessen erste Lesung am Montag sein wird, sagen - völlig verständlich - je eher, desto besser. Also: erst die Arbeit für die Synode, dann die SMS.   

Vormittags kam zudem die Bitte an die „esperti“, die zehn Studiengruppen mit Beiträgen zu füttern. Das habe ich auch getan. Noch am Vormittag habe ich 2 Seiten zum Diakonat von Frauen geschrieben. Es gibt Diakoninnen im Neuen Testament, sie gehören zur prägenden Kirche des Anfangs. Also ist nach der Wiederentdeckung des sakramentalen Diakonates beim Zweiten Vatikanischen Konzil die Öffnung für Frauen der nächste konsequente Schritt.

Die Mittagspause war heute sehr kurz. Die englische Sprachgruppe hat sich getroffen, um die Arbeit aufzuteilen. Das Hochladen der Berichte aus den Tischgruppen hat sich aber verzögert. Deshalb haben wir nur Themen abgesprochen. Ich werde mich auf die Erfahrungen konzentrieren, die in „pastoral councils“ auf allen Ebenen gesammelt worden sind, speziell unter Einschluss von „lay associations“ – und auf Vorschläge, wie sie gestärkt werden können. Im Laufe des späteren Nachmittags trudelten die Texte ein.

Ab 15.30 Uhr haben sich aber schon die Studiengruppen vorgestellt, simultan in drei Schichten. Die Mitglieder sollten Gesicht zeigen. Sie sollten klären, wie weit sie sind und was sie bislang gemacht (oder nicht gemacht) haben. Sie sollten ins Gespräch mit den Synodalen kommen Ich habe mich für die Gruppe 5 entschieden, die zum kirchlichen Amt und speziell zum Frauendiakonat arbeitet, die kirchenrechtliche Studiengruppe der Synode und die Gruppe 9 entschieden, die sich mit einer theologischen Kriteriologie für moralische Entscheidungen befasst.

Zuerst also zu Studiengruppe 5. Wegen der großen Nachfrage wurde die alte „neue Aula“ genutzt, in der früher die Synoden untergekommen sind. Sie ist wie ein altertümlicher Vorlesungssaal mit stark ansteigenden Reihen und engen Sitzen gestaltet. An die 300 Personen finden Platz, 90 waren angemeldet und ca. 80 waren anwesend. Vorne ein archaisch gebautes Pult (von dem aus ich vor ein paar Jahren selbst einmal referiert habe). Dort saß bei früheren Synoden der Papst. Jetzt waren zwei Personen anwesend, die sich mit Vornamen vorstellten. Beide gehören der untersten Ebene des Dikasteriums an. Ihre Botschaft: Wir wollen zuhören. Und: Bitte, schreibt uns eine E-Mail. Die Namen der Studiengruppenmitglieder waren, entgegen der Praxis anderer Gruppen, nicht bekanntgegeben worden. Sie blieben auch jetzt geheim. Es wurden viele kritische Fragen gestellt – ohne Antwort. Der Präfekt war nicht da. Warum fehlten auch andere Mitglieder aus der Leitung? Warum hat man sich nicht an die zugesagten Regeln gehalten, dass die Studiengruppen synodal zusammengesetzt werden und arbeiten? Auch andere Fragen wurden gestellt, ohne dass es Antworten gab, zum Beispiel: Warum dürfen kontinentale oder nationale Bischofskonferenzen nicht entscheiden, den Zölibat der Priester zu öffnen?

Ich hatte mir meinen alten Arbeitsplatz von drei vorausgegangenen Weltsynoden gesucht: letzte Reihe, letzter Platz. Denn die Synode war streng hierarchisch gegliedert, vorne die Kardinale, die Erzbischöfe, die Bischöfe und die Weihbischöfe, hinten die „esperti“, und zwar erst die Kleriker, dann die „Laien“, und bei ihnen zuerst die Frauen, dann die Männer, zuerst die Älteren, dann die Jüngeren. Heute wurde klar: An der hierarchischen Ordnung hat sich im Grunde nichts geändert. Zumindest, wenn es um die „Frauenfrage“ geht.

Wie weiter? Die Flinte ins Korn werfen? Das ist in meinen Augen keine Option. Über der Synode liegt ein Schatten, den sie nicht selbst geworfen hat. Nur weil es die Synode gibt, besteht die Chance, das Problem aufzudecken und zu besprechen, am besten in Anwesenheit des Papstes. Viele Mitglieder wollen protestieren.

Die anderen Studiengruppen haben ordentlich gearbeitet und transparent kommuniziert. Es wurde auch gut und offen diskutiert. Die Synode hat noch viel zu tun. Vor allem muss sie die Beteiligungsrechte auf allen kirchlichen Beratungs- und Entscheidungsebenen sichern.

Notiz des Tages
Der Synodale Weg, in Deutschland und weltweit, ist ein Weg mit lauter Rückschlägen. Und mit dem Mut, sich nicht entmutigen zu lassen. Es war immer klar, dass eine Synode nicht den sakramentalen Diakonat von Frauen würde einführen können. Es wäre auch unrealistisch gewesen, zu erwarten, dass eine breite Mehrheit ihn fordert. Dazu sind die kulturellen Vorbehalte bei Bischöfen aus vielen Weltteilen zu groß. Aber dass es nicht so geht, wie beim Agieren des Glaubensdikasteriums – das ist klar. Leider nicht allen.

Synode mit Söding - Tag 16

vom 17. Oktober 2024

Gestern Abend war das zweite theologisch-pastorale Forum. Ich bin diesmal in den großen Hörsaal des Augustinianums gegangen. Wie sich Orts- und Universalkirche zueinander verhalten, war das Thema, also: Einheit und Vielfalt in der katholischen Kirche. Heute schloss sich die Generaldebatte an. Am Nachmittag ergriff der Papst spontan das Wort: Die Kirche ist zu einer lebendigen Einheit berufen. Was sind die Kriterien? 1. Die Realität steht über den Ideen. 2. Die Einigung steht über dem Konflikt. 3. Das Ganze steht über den Teilen. 4. Die Zeit steht über dem Raum, das heißt dem Status Quo. 

In der Aula war es tagsüber um die Kompetenz der Bischofskonferenzen gegangen. Harte „Auseinandersetzungen“ – von denen ich gelesen habe – gab es nicht. Allerdings hat, wie gestern in der „SMS“ stand, die Aussage im „Instrumentum laboris“, die Bischofskonferenzen sollten eine gewisse Lehr-Autorität haben, bei einigen Synodalen Nervosität ausgelöst, während die Mehrheit die Chancen erkannt hatte, den Glauben vor Ort zu buchstabieren. Gilles Routhier, erfahrener Kirchenrechtler aus Quebec (Kanada), hatte, spontan von der Sitzungsleitung eingeladen, mit wenigen Worten Klarheit geschaffen und hoffentlich vielen die Angst genommen.

Abends im Forum wurden die Hintergründe beleuchtet. Anna Rowlands, Professorin in Durham, hatte die Moderation. Es sprachen Miguel de Salis Amaral, Professor für Ekklesiologie und Ökumene an der Opus Dei-Fakultät Santa Croce in Rom, Antonio Autiero, emeritierter Moraltheologe aus Münster, Myriam Wijlens, Kirchenrechtlerin aus Erfurt, und Kardinal Robert Francis Prevost, Chef des Bischofsdikasteriums. 

Deutlich wurde für mich ein Zweifaches: Es braucht eine genaue Abklärung, was die katholische Kirche eint – und wo Unterschiede sie nicht zerreißen, sondern bereichern. Und es braucht eine Klärung, wie die gegliederte Struktur der katholischen Kirche rechtlich so gesichert werden kann, dass vor Ort entschieden werden kann, was vor Ort zu entscheiden ist, und dass in der einen Kirche zwar nicht alle im Gleichschritt marschieren, aber zusammenfinden, wenn es darauf ankommt, und einander nicht aus den Augen verlieren, wenn sie jeweils vor Ort die Kirche aufbauen. 

Kardinal Prevost setzte bei der berühmten Beschreibung der Urgemeinde an, dass sie festhielt „an der Lehre der Apostel, an der Gemeinschaft, am Brotbrechen und an den Gebeten“ (Apostelgeschichte 2,42). Martyrie, Diakonie und Liturgie, das Zeugnis, der Samariterdienst und die Feier des Glaubens kommen zusammen. Von daher sei zu entfalten, was die katholische Kirche verbindet. Es gäbe Wichtiges und nicht ganz so Wichtiges. Das Ökumenismus-Dekret des Zweiten Vatikanischen Konzils scheint mir eine Hilfe zu sein, wenn es von einer „Hierarchie der Wahrheiten“ spricht. Sie hilft, das zu erkennen, was die katholische Kirche zusammenhält: das Evangelium, die Heilige Schrift, die Tradition, das Credo, die sieben Sakramente – vieles anderes mehr, einschließlich Papst und Rom und Bischöfe und Zweites Vatikanisches Konzil und, bislang unterbelichtet, eine Theologie des Volkes Gottes. In der Neuzeit hingegen hat sich das Interesse in unguter Weise auf die Ethik, besonders die Sexualethik verlagert. Dass sie wichtig ist, wenn es gilt, den Glauben in verantworteter Freiheit zu leben, leugnet niemand. Aber im Neuen Testament ist die Ethik nicht das dicke Ende der Heilsverkündigung, sondern die Erschließung der Freiheitsräume, die durch die Liebe mit Leben gefüllt werden. Es gibt durchaus – wichtige – Einzelgebote. Aber sie sind nicht nur in der Sprache der Zeit, sondern auch im Blick auf die damaligen Verhältnisse formuliert: die aber nicht dogmatisiert werden, wenn z.B. ein Paulusbrief zur Heiligen Schrift gerechnet wird. Homosexualität ist ein Beispiel. Was Paulus vor Augen hat und verurteilt, ist gewaltbesetzte Unterwerfung und nicht jene Liebe in Freiheit, die heute Paare leben, wenn sie um einen kirchlichen Segen bitten. 

Die rechtliche Seite ist so wichtig wie die inhaltlich-theologische. Myriam Wijlens hat – Australien vor Augen – daran erinnert, was alles mit Hilfe des Kirchenrechts (und allerdings auch weitreichenden Dispensen) durch ein Plenar- und ein Partikularkonzil geklärt werden kann, in Absprache mit Rom auch verbindlich. Allerdings fehlen bislang wichtige Elemente, wie das Konzept „Kirchenversammlung“, das sich abzuzeichnen beginnt, mit den geltenden Normen des Kirchenrechts abgeglichen werden kann. Ohne Änderungen wird es nicht gehen. Beteiligungsrechte derer, die das Kirchenvolk vertreten, an Beratungen und Entscheidungen zu garantieren, wird keineswegs nur in Deutschland gefordert (und in finanziellen Obliegenheiten auch schon praktiziert). 

In jedem Fall braucht es nicht nur auf universalkirchlicher, sondern auch auf kontinentaler und nationaler Ebene verbindliche Ordnungen synodaler Zusammenarbeit. Jose San Jose Prisco, Leiter der Kirchenrechtskommission bei der Weltsynode, kündigte gestern in der Pressekonferenz an, dass sie die Arbeit, wie geplant, bis zum Sommer beendet haben will, um Partizipation zu garantieren. Die katholische Kirche in Deutschland braucht nicht ängstlich abzuwarten, bis an jeder Straßenecke grünes Licht aus Rom leuchtet: Rote Ampeln sollte man allerdings besser auch nicht überfahren. Der Weg, Synodalität auf Dauer zu stellen, hat die richtige Richtung eingeschlagen. Nachjustieren kann man immer noch. Und hier im Vatikan kann man aufklären, was Fake News sind: am besten durch freundliche Information und sachdienliche Argumentation. 

Heute war (und ist) den ganzen Tag Generalversammlung. Wir arbeiten uns durch die Beschreibung von „Orten“, zu denen die synodalen „Wege“ (Modul 3) in den synodalen „Beziehungen“ (Modul 2) auf einer geklärten Grundlage (Modul 1) führen sollen, um dort wieder neu zu starten. Die digitale Welt, die Fluchtbewegungen, die Armutsmigration sind das eine, die Notwendigkeit, den Austausch zwischen Ortskirchen zu stärken, das andere. Und der Bischof von Rom in seinem Dienst an der Einheit ist nicht das Unwichtigste.

Notiz des Tages
Die Synode arbeitet sich durch ein anspruchsvolles Programm. Schritt für Schritt wird es konkreter. Unterschiede müssen zur Sprache kommen. Der Respekt vor der Person und der Meinung des Gegenübers ist das eine – und sollte selbstverständlich sein. Aber Respekt kann nicht Entscheidungen ersetzen. Es braucht klare Voten. Oder mindestens eine gute Grundlage.  

Synode mit Söding - Tag 15

vom 16. Oktober 2024

Heute ging es in der Synode im Kapitel über die „Wege“ sehr stark um die Bischofskonferenzen. Bei der Abstimmung darüber, welche Themen vorrangig diskutiert werden sollen, bekam eines mit Abstand die meisten Stimmen: „Bischofskonferenzen“ – welche Autorität haben sie?

Da ich mich auch in der SMS an die Kommunikationsregeln halte, werde ich nicht in einer Art synodalem Liveticker über die zahlreichen Beiträge berichten. Aber zum einen hat das „Instrumentum laboris", das öffentlich ist, das Thema klar markiert, zum anderen wäre es eine große Überraschung gewesen, wenn die Debatten, die weltweit geführt werden, in der Synodenaula nicht aufgekommen wären.

Es gibt drei Hauptfragen, auf die es in der katholischen Kirche eine Antwort braucht. Möglichst schon in der Synode.

Erste Frage: Durch das Zweite Vatikanische Konzil und das Kirchenrecht, auch durch die Lehrentwicklung nach dem Konzil, ist das Bischofsamt sehr stark betont worden. Gegenüber dem Ersten Vatikanischen Konzil mit seiner Konzentration auf den Papst allein war dies ein großer Fortschritt. Die Einrichtung von Weltbischofssynoden, wie auch die jetzige rechtlich eine ist, gehört in diese Rezeptionslinie. Aber weil die Bischöfe so gestärkt wurden, sind sie auch die Hauptverantwortlichen für die Krise, in der die katholische Kirche weltweit steckt (auch wenn sich nicht alle dies eingestehen mögen). Der sexualisierte und der spiritualisierte Missbrauch klerikaler Macht ist nur die Spitze des Eisberges. Die heutige Aufgabe besteht darin, die Lücken zu füllen, die in der Auslegung des Konzils entstanden sind: Die Bischöfe haben die Verantwortung dafür, nicht vor allem ihre eigene Autorität zu sichern, sondern ihre Macht so einzusetzen (also: ihren Dienst so auszuüben), dass sie die Rechte des Kirchenvolkes stärken. „Volk“ – das heißt ja „laici“, abgeleitet vom griechischen laós: das Volk. Seine Rechte sind unterbelichtet. Die Weltbischofssynode hat erstmals eine ganze Reihe von Mitgliedern, die nicht Bischöfe sind. Wird dies zukünftig Standard? In Lateinamerika hat sich die „Kirchenversammlung“ als ein neues Modell synodaler Zusammenkünfte herausgebildet, mit einer kollegialen Leitung. Wird dies für alle Kontinente, für alle Länder ein Modell sein? Die Synode kann nicht selbst entscheiden, aber sie kann dem Papst ans Herz legen, was er ändern sollte, um eine größere Gemeinsamkeit auch dort zu ermöglichen, wo die Zukunftsfragen der Kirche beantwortet werden.

Zweite Frage: Die Geschichte der Kirche ist durch einen Rhythmus von Zentralisierung und Dezentralisierung geprägt. Derzeit ist es nicht zuletzt die Digitalisierung der Kirche, die zu einer extremen Verkürzung der Kommunikationsdistanzen und -zeiten führt – und damit einerseits zu mehr Durchgriffsmöglichkeiten der Kurie, andererseits zu mehr Aufmerksamkeit in der ganzen Welt für das, was in den noch so weit entfernten Teilen der Erde passiert. Die Frage, die im synodalen Prozess beantwortet werden muss, lautet: Welche Strukturen braucht es, um die Einheit im Glauben mit der Vielfalt der Kulturen zu vermitteln? Die Etablierung von „Pastoralräten“ (wie sie kirchenrechtlich heißen) auf allen Ebenen der Kirche ist dem „Instrumentum laboris“ zufolge eine Konsequenz. In Deutschland bestärkt dies den Synodalen Weg, der die synodale Tradition aufgegriffen hat und weiterführt, die es bereits gibt: Aus Gremien, die nur beraten, werden Versammlungen, die beraten und entscheiden, mit spezifischen Rechten und Pflichten für Bischöfe. In vielen anderen Ländern sieht die Lage aber erheblich anders aus. Hier sind die Gläubigen froh (und haben allerdings auch Respekt vor der Aufgabe), angehört zu werden und Verantwortung zu übernehmen. Mein Eindruck: Nicht ob, sondern wie diese „Räte“ gebildet und gestärkt werden können, wird auf der Synode entschieden werden müssen.

Dritte Frage: Die Stellung des Papstes einerseits, des einzelnen Bischofs in der Diözese andererseits ist stark betont, sie ist „göttlichen Rechts“ (iure divino). Die dogmatische und rechtliche Stellung von Bischofskonferenzen hingegen ist schwächer ausgebildet. Nationalismus braucht niemand, aber kirchliche Präsenz über die lokale und regionale Ebene hinaus wird immer wichtiger. Deshalb stellt sich die Frage: Wie kann die Stellung nationaler Bischofskonferenzen und Kirchenversammlungen gestärkt werden? Zum einen geht es um die Frage, wie verpflichtend der Beschluss einer Konferenz – und künftig hoffentlich einer Kirchenversammlung – für den einzelnen Bischof ist. Zum anderen geht es um die Frage, was sie zu entscheiden hat: nur Organisatorisches – oder auch Theologisches? Schon in Linz, beim europäischen Vorbereitungstreffen, war strittig, wie es um die Lehrkompetenz der Bischöfe bestellt ist. Im Englischen des „Instrumentum laboris“ (Nr. 96 – mit Zitat des postsynodalen Schreibens von Franziskus Evangelii Gaudium 32) ist von einer „ureigenen“ („genuine“) Autorität die Rede, auf Französisch steht „authentique“. Das macht viele nervös, die um die Einheit der Kirche bangen. Im originalen Spanisch ist aber von einer „gewissen“ Autorität die Rede. („incluyendo también alguna auténtica autoridad doctrinal“). Das ist wieder typisch katholisch. Das „Gewisse“ aus der Ungewissheit zu befreien, wäre eine große Leistung der Synode. Es geht ja nicht um die Grundlagen des Bekenntnisses zu Gott, zu Jesus Christus und zum Heiligen Geist im Credo. Der Fokus verschiebt sich auf die Anthropologie und Ethik. Hier werden kulturelle Differenzen besonders relevant. Die hoch kontroverse Debatte über das Segenspapier „Fiducia supllicans“ zeigt es: Die LGBTQ community ist enttäuscht und alle, die mit ihr halten. In der Subsahara hingegen und in Osteuropa herrscht lauter Widerspruch. Ohne eine „heilsame“ Dezentralisierung (eines der schönen Worte) wird die Einheit der Kirche nicht zu halten sein, ohne eine Weiterentwicklung der Lehre und des Rechts auch nicht.

Notiz des Tages
Katholische Synoden sind nicht mehr nur Bischofssynoden – aber sie werden immer Synoden mit Bischöfen sein. Einerseits sind die Bischöfe gefragt, nicht abzuheben, sondern sich einzubinden. Andererseits sind die Synoden gefragt, nicht gegen die Bischöfe zu agieren, sondern mit ihnen zusammen. Das geht – aber wie, muss sich noch zeigen. 

Synode mit Söding - Tag 14

vom 15. Oktober 2024

Gestern Abend in der schönen Aula des Campo Santo: ein hoch aktuelles Gespräch, das „missio“ organisiert hat. Schon im letzten Jahr hat „missio“ eine gute Serie aufgelegt; auch in diesem Jahr ist jeder Tag dieser Woche bis Donnerstag mit einem prall gefüllten Gesprächsprogramm bestens markiert. Martin Stauch, stellvertretender Leiter der Abteilung Inland bei missio, hat die Regie, Birgit Mock, ZdK-Vizepräsidentin, war bei der Vorbereitung aktiv.

Gestern ging es darum, die Erwartungen abzuklären. Innen- und Außenansichten kamen zusammen, unterschiedliche Rollen kamen zu Wort, verschiedene Aspekte wurden ausgetauscht.

Birgit Mock war persönlich anwesend und hat das Berufungs-Projekt von Schwester Philippa Rath vorgestellt. Ich selbst brauchte nur aus der Aula schnell rüber in den Campo zu gehen. Dadurch war das halbe Vize-Präsidium des ZdK vor Ort. Das war nicht nur ein schöner Moment, sondern auch ein klares Zeichen: Das ZdK ist weltweit vernetzt. Die Arbeit der internationalen Hilfswerke ist weltbekannt und keineswegs selbstverständlich, sondern braucht neben freiwilliger Einsatzbereitschaft und professioneller Organisationskraft auch den Kontext einer Kirche, die sich nicht zerlegt, sondern synodal reformiert.

Das ZdK ist in Rom präsent und anerkannt. Auf den verschiedensten Ebenen. Nach dem Besuch des Präsidiums Anfang September bei vielen Dikasterien, ist die Synode jetzt der nächste Ort, Interesse, Kompetenz und Solidarität zu zeigen. Im nächsten Jahr geht es weiter, spätestens.

Missio hat eine hervorragende Mischung zustande bekommen. Estella Padilla war eingeladen, Pastoralarbeiterin und -managerin von den Philippinen, Fr. Anthony Makunda, Generalsekretär der AMECEA, der ostafrikanischen Bischofskonferenz, Schwester Nirmala Alex Maria Nazareth, Präsidentin der indischen Ordenskonferenz, und Bischof Dariusz Pjotr Kaluża von Bougainville in Papua-Neuguinea. Themen: Frauenrechte, Safeguarding, Schöpfungsverantwortung, Beteiligungsrechte. All das gehört zusammen. All das ist eine weltweite Herausforderung. Es gibt eine internationale Solidarität der Reformkräfte, die dort entsteht, wo die realen Probleme wahrgenommen werden. Und die bislang nur deshalb nicht sichtbar genug ist, weil die offiziellen und offiziösen Kommunikationskanäle in der katholischen Kirche mit anderen Nachrichten gefüllt sind.

(Falls jemand auf die Idee kommen sollte, mich ob meines Pensums zu bedauern: Der Campo Santo verfügt über eine Dachterrasse mit einem ganz besonderen Blick auf den Petersdom. Und nach dem Meeting war noch Zeit … )

Heute: Einerseits die Einführung in das nächste Modul („Orte“), das am konkretesten ist, für die synodalen Prozesse in Deutschland besonders relevant. Andererseits die Zusammenfassung und Aufbereitung der Berichte aus den Tischgruppen, in meinen Fall über „decision making“ und „decision taking“. (Darüber, wie schon angekündigt, später mehr, wenn sich die Synode etwas mehr Klarheit verschafft hat, was beides bedeutet und wie es zusammenhängt.)

Deadline war 15 Uhr. Da ich rechtzeitig fertig geworden war und meinen Report (3.000 Zeichen plus „Zitate“) hochgeladen hatte, konnte ich um 13 Uhr sozusagen nach Südamerika einwandern. Wie im letzten Jahr ist AMERINIDIA aktiv, ein Netzwerk, das sich nach der Amazoniensynode gebildet hat. Heute ging es um das Thema „Frauen“, speziell auch um die sakramentale Ordination. Helena Jeppesen Spuhler hat viele zusammengebracht, auch das „Netzwerk Diakonat der Frau“.

Im “Collegio Internationale Sant`Alberto dei Carmelitani” an der Via Sforza Pallavicini 10 war es bunt und lebendig. Fürs leibliche Wohl war gesorgt. Aber die vielen Gespräche und Gesichter – die sind es vor allem, die im Gedächtnis bleiben. Enthusiasmus und Organisationstalent, Engagement und Realitätssinn, Ambition und Diskussion: Ich liebe es, wenn beides zusammenkommt. Schade, dass es keine Direktübertragung während einer Arbeitssession in die Synodenaula gegeben hat. Schade auch, dass nur wenige Bischöfe da waren. 

Auch dort wird immer wieder deutlich, wie wenig die „Frauenfrage“ ausgegrenzt gehört, wenn Synodalität praktisch werden soll. Und wie wenig sie ein deutsches „Sonderproblem“ ist. Es gibt eine breite Bewegung, weltweit. Australien, Nordamerika, Europa und Asien waren auf dem Podium vertreten, dazu gab es schriftliche Zeugnisse aus Südamerika. Menschen aus  der Schweiz, Brasilien, Deutschland, den USA, den Philippinen, waren versammelt … Es gibt sehr, sehr viele Orte, an denen Frauen wirken, die überzeugt sind, zum Amt als Diakon berufen zu sein – und Gemeinden, die danach verlangen. Auch Birgit Mock habe ich wiedergetroffen, bevor sie zurückfliegt.

Was mich besonders berührt hat? Die Krankenhausseelsorgerin aus Sidney, die weiß, wie gut es den Kranken täte, wenn sie die Krankensalbung spenden dürfte. Die Sozialarbeiterin aus Minnesota, der sich im Gefängnis Türen nicht öffnen, weil sie nicht ordiniert ist. Die Ärztin und Lehrerin aus Franken, die durch den dritten Diakonatskreis ihre Berufung gefunden hat, mehr für die Kirche zu tun. Und die Sozialwissenschaftlerin von der La Salla-Universiy in Manila, die in der Marine als Reserveoffizierin dient, aber in der katholischen Kirche vor Mauern rennt.

Dass der „Studiennachmittag“ am kommenden Freitag, auch mit Gruppe 5, den großen Durchbruch bringen wird, glaubt niemand – traurig genug. Aber dass die Synode am Thema dranbleibt: das bleibt wichtig. Auf dem Synodalen Weg haben wir einen Beschluss gefasst, der international noch zu unbekannt ist, aber Eindruck macht: effektive Förderung der Geschlechtergerechtigkeit im Rahmen des geltenden Rechts (das gerne nachjustiert werden darf), Öffnung des sakramentalen Diakonates für Frauen und offene Diskussion über die Frage, ob „Ordinatio Sacerdotalis“ wirklich ein definitives „Es geht nicht“ zur Ordination von Frauen ins Priestertum gesagt hat.

Notiz des Tages
Die Synode ist bunt – nicht nur so, wie die liturgischen Farben und die klerikalen Schärpen leuchten. Rom ist für die katholische Kirche nicht nur die „Zentrale“. Rom ist auch ein Hotspot synodaler Prozesse – außerhalb der vatikanischen Mauern, aber innerhalb der ewigen Stadt. Wie das Leben „draußen“ und das Leben „drinnen“ zusammenkommen – daran wird sich die Synode messen lassen müssen.

Synode mit Söding - Tag 13

vom 14. Oktober 2024

Die Synode nimmt sich Zeit, aber sie trödelt nicht. Heute ist ein typischer Tag. Morgens ist Generalversammlung, nachmittags tagen die „circuli minori“. 

Der Tag beginnt mit der Laudes um 8.45. Um 9 Uhr startet die Arbeit. Zuerst wird festgestellt, wer da ist. Alle Synodenmitglieder haben ein Badge mit einem QR-Code auf der Rückseite. Durch ihn werden sie vom Tablet erfasst, das ihnen das Synodensekretariat zur Verfügung stellt. Gut 360 Vollmitglieder hat die Synode, mehr als 330 sind regelmäßig da. Heute ist – nach einem Bandscheibenvorfall – erstmals Kardinal Gerhard Ludwig Müller dabei: und fällt auf, weil er als Einziger im vollen Ornat erscheint. 

Die Generalversammlung schließt heute die Beratung von Modul 3 („Wege“) ab. Schon am Freitagnachmittag und am Samstagvormittag war es Thema. Nach „Ausbildung“ („formation“), „Unterscheidung“ (“discernment“) und „Entscheidungen“ („decision making and taking“) stehen jetzt „Transparenz, Rechenschaft und Auswertung“ auf der Agenda. Alle Synodenmitglieder haben Rederecht: drei Minuten. Wer schon gesprochen hat, muss sich hinten in der Redeliste wieder anstellen. Die Technik blendet den Namen und den Beruf samt der Herkunft ein. Dann läuft die Uhr herunter. Nach 2:30 Minuten kommt ein erster, nach 2:45 Minuten ein zweiter – ziemlich nerviger – Elektro-Gong. Dann springt die Uhr ins Rote über – und dann muss auch Schluss sein. „Danke schön“, sagt der Moderator, und ruft die nächste Person auf. 

Eine Debatte entsteht so nicht; es wird auch niemand während des Sprechens zur Ordnung gerufen, beim Thema zu bleiben. Allenfalls gibt es im Nachhinein eine milde Mahnung. So entsteht eine bunte Perlenkette von Redebeiträgen. Die Abfolge spiegelt durchaus wider, was alles gedacht wird. Aber wie eins mit dem anderen zusammenhängt: Das wird nur ab und an klar. Die „esperti“ protokollieren fleißig. Ich schreibe Stichpunkte in den Laptop und markiere, wenn mir ein Beitrag besonders aufgefallen ist. Später bekommen wir elektronisch die schriftlich eingereichten Beiträge und können nachlesen, ob wir uns verhört haben oder nicht. 

Der Nachmittag heute ist den 36 Tischgruppen gewidmet: unterschieden nach Sprachen (Englisch, Italienisch, Französisch, Spanisch und Portugiesisch), aber an den Tischen bunt gemischt. In jedem Modul werden die Gruppen neu zusammengesetzt. Jeder Tisch wird von einem oder einer der „facilitatore“ geleitet, aus Deutschland ist Clemens Blattert SJ dabei. 

Alle Synodenmitglieder haben gut zuhören können, alle können jetzt noch einmal im Licht der vielen, vielen Beiträge den Text ihrer eigenen Gruppe bedenken und besprechen. Sie haben ein paar Stunden Zeit, und sollen sie sich nehmen. Wie im vergangenen Jahr klappt die Kommunikation erstaunlich gut. Man kann sich an den runden Tischen verständigen, ohne andere zu stören. Die Synodenhalle ist so groß und hoch, dass sie viele Schallwellen schluckt. 

Ich setze mich in diesen Stunden gerne dorthin, wo in der großen Aula die Plätze für die Kommunikationsabteilung sind. Da kann ich besser arbeiten als am Tisch der „esperti“, an dem man ein wenig eng zusammensitzt. So habe ich einen guten Überblick über die gesamte Aula, bin aber sicht- und ansprechbar, auch für die Tischgruppen. 

Lange Zeit ist die Arbeit an den Tischen ruhig und konzentriert – bis irgendwann die Spannung etwas abfällt. Dann darf auch einmal gelacht werden. An manchem Tisch sind immer wieder diejenigen zu hören, die sehr viel zu sagen haben. Am Ende übernehmen nicht sie das Kommando. Sondern es braucht den Konsens, möglichst aller. Nach und nach brandet leiser Beifall an den Tischen auf: Das Tagwerk ist vollbracht. 2 Seiten „Report“ müssen gemeinsam formuliert und beschlossen worden sein. Bis 19.30 Uhr müssen sie von den „relatori“ im Synodensekretariat abgegeben worden sein. 

Dann dauert es erfahrungsgemäß eine gute Stunde, bis die Texte in die Cloud hochgeladen sind. Also ist für die „esperti“ Nacht- oder Frühschicht angesagt: Sichten, Clustern, Verteilen von signifikanten Themen (ich bin bei „Beraten und Entscheiden“ – wen wundert es?), Schreiben. Deadline: Morgen, Dienstag, 15 Uhr. Allerdings startet morgen auch das nächste Modul mit der Einführung durch eine Meditation, diesmal wieder von der Benediktineräbtissin Maria Ignazia Angelini aus einem Kloster nördlich von Mailand, und einem ersten Überblick durch den Generalrelator, Kardinal Jean-Claude Hollerich aus Luxemburg. Also ist Multitasking gefragt. 

Heute Abend ist um 20 Uhr im Campo Santo eine öffentliche Abendveranstaltung zu den Erwartungen an die Synode. Birgit Mock, Präsidiumskollegin, wird dabei sein. Ich freue mich schon. Morgen mehr davon. 

Notiz des Tages
Synode kostet Zeit – und Kraft. Ob der Aufwand sich lohnt, wird man erst im Nachhinein wissen. Im Moment ist Konzentration gefragt. Und Timing: Das rechte Wort zur rechten Zeit - das ist eine synodale Stilübung. Wer sie beherrscht, hat gute Chancen, gehört zu werden. 

Synode mit Söding - Tag 12

vom 13. Oktober 2024

Sonntag hat die Synode frei: „Vacanza“. Ich nutze die Gelegenheit, um Mails zu checken, Telefonate zu führen – und mir Gedanken zu machen, welche Themen für die SMS in der 2. Hälfte der Synode wichtig sein werden. Nachmittags habe ich Zeit für ein vertrauliches Ökumene-Gespräch in einem Café gehabt. Einen Cappuccino zu bestellen, wäre eine gastronomische Todsünde gewesen – die aber schon ein wenig reizte. 

Zuvor war ich beim Angelus mit „Wir sind Kirche“ verabredet – und habe dort erfahren, was eine Gruppe, die „Equality“ auf einem Plakat dabei hatte, erlebt hat. Ich zitiere, was mir Marlies Prinz geschrieben hat: „Einige von uns haben während der Ansprache des Papstes ein großes "Equality"-Poster entrollt und sich damit positioniert. Nur kurze Zeit später sind mehrere Polizisten gekommen, mehrere in Zivil, manche in Uniform, und haben verlangt, das Transparent einzurollen und die Ausweise herauszugeben. Auf Nachfragen, weshalb andere Gruppen rundherum Transparente hochhalten dürfen, gab es keine wirkliche Antwort, lediglich die wiederholte Aufforderung, das Transparent zu senken. Sie haben die Ausweise einbehalten und haben die Personen zur Polizeistation in der Via del Mascherino mitgenommen. Eine Person, die sich weigerte, den Ausweis herzugeben, haben sie in Handschellen abgeführt.“ Inzwischen sind wieder alle auf freiem Fuß. Die Vatikan-Polizisten werden ihre Anweisungen gehabt haben, die sie befolgt haben. Marlies Prinz schreibt: „Die Nervosität scheint groß zu sein.“ Ich frage mich: Warum gerade bei diesem Thema? Israel, Palästina, Libanon waren Thema des Papstes, ebenso die Ukraine. Nationalflaggen wurden geschwenkt, Umwelt- und Lebensschützer waren vor Ort. Es war ein friedliches Bild, wie bunt die katholische Welt sein kann. „Gleichheit“ gehört dazu. 

Vorgestern und gestern gab es aber auch positive Erfahrungen: An beiden Abenden gab es wunderbare Begegnungen mit jungen Leuten, die sich in der Kirche engagieren und jetzt aus Anlass der Synode in Rom sind. In der Versammlung selbst sind junge Menschen deutlich unterrepräsentiert. Es ist halt eine Bischofssynode. Und nicht in allen Kontinenten sind junge Menschen ausgewählt worden, zu den nicht-bischöflichen Delegierten zu gehören. Aus Europa niemand! Andere Kontinente haben anders entschieden, vor allem die USA und Asien. Die jungen Delegierten mit diesem Mandat melden sich auch zu Wort: und dann wird die Digitalisierung ein Thema, die LGBTQ community, der Mut eines Aufbruchs, auf erwachsene Art katholisch zu sein – nie gegen andere, nie anti-ökumenisch, aber schon entschieden christlich. Alle Entscheidungen, die die Synode trifft oder nicht trifft: Diese Menschen werden die Folgen zu tragen haben. 

Weil „die Jugend“ in der Synode unterrepräsentiert ist, sind Begegnungen am Rande desto wichtiger. Der BDKJ spielt eine zentrale und sehr gute Rolle, auch hier in Rom, auch international.

Freitag war ich mit BDKJ-Leuten aus Erfurt und Mainz im Deutschen Pilgerzentrum verabredet. Es war der für mich härteste Arbeitstag der Synode – und dann war es schlicht und einfach gut, mit intelligenten jungen Leuten ins Gespräch zu kommen, die ernsthaft interessiert sind, ohne verkniffen zu sein, im Gegenteil: Wir haben viel gelacht. Neugierig, kritisch, skeptisch – und aufgeschlossen: das ist eine großartige Mischung. Die Kirche so weiterzuentwickeln, dass die Resonanzräume für diese Christenmenschen größer werden: das ist die vielleicht wichtigste Aufgabe meiner Generation, habe ich mir noch einmal wieder gedacht. 

Nach dem Austausch wurde ich noch in ein Restaurant eingeladen, wo wir ausführlich Gelegenheit hatten, den Erfurter Katholikentag nachzubesprechen: Für mich war es sehr motivierend, wie begeistert, aber auch reflektiert diejenigen erzählt haben, die sich rund um die Uhr vor Ort für das Jugendprogramm eingesetzt haben. „Es war wie in einem Fiebertraum“ sagte einer, an dessen hellwachem Verstand keinerlei Zweifel erlaubt sind. Und jetzt geht es in Thüringen weiter: mit dem Einsatz für Demokratie, gerade auch in der Jugendarbeit. 

Samstag gab es um 18 Uhr als Vorabendmesse einen Jugend-Gottesdienst in der „Anima“, nahe der Piazza Navona. Es ist die Kirche der „Deutschen“ – in einem Sinn des Wortes, der nichts mit Nationalismus zu tun hat. Österreich ist in der Vorhand. Es gibt eine deutschsprachige Gemeinde – und eine gastfreundliche Kirche. 

Viele waren gekommen. Den Kern bildet der BDKJ mit seinen Partnerorganisationen: Deutschland (D), Österreich (A), Schweiz (CH) und Südtirol (S) kommen im DACHS-Bau zusammen. Der ist mobil – auch in der „Anima“. Auch die Gruppen aus Mainz und Fulda waren wieder dabei, und viele andere mehr. 

Zuerst der Gottesdienst in der prächtigen Kirche: Viele haben im großen Altarraum Platz gefunden, aber auch das Kirchenschiff war gut gefüllt. Georg Bätzing stand der Eucharistiefeier vor. Seine Einladung: Wir hören das Evangelium des Tages zweimal. Zuerst hat es Bischof Stefan Oster sozusagen liturgisch offiziell verkündet; dann hat es eine Delegierte aus Österreich noch einmal vorgelesen. So habe ich endlich das „Evangelium Jesu Christi“ mit einer weiblichen Stimme gehört – und konnte mich noch einmal auf die Geschichte vom reichen Mann konzentrieren, der sich nicht entscheiden kann, loszulassen, um Jesus nachzufolgen. Und von den Jüngern, die merken, dass nicht das Problem von anderen, sondern ihr eigenes verhandelt wird. Danach hat Bischof Georg zu einem Schriftgespräch im Kirchenraum eingeladen, so wie man gerade zusammenstand oder -saß. Welches Wort ist bei mir haften geblieben? Was löst es bei mir aus? Gute 10 Minuten: ein intensiver Glaubensaustausch in der Kirche. Ich habe gedacht: So geht Kirche auch. In großer Freiheit, ohne Regelverletzung. 

Im Anschluss dann eine Versammlung in der großen Bibliothek der „Anima“. Hervorragend organisiert, einschließlich Pizza- und Getränkeservice. Acht Stuhlkreise waren schnell aufgestellt, in jedem ein deutschsprachiges Synodenmitglied. Alle 20 Minuten konnten die Teilnehmenden wechseln. Also für mich: drei intensive Gesprächsrunden mit präzisen Rückfragen zum Prozess und zum möglichen Ergebnis der Weltsynode. Und mit einem echten Austausch: Was kommt von der Weltsynode bei Euch, bei Ihnen an, was nicht? Eine große Schlussrunde mit kurzen Beiträgen der Acht aus der Synode: Was nehme ich mit? Was möchte ich mitgeben? Ich habe mitgenommen, wie lebendig die Kirche in Europa ist. Und habe aufgenommen, was eine Teilnehmerin gesagt hat: Ich schäme mich nicht, den Traum einer Kirche zu haben, in der alle willkommen sind. Und ich weiß, dass es darauf ankommt, Schritt für Schritt voranzukommen. 

Notiz des Tages

Synode plus: Zukunftsfragen sollten besser mit denen besprochen werden, die es vor allem angeht, weil sie die Zukunft sind. Die jungen Leute innerhalb und außerhalb der Synode verstehen schon, dass sie von Erfahrung profitieren können. Aber diejenigen, die jetzt dran sind, weil sie Sitz und Stimme in der Synode haben, sollten möglichst eng im Austausch mit der nachfolgenden Generation stehen. Das hält nicht nur selber jung. Es erhöht auch die Chancen, die richtigen Entscheidungen zu treffen. 

Synode mit Söding - Tag 11

vom 12. Oktober 2024

Die Synode arbeitet auch samstags: am Vormittag. Es geht einfach weiter im Text, so ermüdend es auch für viele ist. Disziplin ist nicht schlecht. Wir sind bei den „Wegen“. Wie gut und wie schlecht die Methode der „Gespräche im Geist“ ist, zeigt sich immer deutlicher – ich werde in der nächsten Woche einmal ausführlicher darüber schreiben. Gestern habe ich vatican news ein Interview gegeben. Das Verhältnis von decision taking und decision making (schlechtes Englisch) steht im Fokus. Auch darüber später mehr, wenn sich deutlicher zeigt, wohin hier die Reise geht. 

Heute will ich über die Kaffeepausen sprechen. Vormittags: immerhin eine halbe Stunde.

Zuerst verrate ich ein Betriebsgeheimnis: dass ich einen kleinen, verschwiegenen Platz kenne (aus meinen früheren Synoden), wo man im Gebäude einen richtig guten „caffè“ – ich sage da nicht: „Espresso“ – bekommt. Den gönne ich mir – und weiß, dass ich dort am richtigen Platz bin, weil auch die Schweizer Garde und andere vom „Staff“ sich dort versorgen. Sonst steht man sehr lange in der Schlange – und (wie soll ich sagen?): bekommt auch etwas zu trinken.

Dann geht es für mich ins Foyer. Die Pause ist enorm wichtig für Seitengespräche. Kardinal, Facilitator, Theologin, Weihbischof., Lehrerin, Studentin, Sozialarbeiter: Im Foyer stehen sie in kleinen Gruppen schön gemischt zusammen, meistens in spontan gebildeten Sprachzirkeln. Es geht um vieles, meistens aber um das, was gerade auf der Tagesordnung steht. Einige werden gelobt, weil sie gerade in der Aula gesprochen haben, andere bestärkt, sich zu Wort zu melden.

Heute habe ich zuerst mit einem Bischof aus Pakistan gesprochen. Die Christen sind dort eine ganz kleine Minderheit. Aber sie wächst. Es ist eine Kirche der Wenigen, aber der Jungen, die ihr Leben vor sich haben. Die Mehrheitsgesellschaft ist muslimisch geprägt. Würde der Koran wirklich befolgt werden, gäbe es Freiräume. Aber (so mein Kenntnisstand) der Druck durch den Fundamentalismus, der sich politisiert, nimmt zu. Für den Bischof ist klar: Eine Verhärtung wäre ganz falsch. Es gilt, die Möglichkeiten gut zu nutzen, die sich in der gegebenen Situation zeigen: Wie geht Katechese, wie kann man den Gottesdienst feiern? Wie kann trotz schwacher Kräfte Sozialarbeit organisiert werden? Was kann die Kirche zum Frieden beitragen? Es sind die uralten und ewig neuen Fragen, die in Pakistan beantwortet müssen; es sind Antworten, die dort gegeben werden müssen – für die Gläubigen in Pakistan ist wichtig, wie es für die katholischen Kirchenmitglieder in Deutschland wichtig ist, dass aus unseren Möglichkeiten das Beste gemacht wird. Wenn es gut läuft, profitiert die ganze Gesellschaft, so unterschiedlich sie in Pakistan und in Deutschland ist. Und wenn es schlecht läuft, dann gibt es Kritik an der Kirche – vollkommen zu Recht. Aber dann muss es besser werden. Und wie: das ist die Frage.

Ein zweites Gespräch habe ich mit einem Delegierten aus Neuseeland geführt, einem pastoralen Sozialarbeiter, der zu den „nicht-bischöflichen“ Synodenmitgliedern aus seinem Erdteil „Australien und Ozeanien“ gehört. Gestern war er an dem „language table“, den ich als Theologe begleitet habe. Er erinnert immer wieder daran, wie wichtig für die Zukunft der Kirche die Bewältigung der Klimakrise ist. Sie beeinträchtigt jetzt schon erheblich das Gemeindeleben, vor allem in Ozeanien. Am wichtigsten ist, die Horizonte des theologischen Denkens und Betens, vor allem aber auch des Arbeitens zu weiten: „Natur“, „Schöpfung“, „Ökologie“ – es sind vor allem Stimmen aus Asien, Australien, Neuseeland und Ozeanien, die das Thema hochhalten. Europa muss aber vor allem liefern, neben den Vereinigten Staaten und Kanada. Das Thema wird noch deutlicher auf die Tagesordnung rücken, wenn die Synode mit dem „Instrumentum laboris“ weiter voranschreitet. Wir werden sehen, ob es bei Appellen bleibt, was andere tun sollen, oder man sich auch selbst verpflichtet.

Das dritte Gespräch – es hatte schon geläutet, dass die Sitzung wieder beginnen soll (aber ich weiß, dass ich dann Zeit habe, rechtzeitig da zu sein, wenn ich auf dem ziemlich langen Weg durch die gigantische Synodenaula mit ihren hunderten von Stuhlreihen nicht trödele) –habe ich mit Kate aus Ohio geführt, die hier in Rom zu einer geistlichen Gemeinschaft gehört. Sie ist im Staff für Social Media zuständig, speziell den Spanisch sprechenden Teil des katholischen Kosmos. Auf „Tiktok“ habe man sich versucht, erzählt sie – ohne große Resonanz. Twitter läuft viel besser – ist aber auch im Katholischen das aggressivste Medium. Die Kritik kommt stramm von rechts. Insbesondere P. Timothy Radcliff gerät ins Visier, so etwas wie der dominikanische Spiritual der Synode. Der Papst wird ihn zwar zum Kardinal ernennen, am 8. Dezember. Aber – oder deshalb – wird jeder seiner Hinweise darauf scharf kritisiert, wie offen, wie brüchig und überzeugend die Wege des Glaubens sind, die das Neue Testament nachzeichnet. Facebook und Instagram sind freundlicher, aber auch harmloser. Herzchen, fromme Emojis, viele „Amen“ … auch das ist eine Botschaft. Aber sie reicht nicht. Das ist hoffentlich allen klar. Die Kommunikationsarbeit des zuständigen Dikasteriums ist nach wie vor sehr restriktiv. Auch Social Media ist in einem engen Korsett.

Notiz des Tages
Die Synode findet auf mehreren Ebenen statt. Die Aula ist die wichtigste, das Foyer darf nicht unterschätzt werden. Offizielle Reden, inoffizielle Smalltalks, hoch (oder nicht ganz so) bedeutende Seitengespräche, Interviews, soziale Medien: All das bildet eine komplexe Einheit, Synode genannt. Sie ist ein Ereignis. Jetzt muss sie auch etwas bewirken. 14 Tage hat sie noch Zeit, auf den Punkt zu kommen.

Synode mit Söding - Tag 10

vom 11. Oktober 2024

Heute Abend findet um 19 Uhr eine ökumenische Vigil statt. Dann wird es wieder ruhig sein, nachdem schon am Morgen Hubschrauber rund um den Petersdom kreisten: Heute war der ukrainische Präsident Selenskyj zu Gast beim Papst. Hoffentlich hat das Gespräch etwas gebracht.

Die ökumenische Vesper ist nicht öffentlich, sondern nur für die Synodenmitglieder gedacht - anders als im letzten Jahr, als eine ökumenische Feier die inoffizielle Eröffnung der Synode war. Der Platz, an dem die Vigil heute stattfindet, ist symbolträchtig: Er liegt direkt vor dem Campo Santo, dem „deutschen Friedhof“, wie er zuweilen heißt, einem Gästehaus für Pilger mit einer uralten Tradition, die weit hinter die heutigen Nationalstaaten Deutschland, Österreich, Schweiz, Tschechien, Slowakei, Slowenien, Kroatien und Ungarn zurückreicht. Heute ist der Campo Santo auch ein Haus, in dem einige wenige Studenten unterkommen können, die zum Beispiel ihre Freisemester in Rom machen. Auch die Görres-Gesellschaft hat dort einen Stützpunkt. Im Moment ist die Mauer eingerüstet: Zeichen für dringenden Sanierungsbedarf.

Der Platz davor ist den ersten Märtyrern der Stadt Rom gewidmet – weil er direkt an das Gebiet grenzt, in dem der Zirkus des Nero war und einige Meter weiter die Katakomben beginnen. Es sind diejenigen, in denen auch das Petrusgedächtnis gepflegt wird: dort, wo sich der Petersdom erhebt.

Die Ökumene ist für die katholische Kirche und ihre Synode wichtig. Erstens sind – wie im vergangenen Jahr, aber noch mehr – „Delegati fraterni“ eingeladen, zweitens kommen sie auf der Synode zu Wort, und drittens entwickelt sich das katholische Synodalitätmodell besser, wenn es im ökumenischen Austausch steht.

Erstens: Aus der Orthodoxie ist das Ökumenische Patriarchat vertreten, das in Konstantinopel (Istanbul) seinen Sitz hat, das Patriachat „von Alexandria und ganz Afrika“ (von Ägypten aus gesehen), das serbische, das rum-orthodoxe Patriarchat und das syrisch-orthodoxe Patriarchat von Antiochia und dem gesamten Orient, auch die armenische und die koptische Kirche sind hier, ebenso die malankarische aus Indien. (Es fehlt bezeichnenderweise die russisch-orthodoxe Kirche.) Alle Delegierten sind weltgewandte Geistliche, die viele Sprachen sprechen und ihre Tradition hochhalten, ohne sie zu verabsolutieren. Aus der westlichen Welt sind die anglikanische Kirche vertreten, der lutherische, der methodistische, der baptistische und der mennonitische Weltbund, überdies die pentekostale „Fraternite“ und die „Disciples of Christ“. Alle evangelischen Kirchen und Gemeinschaften schicken engagierte Vertreterinnen und Vertreter, die in verschiedenen ökumenischen Dialogen mit der katholischen Kirche große Erfahrungen haben. Derzeit geht in der Ökumene mit dem Protestantismus leider wenig voran, weil es neue Identitätsinteressen auch auf katholischer Seite gibt und weil die Pluralisierung in den evangelischen Welten Bündnisse, die auch bei ethischen Fragen halten, schwieriger macht. Desto mehr ist zu hoffen, dass die Teilnahme an der Synode auch auf katholischer Seite einen Lerneffekt auslöst: wie reflektiert und eloquent, wie engagiert christlich die evangelischen Glaubensgeschwister sind.

Zweitens: Die „geschwisterlichen Delegierten“ haben mehr Rechte als bei früheren Versammlungen der katholischen Kirche. Sie sitzen mit an den runden Tischen. Sie können sich gleichberechtigt an den Beratungen beteiligen. Sie dürfen sogar die „relatori“ mitwählen. Sie können nur nicht gewählt werden. Sie haben in den Generalversammlungen dasselbe Recht, das Wort zu ergreifen, wie die katholischen Delegierten. Nur können sie nicht mit abstimmen. Tatsächlich haben schon viele von ihnen in der großen Aula gesprochen und ihre ökumenischen Anliegen mit den synodalen Themen verbunden. In den Pausen spreche ich oft mit ihnen. Sie erzählen ausnahmslos, dass sie sich vollauf willkommen fühlen und dass sie ihre Möglichkeiten, aktiv teilzunehmen, sehr gerne nutzen.

Drittens: Sowohl die Orthodoxie als auch der Protestantismus kennt Synoden, allerdings sehr unterschiedlich. Die katholische Kirche hat Synoden erst nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil wiederentdeckt, und zwar als Bischofssynoden, die den Papst beraten. Die jetzige Synode dient der Weitung dieses Ansatzes: Wie viel Mitspracherechte haben Priester und Diakone, wieviel Ordensleute – und vor allem: wie viel Rechte haben Delegierte aus der Mitte der Vereine und Gemeinden? Für die Orthodoxie sind Synoden als Bischofsversammlungen typisch, die etwas zu entscheiden haben – so schwer oft die Einigung und die Umsetzung fallen. Der Protestantismus kennt Synoden als eine Art Kirchenparlamente, in denen Beschlüsse gefasst werden. Auch zu Lehrfragen, ohne, dass immer ganz klar ist, wie sich die Autorität von Synoden zu derjenigen von Kirchenleitungen verhält, die in vielen dieser Gemeinschaften weit mehr sind als legislative Umsetzungsorgane, sondern, im Fall des Anglikanismus und, etwas anders getaktet, des Luthertums, ein eigenes Bischofsamt haben. Katholische Synodalität wird immer eine mit dem Papst und mit Bischöfen und Priestern sein. Dass sie bislang ohne eine entscheidende Stimme des Kirchenvolkes auskommt, ist eine strukturelle Schwäche, die historisch bedingt, aber keineswegs theologisch konsequent ist.

Notiz des Tages
Synodalität ist keine spontane Idee von Papst Franziskus, sondern eine ökumenische Tradition, die auf katholisch neu mit Leben erfüllt werden muss. Sie kann vom geschwisterlichen Austausch nur lernen. Sie wird nicht weniger katholisch, wenn sie sich mehr ökumenisch öffnet. Es wird konfessionelle Unterschiede weiterhin geben. Aber Synoden ökumenisch zu denken, ohne jede Form von Gleichmacherei – das ist die Zukunft.

Synode mit Söding - Tag 9

vom 10. Oktober 2024

Gestern Abend fanden die beiden ersten theologisch-pastoralen Foren statt. Das eine zum Thema: „Il Popolo di Dio, soggetto della missione“, im großen Hörsaal des Jesuiten-Generalats, Borgo Santo Spirito 4, das andere zum Thema „Il ruolo e l’autorità del Vescovo in una Chiesa sinodale“ im Augustinianum, direkt den Kolonnaden gegenüber. Beide Foren waren für Interessierte geöffnet, beide sehr gut besucht. Auch von Synodenmitgliedern, die lange Beratungstage hinter sich haben und jede Menge Geduld mitbringen müssen. Man konnte Italienisch, Englisch und Spanisch sprechen; es gab eine Simultanübersetzung, in der Jesuiten-Aula via Zoom. 

Ich selbst war beim 1. Forum dran. Das Volk Gottes als „Subjekt“ der Mission. Vielen scheint das nicht geheuer zu sein. In der französischen Einladung war jedenfalls vom „object“ die Rede. So kann man sich täuschen, wenn man alten Denkmustern verhaftet bleibt, die eine „lehrende“ strikt von einer „lernenden“ Kirche unterscheidet und das Lehren allein dem „Amt“, das Lernen allein dem „Volk“ zuweist. Die französische Version der Einladung war sozusagen ein Freud’scher Verschreiber, sicher nicht böse gemeint, aber verräterisch. „Subjekt“ – das heißt: Glaube in Freiheit, Zeugnis im eigenen Namen, Zusammenhalt aus eigenem Antrieb. Ein anspruchsvolles Programm, wie einer der Teilnehmer sagte: aber die Grundintention des Christentums, getragen von der Verheißung des Geistes, die es in jeder Kultur neu zu entdecken gilt. 

Klara Csiszar, eine theologische Expertin der Synode, hatte die Moderation. Sie ist Pastoraltheologin an der Katholischen Universität Linz. Sie ist eine der wichtigsten Brückenbauerinnen zwischen Ost und West, Nord und Süd im synodalen Europa. Dem ZdK ist sie von der Vollversammlung in Erfurt her bekannt: als sie der katholischen Kirche in Deutschland riet, häufiger einmal ein lächelndes Gesicht zu zeigen – um auch andere davon zu überzeugen, dass es gut ist, auf dem Synodalen Weg dabei zu sein. 

Vier Beiträge gab es, jeweils 10-15 Minuten. Ich selbst habe mit dem Neuen Testament begonnen: Jesus missioniert nicht allein, sondern beruft und befähigt alle, das Evangelium zu bezeugen. Ormand Rush, auch ein theologischer Experte der Synode, hat eine Systematisierung vorgeschlagen: Das Volk Gottes, das eine „Mission“ hat (klingt auf Englisch besser als auf Deutsch), ist ein Volk, das hört, was die Stunde geschlagen hat; es weiß, wie die Zeichen der Zeit zu deuten sind und was es heißt, Kirche vor Ort zu sein. In diesem Sinn ist es, dem Zweiten Vatikanischen Konzil folgend, wie ein „Sakrament“, das heißt. ein Zeichen und Werkzeug, das der Einigung dient: unter den Menschen durch die Versöhnung mit Gott. Aus Piacenza war die italienische Kirchenrechtlerin Donata Horak angereist. Sie analysierte glasklar die Schwächen des gegenwärtigen Kirchenrechts: dass es dem Volk Gottes nur eine beratende, nicht aber eine entscheidende Stimme gibt. Sie forderte auch, dass die Weltsynode künftig mit deutlich mehr Frauen besetzt sein müsse, wenn die katholische Kirche nicht ihren eigenen Ansprüchen hinterherhinken wolle. Zum Schluss sprach Bischof Lúcio Andrice Muandula aus Mosambik, einem der ärmsten Länder der Welt. Er hat in Rom studiert und im Päpstlichen Bibelinstitut den Doktorgrad erworben. Er setzte mit einer biblischen Meditation ein, um dann vor allem ein Loblied auf die Pfarreien zu singen, in denen das Glaubensleben blühe. 

Die Veranstaltung wurde gestreamt; sie ist auf Youtube und anderen Kanälen nachzuverfolgen. Insgesamt haben schon Tausende den Stream geklickt: sage noch einer, Theologie interessiere niemanden. Ernster gesprochen: Theologie wird gebraucht – nicht eine, die nur Normenparaphrase betreibt, auch keine, die Illusionen macht oder nur Forderungen stellt, aber wohl eine, die präzise herausarbeitet, welche Impulse aus der Heiligen Schrift und der Tradition unabgegolten sind, sodass sie die heutige Gestalt des Glaubenslebens bereichern können, und welche Signale aus der gegenwärtigen Kultur und Wissenschaft die Glaubensfragen anspitzen und anreichern können. 

Heute arbeitet die Synode in der großen Aula an den runden Tischen daran, auf zwei Seiten ihre Impulse aufzuschreiben, die in den Schlusstext einfließen können: diesmal zu den „Beziehungen“, dem ersten Abschnitt des Hauptteiles. Zur Arbeitsweise, zu Stärken und Schwächen der Methode später mehr. Eines sei vorweggesagt: So schlecht, wie er von interessierten Kreisen hier in Rom oft gemacht worden ist (und teilweise immer noch wird), war der Synodale Weg in Deutschland mit seinen fünf lebendigen Vollversammlungen und den ruhigen Sitzungen des Synodalen Ausschusses jetzt auf keinen Fall. 

Notiz des Tages: 
Die Synode braucht den Austausch – nicht nur die Erfahrungen aus der Praxis, sondern auch den Zugang zum Denken. Dass sich gestern so viele aus der Aula auf die theologischen Foren begeben haben, ist ein gutes Zeichen. Aber auch umgekehrt: Der Theologie tut es gut, nicht abgehoben, sondern geerdet zu sein – und zwar genau dort, wo die Vaterunserbitte real wird: „wie im Himmel so auf Erden“ (Mt 6,10).

Synode mit Söding - Tag 8

vom 9. Oktober 2024

Europa erscheint den wachsenden Kirchen Afrikas und Asiens oft erschöpft und müde; die positiven Entwicklungen würden bei ihnen stattfinden. Auch aus Europa hört man hier in der Synode diese Selbsteinschätzung, sogar von Kardinal Christoph Schönborn, dem Erzbischof von Wien, in einem Interview heute.

Aber es gilt, genauer hinzusehen. Zum einen haben Vertreter aus dem Globalen Süden auch in der Aula mehrfach beschrieben, dass sich die katholische Kirche bei ihnen durchaus schwertut, im Kontakt mit den jungen Leuten zu bleiben. Es ist nicht mehr so, dass überall in Afrika und Asien die Kirche blüht, es ist vielmehr so, dass sich überall Schwierigkeiten zeigen, Kirche „heute“ zu sein. Ja, es gibt ein Wachstum der Kirche, vor allem durch den Kinderreichtum katholischer Familien. Aber es gibt auch sehr viel Elend, das nicht verschwiegen werden darf und in der Synode auch zur Sprache kommt: Ausbeutung, Kinderarbeit, Zwangsehen, Missbrauch. Gott sei Dank gibt es kirchliche Initiativen, die das Evangelium durch Sozialarbeit verbreiten – eine uralte Form, die immer aktuell sein wird. Es bleibt eine solidarische Aufgabe der Kirche in Europa, nicht zuletzt in Deutschland, diese Initiativen zu unterstützen, die sehr oft von Frauen getragen werden. 

Zum anderen gibt es in Europa nicht nur Ab-, sondern auch Aufbrüche. Die Herausforderungen durch die globalisierte Säkularität sind immens; andere Erdteile haben sie noch vor sich. Aber man braucht vor der Religionskritik nicht in die Knie zu gehen; man muss und kann sich ihr stellen. Seit der Aufklärung ist die Christenheit zwar in der intellektuellen Defensive. Sie hat aber immerhin gelernt, dass sie mit Rechthaberei nichts gewinnen kann. Europa steht für das Bündnis von Glaube und Vernunft.

Gestern habe ich drei europäische Momente erlebt, die ein Schlaglicht auf die katholische Kirche in Europa werfen.

Morgens ging es darum, sieben Mitglieder des „Redaktionskomitees“ zu wählen, eine Art Aufsichtsrat für den Schlusstext. Sieben Mitglieder werden direkt aus der Versammlung gewählt, und zwar nach den sieben Kontinenten der katholischen Kirche separat: Australien und Ozeanien, Asien, Mittlerer Osten, Afrika, Südamerika, Nordamerika und Europa. Es gab keine Vorgaben, niemand kandidierte offiziell, jedes Mitglied konnte gewählt werden. Afrika hatte sich offenbar abgesprochen: Der Vorsitzende der Bischofskonferenz (SECAM), Kardinal Fridolin Ambongo Besongo erreichte im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit. Europa brauchte drei Wahlgänge. Ein Grund: Europa hat immer noch bei weitem die meisten Mitglieder – über 100. Ein anderer Grund: Europa ist sehr divers – sprachlich, kulturell, politisch. Gewählt wurde schließlich Kardinal Jean-Marc Aveline von Marseille. Er hat schon in der Generalversammlung I vor einem Jahr eine Schlüsselrolle gespielt. Ein Franzose, ein Mensch des Mittelmeeres, ein Geistlicher – und ein Brückenbauer: eine gute Wahl. Nach wie vor ist für die katholische Weltkirche Europa sehr wichtig; nach wie vor ist für Europa die Kirche wichtig. Europa braucht geistliche Menschen, die denk- und sprachfähig sind, nicht nur Geweihte, aber gerne auch solche, die Priester, Bischof und Kardinal sind.

Auf dem Weg gestern Abend aus der Aula habe ich lange mit Massimiliano Palinuro gesprochen, dem katholischen Bischof von Istanbul. Die wichtigste Nachricht: Die Türkei gehört zu Europa – politisch nicht, aber kirchlich schon. Alle können in den Zeitungen lesen, wie stark die Demokratie unter Druck steht und wie wichtig es ist, dass die kleine christliche Minderheit ihren Ort findet. Über Politik haben wir auch gesprochen, aber für die Synode ist zweierlei besonders wichtig: In Europa kann das Christentum, kann die katholische Kirche, Mehrheit oder Minderheit sein; sie muss ihre Rolle teils in autokratischen, teils in demokratischen Systemen suchen und finden. Sie kann das – wenn sie realistisch bleibt. Und es braucht nicht nur die offiziellen Amtsträger, sondern die vielen, die sich einsetzen. Wir sprachen übrigens auch über Paulus und die Mission Kleinasiens und die weiblichen Diakone dort. Sogar in den Pastoralbriefen, die sehr patriarchalisch sind, kommen sie vor. Der Erste Timotheusbrief erwähnt sie (3,11). Er ist nach Kleinasien gerichtet, in die heutige Türkei. Deshalb ist es mir eine besondere Freude, dass auch der katholische Bischof dort keinen Zweifel hat: In der Bibel sind nicht Frauen von Diakonen, sondern Frauen als Diakone gemeint.

Der Abend war einem Empfang gewidmet, den der Rat der Europäischen Bischofskonferenzen (CCEE) in den Vatikanischen Museen ausgerichtet hat. Vielen gilt sie als schwach. Aber gestern – ich gestehe, dafür empfänglich zu sein – war es ganz stark, in einer kleinen Gruppe durch die Sixtinische Kapelle geführt zu werden und in einem der schönsten Museumsflügel, bewacht von antiken Statuen, ein feines Mahl einzunehmen. Das ist Europa auch: fromm und weltgewandt, stark in der profanen wie der sakralen Zeichensprache, offen für die Aufnahme von Philosophie und Technik, Wissenschaft und Kunst, nicht nur auf sich selbst bezogen, sondern mitten in der Welt zuhause, so stark das Herz des Glaubens schlägt.

Heute war vormittags wieder Generalaussprache. Heute Nachmittag wurde im Petersdom eine Eucharistie im maronitischen Ritus gefeiert: Europa benachbart, aber dort zuhause, wo Jesus herkommt und sich die frühesten Gemeinden gebildet haben. Heute eine Landschaft aus Schreien: voll Leid und voll unbändiger Hoffnung. Paul Rouhana hat gepredigt, mit dem ich von 2004-2014 zusammen in der Internationalen Theologischen Kommission gewesen bin. Er ist Patriarchalvikar der maronitischen Kirche von Sarba im Libanon. In seiner Predigt sagte er: „Es fließt Blut, es fließen Tränen, die Wut nimmt zu, ebenso wie der Wunsch nach Rache, während es scheint, dass sich nur wenige um das kümmern, was am nötigsten ist und was die Menschen wollen: Dialog, Frieden. Ich werde nicht müde zu wiederholen, dass Krieg eine Niederlage ist, dass Waffen die Zukunft nicht aufbauen, sondern zerstören, dass Gewalt niemals Frieden bringt. Die Geschichte beweist es, und doch scheinen uns Jahre und Jahre der Konflikte nichts gelehrt zu haben.“

Europa scheint auch auf der politischen Weltbühne schwach zu sein. Darf aber nicht resignieren, sondern muss politische Nächstenliebe üben. Die Kirche als Treiber? Das wäre eine echte Sendung.

Notiz des Tages

Europa braucht die Synode – und die Synode braucht Europa. Michelangelo malt die „Sibyllen“ in die Sixtina, gleichberechtigt mit den Propheten. Alle sind Frauen, alle ursprünglich „heidnisch“. Aber alle vermitteln das Wort Gottes: gerade auch denen, die meinen, schon ganz lange ganz fest zu glauben. Eurozentrismus ist von übel, aber die Glaubenswurzeln Europas sind nicht abgestorben. Sie müssen gehegt und gepflegt werden. 

Nachtrag:
Heute Abend ist das erste Theologisch-pastorale Forum der Synode. Ich werde dort über „The people of God as subject of the mission” sprechen. Morgen mehr dazu.  

Synode mit Söding - Tag 7

vom 8. Oktober 2024

Es ist die vierte Weltsynode, an der ich als theologischer Experte teilnehme. Nicht nur die Themen, auch die Kontexte der Synode haben sich stark verändert. Früher, erinnere ich mich, haben traditionelle und traditionalistische Gruppen die Bilder rund um die Synode zu beherrschen versucht, angeführt von den „Legionären Christi“ und anderen geistlichen Gemeinschaften, die den Eindruck erwecken wollten, so etwas wie die Elite der Kirche zu sein. 

Seit dem letzten Jahr, der ersten Generalversammlung zum Thema Synodalität, hat sich das Bild verschoben – und jetzt, in diesem Jahr, bei der zweiten Generalversammlung, noch einmal mehr. Die Traditionalisten sind abgetaucht. Sind aber nicht weg, sicher warten sie auf „bessere“ Zeiten. Aber andere sind da: viele Reformgruppen. Sie unterstützen diejenigen, die jetzt Türen öffnen und durch sie hindurchgehen, mögen es auch zu wenige sein.

An den vielen Orten rund um die Synodenaula wird klar, dass die katholische Kirche nicht mehr einfach durch Bischöfe repräsentiert wird. Es gibt aus vielen Ländern dieser Erde katholische Gruppierungen, ältere wie neuere, die Flagge zeigen: am nachhaltigsten, wenn sie nicht nur trommeln und Fahnen schwenken, sondern Orte anbieten, an denen Synodenmitglieder in ein echtes, Gespräch mit Menschen kommen, die ernst mit dem machen, was Papst Franziskus als Losung ausgegeben hat: Die Peripherie ist das Zentrum.

Heute ist der gesamte Synodentag mit freien Wortbeiträgen gefüllt, die auf jene sieben Leitfragen zu den „Beziehungen“ reagieren, die gestern formuliert worden waren, nachdem die „Sprachtische“ ihre Berichte abgegeben hatten. Dort habe ich noch zwei Stunden zu helfen versucht, 8 verschiedene Relatoren aus den „circuli miori“, die alle klare Vorstellungen und viele gute Ideen hatten, zu einer problemorientierten Fokussierung zu führen, die der Synode als Ganzer hilft, voranzukommen. Ergebnis? Ein Teilerfolg. 

In der Mittagspause habe ich die Chance wahrgenommen, ein paar Minuten hinauszugehen: in die Aula der zentralen Jesuitenniederlassung, des Generalates. Dorthin, sozusagen in die weltweite Kommandozentrale des Ordens, hat James Martin gebeten, Jesuit aus New York, bekannter LGBTQ-Seelsorger: zu einer Veranstaltung, die ein internationales „Out in Church“ trägt. James Martin war vor einiger Zeit digital zugeschalteter Gast auf der ZdK-Vollversammlung: ein Mann mit Autorität. Auch bei denen, die sein Engagement skeptisch sehen. Um 13 Uhr gab es etwas zu essen, danach fand ein Podium im großen Hörsaal der Jesuiten statt. 

Aus der Synode zu diesem Treffen zu gehen, ist ein Statement. Es machen nicht allzu viele, aber doch einige. Das Eröffnungsgebet sprach Kardinal Stephen Chow Sau-yan, Bischof von Hongkong. Das Schlussgebet sprach Julia Oselka, eine amerikanische Studentin, das jüngste Mitglied der Synode. James Martin moderierte das Podium, auf dem vor Ort Juan Carlos Cruz aus Chile, Janet Obeney-Williams aus England und Christopher Vella aus Malta saßen, während Dumisani Dube aus Zimbabwe und Joanita Warry Ssenfuka aus Uganda im digitalen Raum zugeschaltet wurden. Sie alle sind stark engagiert, Juan Carlos Cruz z.B. als Mitglied der Päpstlichen Kinderschutzkommission. Sie alle legten Zeugnis ab: von ihrer Geschichte, von ihrem Glauben, von der Diskriminierung, der sie ausgesetzt sind, von der Befreiung, die es für sie bedeutet, sich selbst als LGBTQ-Person mitten in der Kirche zu erkennen und darin Anerkennung zu erfahren. Für sie alle ist Rom als katholische Zentrale wichtig – und die Synode, auf die sie ein wenig Hoffnung setzen. 

Dass die katholische Queer-Bewegung in den Vereinigten Staaten stark ist, ist bekannt. Das Meeting hat noch einmal gezeigt, dass nicht nur in ökonomisch entwickelten Ländern die LGBTQ-Community präsent ist, sondern weltweit. Erfahrungsberichte waren zu hören, teils beschämend; Glaubenszeugnisse, die immer wieder motivieren, waren zu hören; Forderungen nach Gerechtigkeit, Anerkennung und Teilhabe wurden laut, mehr als begründet. „Die katholische Kirche ist meine Heimat“, erklärte Joanita Warry Ssenfuka, sie lasse sich nicht herausdrängen, weil andere, auch hochrangige Kirchenleute, ihr absprechen, in der Kirche so zu sein, wie sie ist: Jesus, der die Nächstenliebe gelehrt hat – um seinetwillen sei sie in der Kirche. „Er hat mich geheilt“, sagt Dumisani Dube aus Zimbabwe. „Ich wurde missbraucht, warum habe ich das zugelassen?“, diese Frage habe ihn fast umgebracht, erzählte Juan Carlos Cruz, aber er habe entdeckt, dass Jesus ihn bedingungslos liebe. Und fragte, wo die Bischöfe seien, wenn in Staaten wie Uganda die Diskriminierung verschärft wird, bis hin zu drakonischen Strafen. „Talk to us“, war die Forderung von Christopher Vella an die Synode. Und Janet Obeney-Williams, Ärztin von Beruf, öffnete den Blick für Frauenrechte: „Die Zeit, da es uns gefreut hat, Kekse backen zu dürfen, ist vorbei.“ 

In der Synodenaula sind die kulturellen Unterschiede allerdings sehr stark. Immer wieder wird gesagt, wie sehr sich die katholische Kirche bessern muss, um für die LGBTQ-Menschen ein Haus des Glaubens zu sein, in dem sie nicht etwa nur Gäste sind, sondern Eigentümer. Aber es gibt auch Stimmen, die nicht nur die Bewegung – angeblich eine pressure group – kritisieren, sondern auch in Abrede stellen, dass es Menschen mit ihrer sexuellen Orientierung jenseits des binären Codes überhaupt gibt. 

Hier ist viel zu tun. Die Synode wird nicht alle Probleme lösen. Aber durch sie darf die Antidiskriminierungsarbeit nicht geschwächt, sondern muss gestärkt werden. 

Heute Abend lädt die Europäische Bischofskonferenz in die Vatikanischen Museen zum Abendessen ein: Ich werde berichten.


Notiz des Tages: 
Die Schweizer Garden tun vorbildlich und freundlich ihren Dienst und trennen schön Drinnen und Draußen: wer rein darf und wer nicht rein darf. Aber die Gedanken sind frei. Der Austausch zwischen den Sphären ist entscheidend. Die LGBTQ-Initiative war ein Glücksfall für die Kirche und die Synode– auch wenn noch nicht alle Mitglieder verstanden haben, wie viel Glück sie in der katholischen Kirche haben.

Synode mit Söding - Tag 6

vom 7. Oktober 2024

Vor einem Jahr hat die Hamas Israel überfallen. Seitdem hat der Konflikt immer neue Eskalationsstufen erreicht. Nach wie vor sind bei weitem nicht alle Geiseln frei. Immer wieder gibt es unschuldige Opfer. Inzwischen droht ein Flächenbrand. 

Vor einem Jahr dachte ich am 7. Oktober, hier in Rom schlicht am falschen Ort zu sein. Tatsächlich tut sich die katholische Kirche, tat sich auch die Synode schwer, Position zu beziehen. Ein Grund: Die Christen im Nahen Osten – auch diejenigen aus Jordanien, aus dem Gaza-Streifen, aus dem Libanon, aus Syrien, aus Ägypten und dem Irak, die hier sind – haben eine eigene Perspektive auf die Konflikte. Die humanitären Organisationen, die auch in der katholischen Kirche stark sind, halten sich aus politischen Kontroversen heraus, um überall dort helfen zu können, wo es geht. Der Papst hat an verschiedenen Stellen, vor allem mit dem Islam, ein internationales Friedensnetzwerk der Religionen aufzubauen versucht. Alles was hilft, es enger zu knüpfen, ist willkommen. 

Mit den Juden sind die Christen als Geschwister verbunden, wie sich die katholische Kirche allerdings erst mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil deutlich gemacht hat. Dem Islam begegnen sie mit „Respekt“, so dasselbe Konzil in „Nostra Aetate“ („In unserer Zeit“). Ohne diese Klärungen würde, wie allzu oft in der Vergangenheit, das Christentum selbst Öl ins Feuer politischer Konflikte gießen, die religiös aufgeladen werden. Stille Diplomatie ist hinter den Kulissen wichtig. Aber es bedarf auch eines öffentlichen Wortes, das Selbstverteidigung von Aggressivität unterscheidet und die Angemessenheit der Mittel einklagt. 

Gestern fand nachmittags in Santa Maria Maggiore ein Rosenkranzgebet um Frieden statt. Der Papst hielt eine kurze Ansprache. Er ging auf keinen Konflikt direkt ein. Er betete: „Bekehre diejenigen, die Hass schüren, bring den Lärm der todbringenden Waffen zum Schweigen, lass die in den Herzen der Menschen schwelende Gewalt erlöschen und inspiriere die Regierenden der Nationen zu einem Handeln, das dem Frieden dient.“ Damit diese Bitten erhört werden, müssen die Religionen selbstkritisch analysieren, wo ihre eigene Gottesrede Hass schürt: durch Fundamentalismus, durch Selbsterhöhung auf Kosten anderer, durch die Verquickung religiöser Riten und Lehren mit politischen Machtinteressen. In der Synodenaula gibt es einen Gebets-, Fasten- und Almosentag. Heute Nachmittag gibt es eine Kollekte für die katholische Pfarrei in Gaza, die sich sehr für den Frieden auch mit den Muslimen und Juden einsetzt. 

Heute hat der Papst an die „Katholiken im Nahen Osten“ einen Brief geschrieben. Er tut nicht so, als wüsste er, wie Frieden gestiftet werden kann. Er will aber seine Solidarität mit allen Leidenden zum Ausdruck bringen – und schafft dies auch mit einfachen Worten. Er betet für den Frieden, nicht nur, aber auch wegen der kleinen katholischen Minderheit – nicht nur, aber auch in Gaza.

Die Synode hat am Montag die Arbeit fortgesetzt, in der bewährten Form. Es gibt eine spirituelle, theologische und praktische Einführung in Teil 1 des Haupttextes: Beziehungen. Dann kommt es wieder zu den Gesprächen an den Tischen, in derselben Form wie bei der „Grundlegung“. Erneut werden gegen 18 Uhr die 16 englischen Sprachzirkel mit ihren gewählten Beauftragten an zwei Sprachtischen in der Aula versammelt, daneben je einer für Französisch, für Italienisch und für Spanisch und Portugiesisch. Diesmal bin ich eingeteilt, einen der beiden englischen Sprachtische theologisch zu beraten. 

Da ich nicht weiß, wie lange die Arbeit heute gehen wird, kommt die SMS heute etwas früher. Morgen dann mehr über das, was an den „Language tables“ passiert.

Notiz des Tages:

Die Kirche muss sich mit ihrem Innenleben beschäftigen, um ihren Auftrag, Frieden zu stiften, zu erfüllen. Die alten Routinen funktionieren nicht mehr. Religionen sind als Brandstifter auf die Weltbühne zurückgekehrt. Sie müssen aber Feuerwehr sein – und, besser noch, Feuergefahr vorbeugen. Das geht nur, wenn es im Inneren Frieden gibt: keine Friedhofsruhe, sondern Gerechtigkeit in Freiheit. Ohne starke Synodalität wird es kaum gelingen, diesem Anspruch gerecht zu werden. 

Synode mit Söding - Tag 5

vom 6. Oktober 2024

Heute ist Sonntag, die Synode hat frei. Gelegenheiten, die Messe zu feiern, gibt es in Rom reichlich. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz ist in der „Anima“ an der Piazza Navona und predigt beim Festgottesdienst. 

Die Theologiegruppe muss ihre Arbeit erledigen. Alle Berichte, die gestern in den Tischgruppen abgestimmt worden sind, sind in einem Online-Ordner der Synoden-Cloud gespeichert. Gestern gegen 14 Uhr wurden sie freigeschaltet. Wir haben uns nach Sprachgruppen aufgeteilt. Die 16 englischen Berichte werden von 8 Mitgliedern, die Englisch als erste Synodensprache angegeben haben, durchgemustert. Die anderen Sprachgruppen tagen parallel. 

Zuerst habe ich die beiden Texte, die mir für den Auftakt zugeteilt worden sind, genau studiert. Dann habe ich weitere angeschaut, um einen besseren Überblick zu haben. Um 16 Uhr haben wir uns im englischen Sprachzirkel an der Via della Traspontina getroffen und bis 19 Uhr unsere Eindrücke ausgetauscht. Ziel: die wesentlichen Themen identifizieren und zuteilen, die in den „circuli minores“ diskutiert worden waren. 

Ich werde zwei Beiträge liefern, beide mit der Taufe verbunden. Zum einen: Wie hängen Taufe und Würde zusammen? Zum anderen: Welche Impulse gehen von der Taufe auf den gesamten Weg der Initiation aus, der Einweisung in den Glauben in der Kirche, mit der Firmung und der Eucharistie, aber auch mit der Bildung? Andere befassen sich mit Kategorien wie „reciprocity“, „Word of God“, „inclusion“ oder „mission“. „Women“ ist überall ein Hauptthema, auch bei mir. Gleiche Würde – gleiche Rechte? Wer diese Frage verneint, ist begründungspflichtig.

Wie im letzten Jahr gibt es klare Anweisungen für die „reporter“: Nicht mehr als 3.000 Zeichen soll jeder Bericht haben: Wo gibt es Gemeinsamkeiten, wo Differenzen? Wo werden Ausführungen des „Instrumentum laboris“ unterstrichen, wo kritisiert, wo sollten sie ergänzt und vertieft werden? Gute „Zitate“ aus den Tischgruppen sollen identifiziert werden, die für den Abschlussbericht in Frage kommen. Und es sollen persönliche Einschätzungen vorgenommen werden: Wo scheinen die Ausführungen der Kleingruppen besonders überzeugend, wo sind noch Schwachpunkte und Fehlstellen? Ein Beispiel: „Würde“ hat ein Mensch nicht erst durch die Taufe, sondern „von Geburt“ an, mithin als Mensch (auch schon vor der Geburt). Welche Bedeutung hat dann die Taufwürde? Wie verhält sie sich zur Menschenwürde? In der Bibel ist „Würde“ kein Leitwort, in der Tradition schon. Dort finden sich hervorragende Überlegungen, dass in der Taufe die Würde nicht konstituiert, sondern erschlossen und entdeckt wird. In der Synode ist nicht der Ort, einen philosophisch-theologischen Traktat zu schreiben. Aber klare Begriffe müssen sein. 

Dies alles geht an die „writers“, die dann aus den vielen Rückläufen einen ersten Aufschlag erstellen. Zwei italienische und zwei englische „native speaker“ teilen sich diese sehr anspruchsvolle Aufgabe. Sie müssen klare Hinweise in den theologischen „reports“ bekommen und jederzeit nachfragen können, wenn es angezeigt scheint, dass Bausteine (nach)geliefert werden.

Gestern Abend habe ich einen ersten Aufschlag für meine beiden Lieferungen erstellt. Heute Morgen – um 9 Uhr war die Eucharistiefeier im Haus – habe ich alle Berichte quer- und gegengelesen, um sicher zu sein, wirklich das Wesentliche erfasst zu haben. Sehr hilfreich ist, dass diesmal alle Texte aus den Tischgruppen als elektronische Dateien zur Verfügung stehen, so dass sie auch nach „keywords „durchgeschaut werden können. So wird nicht nur sichergestellt, dass nichts überlesen wird, was für die Synode wichtig ist. Es kann auch besser abgeschätzt werden, wie wichtig ein Thema für die Synode ist. 

Um 11 Uhr gab es eine kurze Videokonferenz mit den anderen Englischsprachigen. Danach bin ich noch einmal über die beiden Texte gegangen und habe sie dann in den Ordner hochgeladen, zu dem nur die „esperti“ Zugang haben. Um 15 Uhr war absolute Deadline für die Lieferung

Gerade erfahre ich, dass die Dateien gesichert und weitergeleitet worden sind. Damit ist die Sonntagsarbeit für die Synode erledigt. Rom lockt – aber direkt im Anschluss an die Synode habe ich auf einem großen Kongress noch einen Vortrag in der Päpstlichen Universität Gregoriana über „Reich Gottes und Kirche“ als Horizont von Synodalität. Und ein Manuskript habe ich noch nicht. Also … 

Heute Abend ist die deutsche Delegation in der eben gastfreundlichen wie intellektuell aufgeschlossenen Deutschen Botschaft beim Heiligen Stuhl eingeladen. Es gibt also nicht nur synodale Schwerarbeit zu leisten, sondern auch christliche Leichtigkeit zu genießen. 
 

Notiz des Tages
Sonntags soll man Gutes tun - hat Jesus im Blick auf den Sabbat gesagt. Ausspannen tut gut - und theologische Gedanken zu finden, die anderen gut tun, nicht zuletzt der Synode, ist auch nicht schlecht. Am besten ist die richtige Kombination. Ob es gelingt? Das wird der Alltag zeigen.

Synode mit Söding - Tag 4

vom 5. Oktober 2024

Die Synode arbeitet, auch am Samstagvormittag. Es sind wichtige Stunden. 

Zuerst gibt es eine Entscheidung: Dass es in den Tischgruppe und im Foyer, aber auch außerhalb der Synodenaula lautes und leises Grummeln gab, weil ohne jede Absprache die 10 Studiengruppen eingerichtet worden sind und weil es am letzten Mittwoch keine Gelegenheit zur Aussprache gegeben hat, ist dem Synodensekretariat nicht verborgen geblieben. Es reagiert. Am 18. Oktober hätte die Generalsynode nachmittags frei gehabt (während die Textarbeit am Schlussdokument vorangetrieben wird). Jetzt werden die Sprecher und Sprecherinnen aller zehn Studiengruppen vor Ort sein: Es wird Diskussionen geben, es ist ein Austausch geplant. Das genaue Procedere wird noch geklärt werden. Es ist zwar keine Aussprache in der Generalversammlung vorgesehen, aber es ist ein erster Schritt. Nicht alle Synodenmitglieder sind begeistert. Aber eine Dreiviertelmehrheit stimmt dem Vorschlag zu. Ein erster Schritt. 

Dann geht es ans Eingemachte. Alle Tischgruppen schauen sich noch einmal an, was sie vor zwei Tagen geschrieben haben und was über den Filter der Sprachtische in die Gesamtversammlung eingebracht worden ist. Alle reflektieren, was sie in den vielen Beiträgen des gestrigen Tages gehört und nicht gehört haben. Alle müssen sich auf einen gemeinsamen Text einigen, der die Resultate der Gruppenarbeit sichert: Was soll in das Schlussdokument der Synode? An jedem Tisch wird abgestimmt. Die (einfache) Mehrheit muss stehen. Entschieden werden soll aber nicht, ob die persönlichen Überzeugungen mit dem übereinstimmen, was im Text geschrieben steht, sondern ob er gut wiedergibt, was am Tisch besprochen worden ist. 

Der Text wird also live erstellt. 2 Seiten, 6.000 Zeichen – nicht mehr. Der Text wird in die Cloud hochgeladen. (Zur Technik später einmal mehr.) Die „relatori“ der Tische – am ersten Tag für diese Phase gewählt – müssen bis 12.30 im Synodensekretariatsraum den Text unterzeichnen. Dann wird er – digital im geschützten Raum – an die „esperti“ weitergegeben. Nach dem Mittagessen sollte er ihnen zur Verfügung stehen. 

Die SMS erscheint heute früher, weil ich mir heute am Nachmittag und am Abend, aber auch Sonntagvormittag nichts anderes vornehmen sollte als Textarbeit. Die theologischen Analysen müssen morgen bis 15 Uhr abgegeben sein, dann tauche ich wieder auf und schreibe eine neue SMS. 

Die Leitfrage für die Reflexion der Grundlegung: „Wie kann die Kirche durch Synodalität ihre Sendung besser verwirklichen?“ Das Thema ist sehr breit angelegt. Es soll und wird aber keinen theologischen Traktat geben, sondern eine fokussierte Reflexion, die auf die Praxis zielt. 

Zwei Dimensionen müssen nach Möglichkeit verbunden werden. Zum einen soll die Gruppe klären, wo sie im Instrumentum laboris schon gute Ausführungen sieht, die für das Schlussdokument erhalten bleiben sollen, wo sie aber auch Schwachpunkte sieht: sei es, weil nicht konkret, sei es, weil nicht präzise, sei es, weil nicht lösungsorientiert genug formuliert worden ist. 

Zum anderen soll die Gattung noch einmal verändert werden. Das Instrumentum laboris des vergangenen Jahres hatte Fragen gestellt; das zur Vorbereitung der diesjährigen Synode Aussagesätze formuliert. Jetzt kommt es aber auf propositiones an: auf Empfehlungen, die dem Papst für sein postsynodales Schreiben vorgelegt werden. Über sie wird dann am Ende abgestimmt werden. Nicht, „dass“ etwas wichtig oder unwichtig ist, sondern „wie“ die Kirche ihre synodale Mission (um im Jargon der Synode zu bleiben) intensivieren kann, ist die Frage. 

Synodalität ist als Thema gesetzt. Es wird hier in der Aula nicht mehr infrage gestellt. Das ist ein Erfolg. Aber die Skeptiker geben nicht auf. Sie ändern ihre Taktik und wollen schwächen, was Synodalität auf katholisch bedeutet. Die Mehrheit scheinen sie nicht zu haben. Aber es kommt auf kraftvolle Voten an. 


Notiz des Tages
Die Synode ist lernfähig – ob genug, wird sich zeigen. Viele Synodale folgen nicht einfach den Vorgaben, sondern schaffen innerhalb des Systems Freiräume – ob genügend, ist noch nicht gesagt. Aber es geht voran, Schritt für Schritt – ob zu schnell oder zu langsam, wird unterschiedlich beurteilt. Die Richtung jedenfalls, denke ich, stimmt, bislang jedenfalls – trotz aller Bremsmanöver. 

Synode mit Söding - Tag 3

vom 4. Oktober 2024

Die Synode lebt in zwei Welten. Intern geht alles seinen Gang, extern löst die Entscheidung, das Thema Frauendiakonat auszugrenzen und restriktiv eigens zu behandeln, weltweit bei Reformgruppen Proteste aus, während einige wenige applaudieren. Die Schnittmenge zwischen drinnen und draußen sind die Kaffeepausen. Dort wird viel diskutiert – viele sind sehr kritisch, einige aber erleichtert, dass die Sache – angeblich – vom Tisch sei. Konsequenz der meisten? Nicht nachlassen, weitermachen, Chancen schaffen. 

Heute ist den ganzen Tag Generalversammlung in der großen Aula. Zuerst werden die Themen vorgestellt, die gestern an den Sprachtischen als besonders wichtig identifiziert worden sind. Dann folgen lange Stunden persönlicher Interventionen von Mitgliedern der Synode – die alle wissen müssen, dass sie während der vier Wochen wahrscheinlich nur ein einziges Mal die Chance haben, das Wort zu ergreifen. 

Zuerst die runden Tische: Es gibt nicht mehr 36 Berichte aus allen Kleingruppen, sondern 7 Berichte in den offiziellen Synodensprachen. (Deutsch gehört nicht mehr dazu, es gibt aber eine gute Simultanübersetzung ins Deutsche.) Die Konsequenz der neuen Schleife, die gedreht wird: weniger Farbigkeit, weniger Wiederholung, mehr Ausgewogenheit, mehr Abstraktion. 

Thema ist die „Grundlegung“ des Instrumentum laboris: Was versteht die katholische Kirche heute unter Synodalität? Es fehlt eine scharfe Analyse der Probleme und ebenso eine klare Analyse der Lösungspotentiale. 

Aufschlussreich ist ein Vergleich. Gegenwärtig sucht der Synodale Weg in Deutschland eine Antwort, die nicht theoretisch bleibt, sondern praktisch wird. In den fünf Frankfurter Versammlungen des Synodalen Weges ist sehr viel geklärt worden. Der Grundtext „Macht und Gewaltenteilung“, der mit allen erforderlichen Zweidrittelmehrheiten, auch der bischöflichen, angenommen worden ist, hat geklärt, dass dem „Geistlichen Amt“ zwar eine Leitungsaufgabe, aber kein Monopol zukommt. Transparenz und Kontrolle, Rechenschaftspflichten und volle Partizipation bei Beratungen und Entscheidungen sollen Standard werden, weil die Kirche vom Volk Gottes her verstanden werden soll. Im Synodalen Ausschuss ist jetzt die Zeit, den Abgleich mit dem weltweiten Prozess vorzunehmen. 

Im Eröffnungsteil des römischen Instrumentum laboris (IL) werden erste Hinweisschilder aufgestellt. Kirche muss von der Taufe her gedacht werden (IL 1); die Kirche ist nicht statisch, sondern unterwegs, inspiriert vom Heiligen Geist (IL 3), sie braucht ein neues Verständnis von katholischer Synodalität – mit Papst, mit Bischöfen und Pfarrern, die Leitungskompetenz haben (IL 5). Synodalität ist ein Stil (IL 6). Das Wort richte sich nicht gegen andere Kirchenkonzepte (IL 7) wie das der communio (das biblisch tatsächlich sehr reich ist, unter den letzten Pontifikaten aber hierarchisch enggeführt worden ist), schon gar richte es sich gegen die Hierarchie (IL 8). Vielmehr erlaube es das Prinzip der Synodalität, die Aufgabe des kirchlichen Amtes neu zu denken (IL 10-12). Es komme darauf an, die Vielfalt der Charismen zu nutzen und das Miteinander zu stärken, nicht zuletzt den Dienst und die Dienste von Frauen (IL 16), wobei der Diakonat strittig sei (IL 17), aber auch die Mitwirkung von „Laien“ sogar bei der Verkündigung des Evangeliums (IL 18). 

Aus den Berichten der Sprachtische wurden über Nacht vom Sekretariat 7 Fragen herausgefiltert, die per Abstimmung gerankt werden. Ergebnis: Zuerst soll über das Verhältnis von Charisma und Amt gesprochen werden (1), dann über die Spiritualität der Synodalität (2), drittens zum Grundverständnis von Synodalität im Blick auf die Beteiligung des Gottesvolkes, besonders der Armen (3), dann über Synodalität als spezifisches Kriterium im Unterschied zu anderen theologischen Konzepten (4), danach über die Effektivität der Synodalität (5), am Ende rangieren das Verhältnis von Orts- und Lokalkirchen, und der Wunsch nach theologischer und biblischer Vertiefung. 

Die Themen werden nacheinander aufgerufen. Die Zeit reicht bis zum vierten Platz der Hitliste. Dann kommen noch 90 Minuten freie Interventionen. Viele melden sich, weit überproportional Bischöfe (die allerdings auch die große Mehrheit stellen). Viele Beiträge wirken so, als stehe die Diskussion über Synodalität erst ganz am Anfang, andere nutzen die Gunst der Stunde, um persönliche Erfolge oder regionale Themen anzusprechen; die meisten (aber nicht alle) halten sich ans Thema. Ein bunter Blumenstrauß entsteht – die Expertengruppe protokolliert fleißig (also auch ich), denn die Interventionen gehen in die Berichte ein, die sie übers Wochenende anfertigen müssen.

Darüber morgen mehr. 

Notiz des Tages:
Synodalität braucht nicht nur Geduld, sondern auch Zähigkeit. Gegenverkehr gehört zum Weg, den die katholische Kirche geht. Auch wenn es tatsächlich unmöglich ist, alle Probleme, die sich angestaut haben, binnen 4 Wochen zu lösen, ist die Weltsynode doch das derzeit einzige Forum, auf dem Gemeinsamkeiten gefestigt und Unterschiede angesprochen werden können. Freilich darf es nicht beim Reden bleiben. Das ist allen klar, wenn sie auch unterschiedliche Konsequenzen ziehen würden. 

Synode mit Söding - Tag 2

vom 3. Oktober 2024

Die Text-Arbeit beginnt. Den Exegeten in mir schreckt das nicht. Aber aus dem letzten Jahr weiß ich, dass es sehr viel Kondition brauchen wird, gut durchzukommen. Ein synodaler Marathonlauf ist es schon, was hier in Rom passiert. Jetzt ist gerade einmal der Start erfolgt. 

Das Instrumentum Laboris 2 ist deutlich anders als das Vorbereitungsdokument im vergangenen Jahr. Damals wurden Fragen gestellt, die in den berühmten „Gesprächen im Geist“ an den runden Tischen beantwortet werden sollten. Jetzt ist ein Text erschienen, der schon recht programmatisch sein will. Zuerst kommt eine kurze Grundsatzerklärung, was Synodalität ist oder werden soll. Und dann werden in drei großen Kapiteln „Beziehungen“, Wege“ und „Orte“ einer synodalen Kirche beschrieben, die sich neu auf ihre Sendung besinnen soll. 

Heute werde ich das Procedere beschreiben, morgen – wenn man schon weitersieht – etwas zum grundlegenden Teil erläutern, der jetzt intensiv bearbeitet wird. 

Um an der SMS zu arbeiten, habe ich mich heute im Synodengebäude an einen ruhigen Ort zurückgezogen: dorthin, wo sonst die englische Sprachgruppe der „esperti“ tagt. Ich bin Standby, weil ich, wie alle meine Kolleginnen und Kollegen, jeder Zeit in einen der Sprachzirkel gerufen werden kann, falls dort eine theologische Frage auftaucht, die beantwortet werden muss. (Mal sehen, wie oft das der Fall sein wird.)

Wieder ist es so, dass nach Sprachen unterschiedene Tische in der Synodenaula aufgestellt sind: 16 englisch, 7 italienisch, 6 französisch, 6 spanisch und 1 portugiesisch. An den Tischen sitzen in bunter Runde Kardinäle und „Laien“, Bischöfe und Delegierte aus der Orthodoxie, dem Lutherischen, dem Reformierten und dem Baptistischen Weltbund sowie aus den Pfingstkirchen. Sie alle dürfen und sollen gleichberechtigt mitreden. An jedem Tisch sitzt ein „facilitatore“ für die Moderation. An jedem Tisch wird eine Person gewählt, die den Zirkel im weiteren Prozess repräsentiert. Die ökumenischen Delegierten dürfen diese Person mitwählen, aber sie können nicht selbst gewählt werden. 

Die Gesprächsmethode wird für diese Generalversammlung ein wenig geändert. Zuerst sind alle, die teilnehmen, vorbereitet, in jeweils drei Minuten zu sagen, was sie am Instrumentum Laboris positiv beeindruckt, was sie aber auch vermissen; sie sollen im Lichte dessen, was in ihrer Kirche geschieht, auf den Text schauen. Dann wird in einer zweiten Vormittagsrunde von allen reflektiert, was sie bei anderen Teilnehmenden gut und wichtig, weiterführend und irritierend gefunden haben. Die dritte Runde, nachmittags, dient dazu, sich am Tisch darüber zu verständigen, welches die wichtigsten Themen sind, über die in der Generalversammlung gesprochen werden soll. Jetzt um 18 Uhr treffen sich die Sprachgruppen, die aus den Tischgruppen gebildet werden: 2 englische und je eine italienische, französische und spanisch-portugiesische. Dort soll abgestimmt werden, welches die wichtigsten Themen für die Generalversammlung sein sollen. Morgen wird die gesamte Synode dann entscheiden, in welcher Reihenfolge Themen bearbeitet werden, im Klartext: welche drankommen und welche rausfallen. 

Das „regolamento“ ist streng. Ob sich die Sprachtische daran halten, wird sich zeigen – oder ob doch noch einmal die Themen von gestern ausgegriffen werden. Vorgesehen ist es nicht. Die neue Methode soll dazu dienen, die vielen, vielen Wiederholungen, die es in der letzten Versammlung gab, zu reduzieren und die Arbeit der Synode zu fokussieren. Es gibt eine Gefahr: dass viele „heikle“ Themen unter den Tisch fallen, weil sie nicht oben auf der Agenda stehen werden. Es gibt eine Chance: die unverkennbaren Spannungen, die in der katholischen Kirche herrschen, zu überbrücken und sich darauf zu verständigen, dass „Synodalität“ zu einem Strukturmerkmal der katholischen Kirche wird. 

Was das dann genau heißt? Die Synode ist kein Ende, sondern ein Anfang. Das ist jetzt schon klar. Entscheidend ist nicht, was hier in Rom geschrieben wird, sondern das, was vor Ort geschieht – mit synodalem Rückenwind, hoffentlich. 


Notiz des Tages: 
Die Synode kommt ins Arbeiten. Sie startet nicht bei null. Aber sie muss noch auf Touren kommen. Jetzt zeigt sich, wer in der Zwischenzeit gut trainiert hat – und wer nicht. Was wird herauskommen? Die Grundsatzfragen des ersten Teiles wirken wie eine Vergewisserung darüber, was letztes Jahr besprochen wurde. Will die katholische Kirche wirklich synodal werden? Das wäre hoch an der Zeit. 


Noch ein Nachtrag zu gestern:

Kardinal Fernandez, der Präfekt des Glaubensdikasteriums, hat gestern zum Thema „Diakonat der Frau“ kurz gesprochen. Der vollständige Text ist jetzt in verschiedenen Sprachen veröffentlicht. Wer es ganz genau wissen will, muss sich an das italienische Original halten. Dass es ein offizielles Dokument geben soll, hat viele überrascht. Dass es aus dem Verantwortungsbereich der Synode genommen und als ureigene Aufgabe des Glaubensdikasteriums mit voller Rückendeckung des Papstes deklariert wird, sorgt für Gesprächsstoff. Wenn es ein solches Dokument gibt, wird hoffentlich bei der Abfassung Phoebe nicht vergessen. Der Apostel Paulus hat sie sehr geschätzt. Er wusste, was er an ihr hatte. Er hätte nicht ohne sie Apostel sein mögen (Römerbrief 16,1-2).

Synode mit Söding - Tag 1

vom 2. Oktober 2024

Die Spannung war zum Zerreißen gespannt. Die Studiengruppe 5, die der Papst nach der letzten Synode eingerichtet hatte, verkündete am späten Nachmittag ihr Zwischenergebnis: Frauen seien extrem wichtig für die Kirche, es brauche neue Ämter, speziell für Frauen, aber eine Entscheidung zum sakramentalen Amt sei „nicht reif“. Was heißt das für die Synode? Wird auf Zeit gespielt? Ist es ein freundlich verkapptes: Nie und nimmer? Oder ein: Vielleicht doch einmal? 

Ich gebe zu: Die „SMS 1“ war eigentlich schon geschrieben. Und zwar mit einem positiven Grundton. Denn der Start der Synode war gut – mit einem Bußgottesdienst am Vorabend. Der Papst hat mit einem öffentlichen Bußgottesdienst im Petersdom ein Zeichen gesetzt. Sieben Kardinäle mussten nacheinander vortreten und „Ich“ sagen. „Ich bitte um Vergebung … Ich schäme mich …“ An der Jahrtausendwende 2000 gab es unter Papst Johannes Paul II. ein ähnliches Format: und die Exegese begann, wer was gesagt und nicht gesagt hat. Die Hauptfrage blieb offen: Inwieweit wird persönliche Schuld bekannt, die innerhalb eines intakten Systems Einzelne begangen haben, und inwieweit ist das System selbst schuld an den Vergehen, die begangen und vertuscht worden sind? 

Ist die katholische Kirche heute weiter? Einige werden die Offenheit betonen, in der mangelnder Einsatz gegen Kriege, gegen die globalisierte Ausbeutung der Natur und der Menschen, gegen den Missbrauch von Schutzbefohlenen durch Kleriker, gegen die Rechte von Frauen, gegen die Vertiefung der Ökumene, gegen die Option für die Armen, gegen die Entwicklung synodaler Teilhabe bekannt und beklagt worden sind. Mich haben besonders drei Zeugnisse von Betroffenen berührt: Laurence Gien, ein Überlebender sexualisierter Gewalt aus Südafrika, Sara Vatteroni, Direktorin der Flüchtlingshilfe Toskana, die vom Elend der Bootsflüchtlinge erzählte, und Deema Fayyad, Ordensfrau aus Homs, die die ganze Wucht eines zerstörerischen Krieges in Syrien getroffen hat. 

Schon jetzt empören sich einige, dass die Kirche nicht so schlecht von sich denken dürfe: Sie leben immer noch wie unter einer Käseglocke. Andere kritisieren, dass mit dem „Ich“ auch von höchsten Verantwortlichen die Systemfrage umgegangen werden kann. Sie können nur vom Fortgang der Synode widerlegt werden. 

Wie stellt sich der Auftakt im Licht des heutigen Tages da? Die Messe zu Anfang hatte wieder einen Aufbruchsgeist zum Ausdruck gebracht: eine Freude, Synodalität zu gestalten. In der Synodenaula hatte der Papst gut und offen gesprochen, dass Synodalität zur Sendung der Kirche gehört und dass die Weltbischofssynode synodal weiterentwickelt werden muss, weil die Bischöfe nicht Alleinherrscher sind. Kardinal Maria Grech hatte ausgeführt, dass die Synode nicht zu zentralistischen Entscheidungen führen dürfe, sondern die Ergebnisse wieder in die Kirchen weltweit vor Ort zurückspielen muss. 

Aber dann kam der Teil mit den 10 Studiengruppen, die eingerichtet worden sind. Schon dies war eine einsame Entscheidung, ohne Rückbindung an die Synode. Jetzt wurde berichtet, aber nicht diskutiert. Genauer: Es gab Videos mit schönen Bildern, verbunden mit Statements vor Ort. Und vielen guten Ideen: Ost und West sollen zusammenkommen, die Option für die Armen muss konkret werden, Digitalität ist wichtig, die Priesterausbildung gehört reformiert, die Beziehungen zwischen Bischöfen und Ordensgemeinschaften sollen geklärt werden, es braucht Kriterien für gute Bischöfe, die Rolle der Nuntien muss geklärt werden, es braucht eine Kriteriologie zur Klärung strittiger dogmatischer und pastoraler Fragen – und die Ökumene muss gestärkt werden. 

In dieser Reihe kam auch die Kommission 5 zu Wort, die „Frauen“ nicht im Titel führt, aber von theologischen und rechtlichen Voraussetzungen für Zugänge zum sakramentalen Amt handelt. Die Kommission besteht aus wenigen Mitgliedern des Glaubensdikasteriums, alles Männer. Sie sagt, was nach dem Urteil des Papstes und des Glaubensdikasteriums – im Moment – nicht gehen soll: sakramentale Ordination. Und was doch gehen soll: breit ansetzende und tief wirkende Frauenförderung, neue Dienste, aber halt keine „Weihe“.

Ist die Nicht-Entscheidung eine Überraschung? Nicht nach den jüngsten und nach den etwas älteren Aussagen des Papstes zur Rolle der Frauen in der Kirche und der Gesellschaft. Braucht die Kirche tatsächlich noch mehr Zeit? Braucht sie etwa keine Frauen als Diakoninnen? 

Besondere Pointe: Ohne die Diakonin Phoebe aus Korinth wäre der Brief des Apostels Paulus nicht nach Rom gekommen. 


Notiz des Tages
Nach dem Auftakt sind zwei Schlüsselfragen angeschärft: Ist Machtmissbrauch etwa nur eine lässliche Sünde oder ein Systemversagen? Und wie kann es beendet werden, auch im Blick auf Frauenrechte? Heute hatte die Synode nichts zu sagen. Wird es noch Gelegenheiten geben, anzufragen, was angeblich noch nicht „reif“ ist? Die Synode wird sich daran messen lassen müssen. 
 

Zwei kurze Regiebemerkungen zum Schluss: 

Erstens nehme ich mir vor, während der Synode jeden Tag eine SMS zu schreiben – aber ich kann heute nicht versprechen, dass ich es immer schaffen werde. Die Texte entstehen „just in time“. Ich brauche auch immer eine ruhige Phase, um mich hinzusetzen und etwas zu notieren. Hoffentlich klappt es. Es ist dann auch für mich ein guter Moment der Klärung. 

Zweitens sind die Kommunikationsregeln der Synode zwar im Vergleich zum letzten Jahr etwas gelockert. Aber ich werde die Vertraulichkeit, die vereinbart ist, nicht brechen: keine wörtlichen Zitate, keine namentlichen Zuschreibungen, keine Insider-Stories, die nur Spekulationen bedienen. Es passiert genug in der Synode und um sie herum, was berichtenswert ist. Sie ist ein katholisches Weltereignis. Es gehört in die Öffentlichkeit. 

2023

Synode mit Söding - Tag 26

vom 29. Oktober 2023

Letzter Tag der Synode. Wieder ein strahlender Sonnentag. Aber diesmal ist die Messe im Petersdom. Einzug aller Mitglieder der Synode, wie zum Auftakt. Wieder schön in der gewohnten hierarchischen Ordnung so, als ob alle verstehen sollten, dass es so schnell zu einer Revolution in der katholischen Kirche nicht kommen wird. Zuerst die Laien, dann die Diakone, danach die Priester, schließlich die lange Reihe der Bischöfe, mit den Kardinälen am Schluss.

In seiner Predigt legt der Papst das Sonntagsevangelium aus: Das Doppelgebot der Gottes- und der Nächstenliebe. Sein Punkt: Das Gesetz darf Gott nicht kontrollieren. Desto weniger dürfen es diejenigen, die es auslegen. In diesem Geist muss die Kirche auftreten. Dann ist sie an der Seite der Armen, der Verletzten, der Migranten - derer in ihrer Mitte und derer jenseits ihrer Grenzen. Die Synode ist ein Schritt, diese Öffnung der Kirche zu wagen. Das ist ihre Mission. Kann die Synode das leisten? Ich würde unterscheiden: zwischen dem Prozess und dem Text. Der Prozess ist wichtiger als der Text. Die katholische Kirche ist eine Weltorganisation, die sprachfähig und handlungsfähig ist. Wodurch? Meine Antwort früher: durch Rom und den Papst, durch das Bischofsamt und das Zweite Vatikanische Konzil. Heute sage ich: auch durch den Synodalen Prozess. Das Bischofsamt ist in der Krise. Das Kirchenvolk muss beteiligt werden. Synoden sind die richtigen Foren, wie immer sie heißen: Pastoral- und Diözesanräte, auch auf Bundesebene. Und so etwas braucht auch die Weltkirche.

Und der Text, der gestern mit überwältigender Mehrheit angenommen worden ist? Eine Bestandsaufnahme dessen, was in den Augen sehr vieler aus der ganzen katholischen Kirche dran ist: viel Unruhe, viel Unsicherheit, viel Ungenügen, aber auch viel Gottvertrauen, dass es eine gute Zukunft gibt, viel Aufbruch, der nach neuen Formen sucht, viel Energie, die besser genutzt werden muss. Wie das geht, ist noch nicht klar. Es gibt viele, viele Ideen.  Nicht immer mit Mumm. Aber mit Impulsen die helfen können.

Jetzt kommt es auf die Basis an. Also die Gemeinden, die Bistümer, die Bischofskonferenz, auch das ZdK: eigene Prozesse steuern, kritisch bleiben, konstruktiv sein Und dann muss die Synode 2024 möglichst viele Nägel mit Köpfen machen.

Heute geht es wieder nach Hause. Gut so.

Dies ist die letzte SMS 2023. Vielen Dank an Elsa Fiebig für die super Zusammenarbeit.

Am Anfang gab es einen Podcast. Auch am Ende wird es einen geben. Am Freitag kommt er heraus.

Synode mit Söding - Tag 25

vom 28. Oktober 2023

Heute kam es zum Schwur. Es war der Tag der Abstimmungen. Ab 11 Uhr konnten sich alle Mitglieder am Informationsschalter der Synodenaula den Text abholen,  über den nachmittags abgestimmt wurde. Über 1000 Modi waren eingegangen. Hier ein neues Attribut, dort ein anderer Begriff. Ein Satz raus, ein Satz rein. Ein Gedanke so, ein Gedanke so ausgedrückt. Der Duktus war geblieben, die Denklinie auch. Aber es war wichtig, dass sich alle Kleingruppen noch einmal intensiv mit der Vorlage befasst hatten und dass alle Mitglieder noch einmal gefragt worden waren. Nicht alle haben die Chance genutzt, aber viele.

Der erste Blick nach 11 Uhr: Sind mein Vorschläge, sind unsere Modi, den Text zu ändern, berücksichtigt worden? Der zweite Blick: Haben andere Änderungen hineinschreiben lassen können, die den Text stärker oder schwächer machen?

Mein Gesamteindruck: Die Vorschläge, die eingegangen sind, sind genauso fair und divers, wie in der Aula diskutiert worden ist. Eine Weltkirche ist zur Synode zusammengekommen. Dass es zu LGBTQ, zur Frauenordination, zu Demokratie in der Kirche unterschiedliche Auffassungen gibt, war bekannt und kam auch in der Synode klar heraus. Aber die Unterschiede hindern nicht, dass man zusammenbleiben und weitergehen will. Und alle, die internationale Konferenzen kennen, wissen, dass man mit Zuspitzungen wenig erreicht, sondern oft weichere Formulierungen braucht - die dann Stoff für kontroverse Deutungen liefern. Klar ist jetzt schon: Die einen werden faule Kompromisse beklagen, die anderen sich über ketzerische Gedanken mitten im Vatikan aufregen. Alte Hasen reiben sich verwundert die Augen, wie offen auf einmal über Themen gesprochen wird, die lange tabuisiert worden waren. Andere schütteln den Kopf, was alles immer noch nicht selbstverständlich in der katholischen Kirche ist. Die "drafter" haben einen guten Job gemacht. Jetzt muss die Versammlung ran.

Um 15.30 startet die Sitzung. Der gesamte Text, 40 Seiten, wird von verschiedenen Mitgliedern auf Italienisch vorgelesen, immer abwechselnd von einer Frau und einem Mann. Es gibt 20 Abschnitte. Absatz für Absatz wird der Entwurf abgestimmt. Elektronisch. Jeder braucht eine 2/3 Mehrheit der stimmberechtigten Mitglieder. Mehr als 273 Abstimmungen sind notwendig. Ein Absatz, der dieses Quorum nicht erreicht, fliegt raus. Das allein dauert mehr als drei Stunden.

Ein wenig dauert die Abstimmung. Dann zeigt sich: Es hat sich gelohnt, Endergebnis: 336  Ja-Stimmen und nur 10 Nein.  Kaum ein Paragraph mit weniger als 300 Stimmen Zustimmung. Meistens an die 340. Gegen Strukturen sexualisierter Gewalt, gegen die Exklusion von Gläubigen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung, für die Stärkung von Frauenrechten, für Partizipation von Laien, für Transparenz und Rechenschaft. Ja, alles hätte noch klarer, schärfer, selbstkritischer gesagt werden können. Ich sage dennoch: Ein Durchbruch. Jetzt muss der Weg weitergehen.

Synode mit Söding - Tag 24

vom 27. Oktober 2023

Die Zielgerade der Synode ist in Sicht. Die Kräfte für den Endspurt werden gesammelt. Heute wurde der Zeitplan wieder verändert. Vormittags Aussprache über die Frage, wie die erste Phase in die Kirchen vor Ort vermittelt werden und damit die zweite Halbzeit, die im Oktober 2024 angepfiffen wird, gut vorbereitet werden kann. Heute Nachmittag hat die Synode wieder frei, ebenso Samstagvormittag: Unter Hochdruck müssen die vielen, vielen Modi für die Zusammenfassung („Sintesi“) zusammengefasst werden. Am Samstagnachmittag ist dann von 15.30 bis 19.30 vorgesehen: Gebet, Lesung der Zusammenfassung, Annahme, Grußworte (also Abschiedsworte) der Präsidenten und eine Ansprache („Discorso“) des Heiligen Vaters.

In der Aula ist der Eifer groß, Ideen zu verbreiten, wie die Synode ihre römische Blase verlassen und in den Kirchen vor Ort ankommen kann. Ich denke mir: Hätte es eine offenere Kommunikation gegeben, wäre die Aufgabe nicht so schwer geworden. Jetzt ist von Kurzfassungen und pastoralen Trainingskonferenzen die Rede, von Übersetzungen, von Materialien für Schule und Katechese, von Versammlungen der Bischofskonferenzen und am besten auch von Kontinentalsynoden. Alles das im laufenden Betrieb. Einfach wird es nicht, so wünschenswert es auch ist.

Morgen ist der Tag der Abstimmungen. Heute gab es einen Test, der funktioniert hat. Die Regeln sind klar. Der ganze Text wird durchgegangen, Abschnitt für Abschnitt. Jeweils ist eine 2/3 Mehrheit der abgegebenen Stimmen erforderlich. Enthaltungen sind nicht erlaubt. Ja oder Nein – das ist die Frage: und dann sind die Ausführungen darüber, was gemeinsam gesagt werden kann, wo es Themen zu vertiefen gilt und welches die nächsten Schritte sein können, entweder Teil des beschlossenen Textes oder nicht. Es wird sehr spannend.

Gestern hat der amerikanische Rechtsausleger, „The Pillar“, die Regeln gebrochen. Er hatte schon früh die Cloud der Synode betreten, obgleich er keine Berechtigung hatte, die Texte zu lesen. Jetzt hat er lang und breit aus der Beschlussvorlage zitiert, offensichtlich, um Stimmung zu machen, dass sie zu „liberal“ sei. Wir werden sehen, was das Manöver bewirkt. Die Zeitung kennt den kompletten Text. Sie kann daraus zitieren und mit ihr Vergleiche anstellen, wie sie will. Wenn sich alle anderen an die Regel halten, bestimmt „The Pillar“ die Agenda. Das ist ein hoher Preis für die defensive Kommunikationspolitik der Synode, die vom Dikasterium für die Kommunikation gesteuert wird.

Heute Abend ist im Petersdom ein weiteres Friedensgebet – als Teil des Fastentages, den der Heilige Stuhl ausgerufen hat. Ich bin gespannt, welche Themen angesprochen und welche Töne angeschlagen werden. Zum Überfall der Hamas, zur Verteidigung Israels und zur drohenden Eskalation der Gewalt im Heiligen Land gab es bislang nicht viel. Zu anderen Kriegen auch nicht. Wie der Heilige Stuhl auf den Angriffskrieg gegen die Ukraine reagiert, wird in der Öffentlichkeit kritisiert. Das Gebet heute ist ein Gebet und keine Kundgebung. Aber viele warten auf klare Worte.

Die Delegation aus Deutschland geht danach zu Sant’Egidio, der weltbekannten Laienbewegung für den Frieden. Die deutsche Abteilung ist im ZdK vertreten. Es geht um einen Austausch. Es geht auch um ein kleines Zeichen, dass die Synode nicht um sich selbst kreist, sondern sich für eine Erneuerung der Kirche einsetzt, damit der „Gott des Friedens“ (Röm 15,33) mehr Menschen findet, die den Frieden verbreiten.

Morgen wird der Blog vermutlich erst spät kommen. Ich will ihn nicht schreiben, bevor nicht alle Abstimmungen erfolgt sind.

Am Sonntag wird dann dieser Teil der Synode mit einer Eucharistiefeier im Petersdom enden.

Synode mit Söding - Tag 23

vom 26. Oktober 2023

Heute ist ein Tag intensiven Nachdenkens. Die erste Version des Abschlussberichtes liegt vor. Englisch und Italienisch sind die Hauptsprachen, weitere inoffizielle Übersetzungen kursieren. Ich bin gespannt, wie lange sie unter Verschluss bleiben.

Das Programm der Synode ist geändert worden. Den ganzen Tag über tagen die Kleingruppen. Sie sollen sehr sorgfältig die 41 Seiten der Vorlage studieren. Sie sollen dann konkrete Vorschläge für Änderungen machen: Was soll ausgelassen, was soll hinzugefügt, was soll anders formuliert werden? Möglichst kurz sollen die Modi sein, knapp begründet. Abgabe: heute um 19.30. Morgen wird dann den ganzen Tag redigiert. Am Samstag wird abgestimmt.

Wer kann Anträge stellen? Alle Mitglieder der Synode. Sie müssen ihren Namen nennen; sie müssen präzise aufschreiben, was sie geändert haben wollen, und sie müssen unterschreiben.

Aber klar ist: Mehr Gewicht hat, was aus den Kleingruppen kommt. Sie sollen über Vorschläge ihrer Mitglieder diskutieren und entscheiden, welche sie sich als Gruppe zu eigen machen. Eine Mehrheit muss dafür sein, mindestens 50 % und eine Stimme. Das Abstimmungsergebnis wird mitgeteilt, damit eingeschätzt werden kann, wie groß der Konsens oder der Dissens ist. Die Zahl der Anträge ist nicht begrenzt. Meine Erwartung: Es werden sehr viele Anträge kommen – nicht, weil die Textvorlage schlecht wäre, sondern weil sich viele Köpfe über das Papier beugen und gute Ideen haben.

Auch die Gruppe der „experts“ ist eingeladen, den gesamten Text noch einmal Punkt für Punkt durchzugehen und gleichfalls Verbesserungsvorschläge zu machen. Wir haben ihn gestern Nachmittag und dann noch einmal später am Abend gelesen. Wir haben uns heute wieder in Sprachgruppen vor Ort getroffen, von 9-12.30 Uhr, und die wichtigsten Punkte, die uns aufgefallen waren, gleich aufgeschrieben und an Riccardo Battocchio gesandt, den Spezialsekretär der Synode, Präsident der italienischen Theologievereinigung. Je früher die „writers“ informiert werden, desto besser ist die Chance, dass sie mit der gebotenen Konzentriertheit auf die Vorschläge reagieren können.

Kondition ist auf der Synode gefragt. 2023 ist der erste Teil absolviert, 2024 folgt der zweite. Zwei Halb-Marathons nacheinander: Das ist nicht ohne. Desto wichtiger ist es, die Zeit zwischen den beiden Teilstrecken zu gestalten: die erste Halbzeit analysieren, Kraft tanken, die zweite Halbzeit vorbereiten. Morgen wird die Synode beraten, wie es weitergeht.

Synode mit Söding - Tag 22

vom 25. Oktober 2023

Heute war ein Schlüsseltag der Synode.

Zum einen ist der „Brief an das Volk Gottes“ veröffentlicht worden. Vor zwei Tagen sollte er per acclamationem verabschiedet werden. Es gab aber Einwände – weniger gegen den Duktus des Textes als gegen das Verfahren. Es gab auch noch Vorschläge, was in den Brief aufgenommen werden sollte, vor allem die neue Zusammensetzung der Synode. Heute Nachmittag ist eine Version 2.0 per regelgerechter Abstimmung angenommen worden. Die Zustimmungsquote war überwältigend.

Den blumigen Stil des Briefes muss man mögen. Aber immerhin heißt es jetzt: „Zum ersten Mal waren auf Einladung von Papst Franziskus Männer und Frauen aufgrund ihrer Taufe eingeladen, an einem Tisch zu sitzen und nicht nur an den Diskussionen, sondern auch an den Abstimmungen dieser Bischofssynode teilzunehmen. Gemeinsam, in der wechselseitigen Entsprechung unserer Berufungen, Charismen und Ämter, haben wir intensiv auf das Wort Gottes und die Erfahrungen der anderen gehört.“ Es ist bezeichnend, dass dies, die Beteiligung von Menschen, die nicht als Bischöfe geweiht sind, wie eine kleine Revolution scheint, der vor allem Frauen ein Gesicht geben. Aber es ist passiert – und so leicht wird das Rad der Geschichte nicht zurückgedreht werden können. Der Brief sagt das nicht. In ihm wird die Geschichte erzählt, positive Erfahrungen werden genannt – programmatische Themen fehlen. Sie gehören, heißt es, in die „Zusammenfassung“. Auch die ist heute in einer ersten Fassung ausgeteilt worden, streng vertraulich. Ich halte mich an die Regeln. Freie Aussprachen beginnen – die Redezeit wird auf 2 Minuten begrenzt. Frankfurt lässt grüßen. Kleingruppen werden folgen.

Zum anderen gab es vorgestern – Medien haben berichtet – ein Grummeln, wer denn „wir“ sei, wenn die Synodenversammlung spreche. Ist sie nun eine Bischofssynode, wie es in den Statuten steht? Oder ist sie durch die Berufung von achtzig weiteren Mitgliedern etwas Anderes? Der Papst hat das Recht, einzuladen, wen er will. In der Apostolischen Konstitution zur Kurienreform (und zu mehr), Praedicate Evangelium, ist nicht mehr von „Bischofssynode“, sondern von „Synode“ die Rede. Kardinal Grech hat mit offenkundiger Rückendeckung durch den Papst klargestellt, dass die Autorität der Bischofssynode nicht im mindesten dadurch eingeschränkt wird, dass 80 weitere Personen mit Sitz und Stimme teilnehmen.

Kardinal Gerhard Ludwig Müller hat nicht nur ein meinungsstarkes Interview gegeben: „Die in allem sichtbare Agenda (Segnung von außerehelicher Sexualität, vor und außer der Ehe, Diakonat und Priesterweihe für die Frau, Einebnung des Unterschieds von Priestern, Bischöfen und Laien) war sichtbar“ – was er offenbar nicht gut findet. Von ihm ist auch, entgegen dem päpstlichen Regolamento, der Redebeitrag in der Aula veröffentlicht worden. Man stelle sich vor, dies hätte ein anderes Synodenmitglied gemacht, das sich gegen die Exklusion der LGBTQ-community ausgesprochen hat.

Also: Wie Synodalität konkret und nachhaltig wird, wie sie organisiert wird, wie Bischöfe sich einbinden lassen in die Beratungen und Entscheidungen des ganzen Gottesvolkes, dessen Leitung ihr Amt ist: Auf diese Fragen braucht es neue Antworten, lokal, regional, national, kontinental, global. Das Timing für die Beratung der „Synthese“ ist verändert. Es gibt mehr Arbeits- und weniger Freizeit für die Synode. Bis Samstag wird an der „Synthese“ noch hart gearbeitet: in Kleingruppen, in der Aula, im Theologie-Kreis. Dann wird abgestimmt – und es wird sich zeigen, ob die Weichen richtig gestellt sind.

Spontan ergreift nachmittags der Papst das Wort: Kirche ist Volk Gottes, heilig, obgleich sündig, gläubig auf dem Weg. Keine politischen Schemen der Zeit hat Jesus übernommen. Er setzt die Traditionen Israels fort. Gottes Volk ist unfehlbar „in credendum“: Wie der Glaube geht, zeigen die Menschen, wie sie leben. Das Volk Gottes hat eine Seele. Im Volk wird der Glaube weitergegeben: vor allem in weiblicher Sprache. Die Kirche ist weiblich. Klerikaler Machismo macht die Kirche kaputt. Kirche ist kein Supermarkt der Erlösung, die Priester sind nicht Angestellte in einem internationalen Konzern. Das Kirchenvolk muss den Klerikalismus erdulden – also muss er überwunden werden.

Starker Applaus.

Synode mit Söding - Tag 21

vom 24. Oktober 2023

Heute hat die Synode „frei“. Denn morgen steht die erste Lesung der „Sintesi“ auf dem Programm. Heute wird sie geschrieben, redigiert, kontrolliert. Wie entsteht der Abschlusstext der Synode, Teil 1?

Die Spielregeln sind klar. Die Mitglieder der Synodalversammlung haben das Wort. Was sie sagen, zählt. Aber von den über 30 Kleingruppen sind in vier Wellen so viele Impulse ausgegangen, dass die Beiträge geordnet, reflektiert, verbunden und aufbereitet werden müssen. Das ist die Aufgabe der „esperti“. Sie haben Sprachzirkel gebildet und immer alles studiert: das, was gesagt wurde, aber bei den freien Interventionen auch das, was aus Zeitgründen nur schriftlich eingereicht werden konnte. Sie beliefern den Generalrelator, Kardinal Hollerich aus Luxemburg.

Die Expertise-Gruppe war der Synode immer einen Schritt hinterher – und gleichzeitig einen Schritt voraus. Wenn Abschnitt B I („Communio“) in der Synodalaula eingeführt wurde, ist Teil A (Grundlagen) für den Abschlusstext aufbereitet worden; wenn B II („Mission“) dran war, musste der Ertrag von B I, bei B III („Partizipation“) musste B II vorbereitet sein -und B III musste gesichert sein, während an den früheren Teilen schon intensiv weiter gefeilt wurde.

Das war die Arbeit bis zum vergangenen Sonntag: Welche Übereinstimmungen gibt es? Welche Spannungen sind aufgebrochen? Welche Ideen für Vertiefungen und Weiterführungen gibt es? Welche Vorschläge zum weiteren Vorgehen gibt es? Möglichst knapp, nicht mehr als 1-2 Seiten zu jedem Unterthema: das war die Aufgabe.

Jetzt sind die „writers“ dran: vier Mitglieder der Theologie-Gruppe, die italienische und englische „native speaker“ sind. Das Synodensekretariat hat sie bestimmt. (Ich gehöre nicht zu dieser Gruppe.) Die „writers“ haben die wahrlich nicht einfache Aufgabe, zu elementarisieren, ohne zu simplifizieren, und zu fokussieren, ohne zu selektieren. Unter großem Zeitdruck.

Und unter Aufsicht. Denn sie müssen ihrerseits zuerst die „Commission for the synthesis of the document“ überzeugen. Ihr gehören als Chef Kardinal Hollerich und ex officio Kardinal Mario Grech, der Chef des Synodensekretariats, und Riccardo Battochio an, als Spezialsekretär für die  Theologie, überdies, von der Versammlung gewählt, die Kardinäle Besungu (Kinshasa / Kongo), Aveline (Marseille / Frankreich) und Lacroix (Quebec / Kanada) sowie die Bischöfe Azuaje Ayala (Maracaibo / Venezuela), MacKinlay (Sandhurst / Australien) und, für die katholischen Kirchen des Ostens, der maronitische Bischof Khairallah (Batrun/Libanon), überdies Reverend Davedassan (Malaysia). „Pontificial appointed“ sind zudem Kardinal Marengo (Ulan Bator), P. Giuseppe Bonfrate, Professor an der Gregoriana, einer der „Presidenti delegati“, und als einzige Frau Patricia Murray vom Generalsekretariat der Ordensoberen, die zur Gemeinschaft der Loreto-Schwestern gehört. Sie entscheiden über den Text, der dann intensiv diskutiert werden muss.

Was die Synode also morgen zu Gehör und zu Gesicht bekommt, ist durch viele Hände gegangen. Dieser Instanzenzug sichert, dass es keine Ausreißer gibt. Wie sehr er für Qualität bürgt, wird sich zeigen.

Synode mit Söding - Tag 20

vom 23. Oktober 2023

Heute beginnt die letzte Woche der Synode. Beim Gruppen-Photo mit dem Papst, das heute in der Aula aufgenommen wurde, stehe ich in der letzten Reihe neben dem Kardinal von New York, Timothy Dolan. Beide, stellen wir fest, überlegen, welche Geschichte wir ab nächstem Montag zu Hause erzählen können: Vier Wochen Rom – hat sich der Aufwand gelohnt? Was kommt heraus? Wie geht es weiter? Ich bin nicht ganz sicher, ob wir ähnliche Antworten im Sinn haben …

Die Kommunikation der Synode war und ist von Anfang an ein Problem. Einerseits setzt Synodalität Partizipation voraus, und zwar nicht nur der Synodalen untereinander, sondern auch derer, die hier in Rom sind, mit dem „Rest der Welt“, also mit den vielen Peripherien der Gesellschaft und der Kirche, die das wahre Zentrum sind. Andererseits ist zwar den Mitgliedern der Synode kein „päpstliches Geheimnis“ auferlegt worden, aber im Ganzen herrscht eine – vorsichtig ausgedrückt – defensive Kommunikationspolitik. Diese Strategie hat der Synode nicht besonders gut getan, weil sich die Aufmerksamkeit z.B. auf kardinale Modefragen fokussierte (wer trägt Soutane?), aber nicht auf die vielen Ideen und Inhalte, die auf den Tisch gelegt wurden. Die öffentlichen Pressebriefings haben zwar in Laufe der Zeit an Qualität und Offenheit zugenommen. Aber frühere Synoden waren souveräner. Der Grund für die jetzige Zurückhaltung ist offensichtlich: Abschreckend war der öffentliche Angriff des traditionalistischen Kardinals Sarah, des früheren Leiters der vatikanischen Liturgie-Behörde, gegen Kardinal Reinhard Marx, den Erzbischof von München, nachdem der auf einer früheren Synode für eine Änderung der katholischen Sexuallehre plädiert hatte: realistischer, ehrlicher, näher an den begründeten Überzeugungen von Ehepaaren und jungen Leuten. Aber ob dieses frühere Foul reicht, um Synodalen nur in ganz wenigen Ausnahmefällen zu erlauben, öffentlich zu kommunizieren, was sie gesagt haben? Auch die Öffentlichkeitsarbeit einer Synode muss synodal geöffnet werden, sonst verfestigt sich ein performativer Selbstwiderspruch.

Heute wurde in der Aula ein „Brief an das Volk Gottes“ vorgestellt, der noch einmal die Geschichte der Synode zusammenfassen soll und die Herzen der Gläubigen erreichen soll. Ob das gelingt, wird man sehen. Der Brief wurde in der Aula vorgelesen – mit dem Hinweis, dass er per acclamationem angenommen werden könne. Der erhoffte Applaus kommt dann auch. Aber der Text ist noch nicht fest. Eine sehr kurze Aussprache folgt, nicht nur mit Ergebenheitsadressen. Die Kleingruppen haben knapp Zeit, sich auf Änderungsanträge zu verständigen. Ob sie am Brieftext noch etwas ändern, wird sich zeigen.

Dass Kommunikation auch anders geht, haben die Synodalversammlungen in Frankfurt gezeigt: Presseöffentlichkeit war garantiert; sogar ein Livestream wurde geschaltet. Er ist auf sehr großes Interesse gestoßen. Am 10./11. November wird erstmals der Synodale Ausschuss tagen. Wie geschlossen oder offen er angelegt sein wird? Entscheidungen müssen getroffen werden. Aus dem negativen Echo der Kommunikationsabteilung in Rom lassen sich Lehren ziehen.

Synode mit Söding - Tag 19

vom 22. Oktober 2023

Heute ist wieder Sonntag – und die Theologie-Gruppe arbeitet. Die Zeit drängt. Alle Teile des Instrumentum laboris sind einmal besprochen worden. Alle Beiträge in der Synodenaula müssen analysiert und fokussiert werden. Bald gibt es einen ersten Textentwurf, der aber in der Synode noch intensiv weiter besprochen werden muss.

Eine Schlüsselfrage lässt sich direkt aus dem Instrumentum laboris ableiten: Welche Rolle und welche Formen werden in der katholischen Kirche künftig die Bischöfe, welche die Vertretungen des Kirchenvolkes spielen? In Deutschland stehen am 10./11. November der Synodale Ausschuss und der Synodale Rat im Fokus. Anderenorts ist man schon viel weiter.

Am weitesten ist die Entwicklung in Lateinamerika und der Karibik. Dort gibt es schon seit langem kontinentale Bischofsversammlungen. Der Weg des CELAM führte von Rio de Janeiro (1955) über Medellin (1968), Puebla (1979) und Santo Domingo (1992) nach Aparecida (2007). Die Theologie der Befreiung war ein Treiber, sollte gebremst werden und hat doch wieder die Oberhand gewonnen, wenn auch in gewandelter Form. Auf diesem Weg wuchs die Überzeugung, dass sich die Bischofs- zu einer Kirchenversammlung entwickeln müsse. Nicht nur Bischöfe, auch Ordensleute und „Laien“ sollten teilnehmen, als aktive Partner.

Nach der Amazonas-Synode 2019 hat Papst Franziskus die Conferéncia Eclesial da Amazonía (CEAMA) eingerichtet. Der Name ist Programm: In der Kirchenversammlung sind Bischöfe vertreten, aber ebenso „Laien“ und Ordensleute. Nicht zuletzt ist die indigene Bevölkerung integriert. Die CEAMA ist nicht nur ein Repräsentationsorgan oder ein Organisationsinstrument: Sie ist ein synodales Leitungsorgan. Die Leitung ist mit Kardinal Pedro Ricardo Barreto Jimeno (Huancayo) und mit dem „Laien“ Mauricio Lopez Oropeza (Ecuador), der hier als Moderator wirkt, bestens vertreten. Raffael Luciano (Venezuela), der zur Theologie-Gruppe gehört, hat den Prozess intensiv begleitet. Auch Kardinal Lorenz Ulrich Steiner (Manaus) ist in der Synode, der früher zur Leitung der CEAMA gehörte.

Heute Abend treffe ich Birgit Weiler, Theologieprofessorin in Lima, eine missionsärztliche Schwester, die zu den treibenden Kräften und führenden Gestalten der CEAMA gehört. Ich will mit ihr in Ruhe über ihre Erfahrungen sprechen und ihren Rat für die Weiterentwicklung der Synodalität in Deutschland einholen. Sie ist hier, um die Bischöfe aus Lateinamerika vor Ort zu unterstützen. Sie gehört zur Amerindia Gruppe, mit der ich mich schon am letzten Montag getroffen habe. Ich freue mich auf den Austausch.

Am Montag startet die Abschlussphase der Synode wieder im Petersdom.

Synode mit Söding - Tag 18

vom 21. Oktober 2023

Die Synode der katholischen Kirche in Rom ist auch ein ökumenisches Ereignis ersten Ranges.

Erstens wird so etwas wie eine innerkatholische Ökumene sichtbar und hörbar. Man sieht es an der Kleidung, man hört es in den Beiträgen. Es gibt nicht nur die römisch-katholische, es gibt z.B. auch die griechisch-katholische, die syrisch-katholische, die koptisch-katholische, die chaldäisch-katholische, die eritreisch-katholische, die armenisch-katholische, die maronitische, die syro-malabarisch- und die syro-malankarisch-katholische Kirche. Der Kreis zieht sich von Ägypten bis Indien und von der Ukraine bis zum Irak. Heute leben viele Mitglieder in der Diaspora, vor allem in den USA, aber auch in Deutschland, in der unmittelbaren Nachbarschaft römisch-katholischer Gemeinden, häufig ohne richtig bemerkt zu werden. Die katholischen Ostkirchen haben ein eigenes Gesetzbuch des Kirchenrechts; sie haben eigene Riten, sie kennen verheirate Priester. Was ihre wachsende Präsenz tief im Westen bedeutet, ist noch gar nicht richtig abzusehen. In der Synode sind sie mit Delegierten vertreten, die genauso Sitz und Stimme haben wie die römisch-katholischen Mitglieder.

Zweitens sind in der Synodenaula auch andere „Kirchen und kirchliche Gemeinschaften“ vertreten (um den offiziellen Ausdruck der katholischen Kirche zu zitieren). Sie stammen aus der weiten Welt sowohl der Orthodoxie als auch des Protestantismus: Das Ökumenische Patriarchat der Orthodoxie ist da, orthodoxe Schwesterkirchen sind gekommen, der Reformierte, der Methodistische und der Baptistische Weltbund haben Plätze eingenommen; auch die pentekostale Bewegungen haben einen Vertreter. Alle sind offizielle Gäste der Synode und sitzen mit an den Tischen in der Aula. Sie können nicht mit abstimmen. Aber sie haben Rederecht, auch in der großen Generalversammlung. Bei früheren Synoden war ihnen nur ein Grußwort erlaubt; jetzt können sie sich aktiv in die Debatten einbringen: und tun es auch.

In den Beiträgen aus katholischem Mund spielen die innerchristlichen Beziehungen eine große Rolle. Mir fällt auf, wie wichtig in vielen Erdteilen die Beziehungen zur Orthodoxie sind. Wer nur Deutschland vor Augen hat, kann es leicht übersehen. Wer nach Syrien, in den Irak, nach Armenien, in die Ukraine und nach Russland schaut, erkennt, wie überlebensnotwendig eine gute Nachbarschaft, am besten eine Freundschaft ist. Auch die evangelisch-katholischen Beziehungen sind Thema. Allerdings ist der Erfolg der neuen Pfingstkirchen für weite Teile der katholischen Kirche, besonders in Afrika und Lateinamerika, aber auch in Asien, eine echte Herausforderung. Die typische Reaktion: scharfe Kritik an den „Sekten“. Nur wenige fragen selbstkritisch nach den Gründen, weshalb die pentekostalen Bewegungen wachsen.

Die klassischen Partner der Ökumene in Europa und Nordamerika hingegen, der Lutherische und der Reformierte Weltbund, tauchen in den Redebeiträgen der Synodalen nicht auf. Die „Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre“ wurde kein einziges Mal zitiert, geschweige denn eine Erklärung zur Abendmahlsgemeinschaft wie „Gemeinsam am Tisch des Herrn“. Synoden sind aber nicht nur eine Form, in der die Orthodoxie zusammenkommt, sondern auch der Protestantismus. Die konfessionellen Unterschiede im Verständnis und in der Praxis des Synodalen sind klar. Aber aus einem Dialog lässt sich nur gewinnen.

Ein ganz starkes Zeichen hat der ökumenische Auftakt der Synode gesetzt, die Vigil, das Abendgebet, auf dem Petersplatz am Samstag, bevor die Besinnungstage der Synodalen begonnen haben. Der Papst hat gepredigt. Die Brüder von Taizé haben die Form geprägt. Viele Stimmen aus der weltweiten Ökumene waren zu hören. Wegen der Kardinalserhebungen am selben Tag hat die Vigilfeier weniger Aufmerksamkeit gefunden, als sie es verdient hätte. Aber ihre ökumenische Weite reicht über den Tag hinaus.

Synode mit Söding - Tag 17

vom 20. Oktober 2023

Im Mater Dei, dem Gästehaus der Deutschen Bischofskonferenz, beginnt der Tag um 7.15 mit der Eucharistiefeier. Wer dort wohnt, nimmt teil – es sei denn, es gibt wichtige andere Verpflichtungen. Das Frühstück ist eher deutsch als italienisch geprägt. Seit heute gibt es Brot aus Limburg: Der Bischof hatte Besuch und offenbar einen Wunsch geäußert – und nun teilt er wie ein gütiger Hausvater mit allen, die sich beim üblichen Nescafé für den Tag stärken. Das Haus an der Viale delle Mure Aurelie liegt günstig. Deshalb reicht es, um 8.30 zu starten. Die Zwischenzeit nutze ich, um politisch und kulturell halbwegs auf dem Laufenden zu bleiben – wenn über Nacht nicht noch eine Aufgabe hereingekommen ist, die von der Theologie-Gruppe schnell noch zu lösen ist.

In der Synodenaula – heute ist den ganzen Tag Plenum – geht es um 8.45 los. Mit einem Gebet, entweder italienisch oder englisch, das sich am Stundengebet orientiert. Danach kommt der Moment, dass sich die Teilnehmenden mit ihren Tablets, die von der Synode gestellt werden und immer in der Aula bleiben, einloggen müssen. Dazu braucht es den QR-Code auf der Rückseite des Badges.  – dem Sesam-Öffne-Dich der Synode, das alle wie vatikanische Schlüsselkinder um den Hals tragen: Notwendig schon, um von den Schweizer Garden eingelassen zu werden. Die Beteiligungsdisziplin ist groß: An die 340 Personen sind immer präsent.  

Alle Plenumssitzungen sind nach Themen geordnet, die nacheinander aufgerufen werden. Jeder Abschnitt wird in zwei Phasen besprochen. Zum einen werden in rascher Folge die Berichte aus den Kleingruppen vorgestellt, geordnet nach den Unterthemen des Instrumentum laboris, z.B. zur Frage, wie synodale Strukturen in der Kirche aufgebaut werden können. Danach folgen „freie Interventionen“ zu diesen Themen. Die Disziplin ist groß: Die allermeisten halten sich an die 3 Minuten. Es gibt viele Wiederholungen, wie die Methode erwarten lässt. Aber auch sie haben einen Wert, weil sie Schwerpunkte erkennen lassen: Ausbildung, Autoritätskrise, Beteiligungsrechte … viele Erfahrungen, einige Argumente – viele Vorschläge, einige Ideen zur Umsetzung.

Die Sprachen sind, wie vereinbart: Englisch, Italienisch, Spanisch, Französisch und Portugiesisch. Eine Simultanübersetzung gibt es auch ins Deutsche. Die nutze ich oft, weil meine Aufgabe, wie die aller anderen aus der Theologiegruppe, darin besteht, die wichtigsten inhaltlichen Punkte zu markieren, damit deutlich wird, wo Gemeinsamkeiten und Unterschiede bestehen, welche Probleme angezeigt werden und welche Vorschläge gemacht werden, wie man vorankommen kann. Später bekomme ich dann die endgültigen „reports“ aus den Kleingruppen ebenso wie die schriftlichen Fassungen der Interventionen und kann die Schlüsselstellen am Original kontrollieren.

Das Synodenplenum geht vormittags bis 12.30. Danach gibt es das Mittagessen in den Unterkünften. Auf dem Weg komme ich an einer langen Schlange von Autos vorbei, die einen Geheimplatz kennen, wo man an einer Vatikan-Außen-Tankstelle super günstig tanken kann. Im Mater Dei ist die Küche bemerkenswert gut; die Pasta sticht heraus. Die klerikale Siesta gehört in Rom dazu. Ich habe heute die Zeit genutzt, um mich in die Sitzung des ZdK-Hauptausschusses einzuloggen.

Heute Nachmittag geht es von 16-19.15 weiter im Stil des Vormittags. Das Abendessen ist in den Unterkünften (wenn man nicht, wie oft, anderweitig verabredet ist): Im Mater Dei ist es um 20 Uhr. Danach ist frei – wenn nicht noch eine weitere Spezialanfrage in den Mail-Briefkasten flattert oder bei WhatsApp aufploppt.

Morgen ist Samstag. Für die Synode heißt das: Werktag. 

Synode mit Söding - Tag 16

vom 19. Oktober 2023

In der Synode geht es um die künftige Verfassung der Kirche. Welche Rolle wird der Papst, welche werden Bischöfe, welche werden Kleriker und Ordensleute, welche werden vor allem auch Vertretungen des Kirchenvolkes spielen, wenn Synodalität zum Strukturprinzip der Kirche wird, wie Papst Franziskus es vorgeschlagen hat? Die Antworten auf diese Fragen müssen theologisch stimmig sein; denn es geht um einen weiteren Schritt, das Zweite Vatikanischen Konzil in die Gegenwart zu überführen. Bleibt die Kirche bei der absoluten Monarchie als politischem Leitbild? Wird sie demokratische Elemente aufnehmen, um so etwas wie eine konstitutionelle Monarchie zu werden? Oder schafft sie es, aus der Aufarbeitung des Missbrauchs, der Hebung ihrer Ressourcen und der Deutung der Zeichen der Zeit eine eigene Form der qualifizierten Partizipation zu finden? Um diese Frage geht es gerade in der aktuellen Arbeitsphase der Synode.

Die katholische Kirche ist auch eine politische Größe. Viele fordern, dass sie auch durch eine Erneuerung ihrer Verfassung in der Welt von heute ankommen muss. Aber sie darf sich nicht nur auf sich selbst beziehen. Sie ist ein weltweiter Player. Sie muss zeigen, dass Gottes Gerechtigkeit „wie im Himmel, so auf Erden“ Wirkung zeigt.

Die Synode in Rom zeigt ein widersprüchliches Bild. Auf der einen Seite tut sie sich äußerst schwer, ein klares Wort zum Überfall der Hamas auf Israel zu sagen, zum Leid der Opfer, zum Recht auf Verteidigung, zur Geltung der Menschenrechte in Kriegszeiten und zur Gefahr einer unkalkulierbaren Eskalation der Gewalt. Viele Synodale wollen eine solche Erklärung. Sie wissen auch, dass nicht nur im Heiligen Land Krieg herrscht: Ukraine, Kamerun, Südsudan, Mali, Kosovo, Armenien … Die Liste der Schauplätze blutiger Konflikte ist lang und länger. Aus all diesen Regionen kommen Synodalmitglieder; viele beklagen, von der Weltöffentlichkeit vergessen zu sein. Aber die jüdisch-christlichen Beziehungen sind sui generis. Deshalb gibt es Kritik an der Synode, dass sie kein Wort findet.

Auf der anderen Seite ist die Synode sehr aufmerksam für alle Probleme, die durch erzwungene Migration entstehen. Die katholische Kirche ist in den Ländern präsent, aus denen die Menschen fliehen, und in denen, in die sie fliehen. Die Solidaritätsbekundungen sind glasklar. Ein Seenotretter ist Delegierter und hat unter Beifall gesprochen.

Heute Abend gab es ein Gebet „per il miganti e rifiuti“. Der Papst nahm teil, das Gebet stand im Synodenprogramm.  Es fand auf dem Petersplatz statt, und zwar dort, wo seit dem 29. September 2019, dem 105. Welttag der Migranten und Flüchtlinge, eine neue Statue aufgestellt worden ist: Ein hoffnungslos überfülltes Flüchtlingsboot mit Menschen voller Angst und Hoffnung. Der Künstler: Der Kanadier Timothy Schwartz. Der Titel: „Angels Anaware“; unerwartete Engel, gemäß der Mahnung des Hebräerbriefes: „Vergesst die Gastfreundschaft nicht; denn durch sie haben einige, ohne es zu ahnen, Engel beherbergt.“

In seiner Predigt legte der Papst das Gleichnis vom barmherzigen Samariter aus: Die Wege der Migranten heute sind so gefährlich wie damals der Weg von Jerusalem nach Jericho. Alle sehen. Viele gehen vorüber. Es kommt aber auch darauf an, zu helfen. Das ist nicht nur eine Sache von Einzelnen. Die Politik ist gefragt.

Auf der Statue wird auch ein verfolgter Jude dargestellt. Das Gebet heute Abend muss der Initiative „Gedenken wir gemeinsam“ verbunden werden. Die erinnert an die an die Deportation der römischen Juden am 16. Oktober 1943  – vor 80 Jahren.

In ihren Gebeten und Riten hat die katholische Kirche ein lebendiges Gedächtnis des Leidens, das politisch relevanter ist als die meisten Einzelentscheidungen. Aber es braucht auch die klaren Worte. Und die entsprechenden Taten.

Synode mit Söding - Tag 15

vom 18. Oktober 2023

Am Mittwoch ist Audienz auf dem Petersplatz. Die Massen strömen. Lange Schlangen bilden sich. Um 8 Uhr morgens ist kein Durchkommen mehr. Vor den Sicherheitsschleusen stehen die Menschen lang die Via di Porta Cavallegeri hoch. Zu den Schweizer Garden, die den eigentlichen Eingang beim „Heiligen Offizium“, dem trutzigen Gebäude der Glaubenskongregation, bewachen, ist kein Durchkommen. Gott sei Dank gibt es einen Schleichweg durch die Porta del Perugino ein wenig den vatikanischen Hügel hinauf.

Heute wurde das letzte Hauptkapitel des Instrumentum laboris  aufgeschlagen. Deshalb stand wieder eine Eucharistiefeier im Petersdom auf dem Programm. Diesmal mit europäischem Akzent. Und das hieß: Gregorianik. Ich höre die Musik gerne, zumal wenn sie exzellent gesungen wird. Aber im Vergleich mit der Musik Afrikas hätte ich mich auch über das eine oder andere neuere Lied sehr gefreut.

Auf dem Weg durch die Porta, die man mit dem Spezialausweis der Synode passieren darf, komme ich an Tausenden von Menschen vorbei: jung und alt, aus aller Herren Länder, in vielen Muttersprachen. Sie wollen auf den Petersplatz, zum Papst, der ein Gebet sprechen, eine Ansprache halten und einem Segen spenden wird. Man muss sich vorher Karten besorgt haben, z.B. beim Deutschen Pilgerzentrum, und kommt dann umsonst auf den, wie viele sagen, spektakulärsten Platz der Welt.

Was mag die Menschen anziehen? Ist es Traditionalismus? Ist es Sensationsgier? Ist es der Herdentrieb? Wohl kaum. Eher ist es der Wunsch, sich zu vergewissern, der katholischen Kirche anzugehören, die so große Räume bespielen und so viele Menschen zusammenbringen kann. Ohne Rom und den Papst gäbe es die katholische Kirche nicht

Wer von den Petersplatzpilgern mag wissen, dass wenige Meter entfernt in der riesigen Aula, die im gewaltigen Gesamtensemble gar nicht so groß scheint, die Weltsynode tagt? Ich gebe mich keinerlei Illusionen hin. Aber eines ist klar: So groß die Synode mit insgesamt über 400 Personen auch ist – sie ist eine riesige Blase. Wer aus ihr nicht herauskommt, sollte das Mandat zurückgeben. Der ganze Aufwand hat nur einen Sinn: dass die Menschen, die sich zur katholischen Kirche rechnen, auch eine größere Chance haben, ihren Glauben in ihrer Kirche ausdrücken zu können. Dass der Klerikalismus überwunden wird. Dass der Machtmissbrauch nicht vertuscht, sondern aufgedeckt wird. Dass Frauen zu ihrem Recht kommen. Dass die Option für die Armen keine Sprechblase ist. Viele Menschen hadern damit, von Gott berufen, von der Kirche aber nicht auserwählt zu sein.

Und wenn ich etwas weiter sehe: Jenseits der Engelsburg ist vom Vatikan in der Stadt Rom nicht mehr allzu viel zu spüren. Aber die Kirche will doch eine Kirche für alle sein. Ich wage nicht, die Zahl derer zu prognostizieren, die gar nicht wissen, dass die Weltsynode stattfindet – und was eine Synode ist. Aber ich will auch klar sagen: So sehr der Fokus auf innerkirchlichen Verfassungsfragen liegt, sind sie nur ein Mittel zum Zweck, Kirche heute zu sein. Von einer Kirche, die nicht auf die Menschen wartet, sondern zu den Menschen unterwegs ist, wird viel gesprochen. Taten müssen folgen. In der Synode können die Weichen dafür gestellt oder verstellt werden.

Synode mit Söding - Tag 14

vom 17. Oktober 2023

Heute Morgen habe ich Irme Stetter-Karp in Rom getroffen. Seit gestern hat sie ein strammes Programm absolviert: Arbeitsfrühstück beim Botschafter am Heiligen Stuhl, Hintergrundgespräch mit Leitmedien im KNA-Büro Rom, Ausstellungseröffnung im Deutschen Pilgerzentrum als Schirmherrin der Ausstellung „Die Bibel in Formen und Farben“, Treffen mit Peter Beer, früher Generalvikar in München, heute Professor an der Gregoriana und Leiter des Forschungszentrums zur Prävention am Kinderschutzzentrum der Päpstlichen Universität. Daneben viele Gespräch vor Ort und unterwegs: Rom ist voll mit Leuten, die an der katholischen Kirche interessiert sind und die Präsidentin des ZdK kennen. Religion und Politik, Kultur und Öffentlichkeit, Prävention und Reform: Das sind identity markers des ZdK, die auch in Rom wichtig sind. Die katholische Kirche in Deutschland wird in Rom genau beobachtet – und umgekehrt. 

Heute begann der Tag mit der Eucharistiefeier und einem Frühstück im Gästehaus der Deutschen Bischofskonferenz. Der Vorsitzende, Bischof Georg Bätzing, hatte Irme Stetter-Karp eingeladen. Alle bischöflichen Delegierten aus Deutschland, die in Rom sind, waren zusammen. In der Tageslesung aus dem Römerbrief: steht „Ich schäme mich des Evangeliums nicht.“ Großartig. Aber wer wollte heute selbstbewusst sagen: „Ich schäme mich der Kirche nicht“? Paulus analysiert scharf das Problem: Menschen verfallen der Sünde, wenn sie Gott sein wollen. Eine Kirche, die Menschen beherrscht, als ob sie Gott wäre, ist sündig. Desto mehr kommt es auf das Evangelium an: Gerechtigkeit vollendet die Barmherzigkeit, Barmherzigkeit vollendet die Gerechtigkeit.

Die Atmosphäre des informellen Gespräches ist mit dem Römerbrief treffend charakterisiert: Das Vertrauen zwischen ZdK und DBK ist gewachsen, auch wenn es sich immer neu bewähren muss. Sich der Kirche nicht mehr schämen zu müssen – das ist eine gemeinsame Hoffnung, die sehr viel Arbeit macht.

Das ZdK ist nicht nur eine nationale Organisation. Es ist weltweit vernetzt: Vor allem durch die Hilfswerke, die in der ganzen Welt und auch in Rom hoch anerkannt sind. Allerdings werden sie als „Bischöfliche“, nicht als „Kirchliche Hilfswerke“ wahrgenommen, die sie aber sind, auch wenn sie anders heißen. Die Themen des Synodalen Weges, die das ZdK stark macht, sind weltweit on top auf der katholischen Agenda. Die internationale Vernetzung auf der „Laien“-Ebene wird stärker. Ich kann kaum noch zählen, wie oft ich im Foyer und bei Rahmenveranstaltungen gehört habe, wie gut es ist, dass es den Synodalen Weg in Deutschland gibt und wie gut es wäre, eine ähnliche Organisation der „Laien“ zu haben wie bei uns.

Das Zeichen, das Irme Stetter-Karp mit ihrem Besuch gesetzt hat, ist deutlich sichtbar geworden: Die Politik ist an der Kirche, die Kirche ist an der Politik interessiert. Das eine gilt es vom anderen klar zu unterscheiden. Aber das eine darf nicht gegen das andere ausgespielt werden. Rom und die katholische Kirche in Deutschland gehören zusammen – auch wenn es sich beide Seiten nicht immer miteinander leicht machen. Das ist nicht neu – aber der Versuch, einen Keil zwischen dem Synodalen Weg in Deutschland und dem der Weltkirche zu treiben, ist gescheitert.

Synode mit Söding - Tag 13

vom 16. Oktober 2023

Heute beginnt in den Schriftlesungen der Werktagsmessen die Serie mit dem Römerbrief. Phoebe aus Korinth hat ihn überbracht und erläutert: Rom hat ziemlich am Anfang seiner Geschichte durch eine Frau Anschluss an die apostolische Überlieferung gefunden.

Phoebe kommt aus Kenchreä, einer Hafenstadt von Korinth. Dort hat Paulus gelebt, als er seine Reise nach Rom geplant hat, die seine Mission in Spanien vorbereiten sollte. In Kenchreä war sie „Dienerin“ – so steht es in der Einheitsübersetzung (Römerbrief 16,1-2). Aber im griechischen Text steht diakonos. Das Wort ist, wie damals üblich, im generischen Maskulinum gehalten. Die Übersetzung lautet: „Diakon“ – oder eben „Diakonin“. Wo im Neuen Testament ein Mann als diakonos gemeint ist, steht im Deutschen „Diakon“. Warum es bei Phoebe anders sein soll? Man kommt auf Gedanken.

Die Mission der Phoebe ist der genau richtige Beitrag zu diesem Tag der Synode. Heute und morgen geht es in den zahlreichen Kleingruppen um die Formen, aber auch um die Subjekte der Sendung. So lange es allgemein bleibt, wird in Rom gerne das Hohe Lied gesunden: Alle sind gesendet, alle haben ihr eigenes Charisma, alle sollen verkünden – vor allem die Frauen.

Wenn es konkret wird, flaut bei vielen die Begeisterung schnell ab. Worauf sich die Synode verständigen wird, lässt sich noch nicht abschätzen. Für wegweisend halten viele die Antwort, die Papst Franziskus – sicher mit Hilfe des neuen Präfekten der Glaubenskongregation – auf die sog. „dubia“, die (gespielten) Zweifel, von fünf Kardinälen, die allesamt längst nicht mehr im aktiven Dienst sind, gegeben hat. Auch was die Rolle von Frauen in der katholischen Kirche angeht. Was die fünf Zweifler wollen, ist klar: keine Debatte über das Schreiben von Papst Johannes Paul II., dass die Kirche keine Vollmacht habe, Frauen zu Priestern zu weihen; und keinen (sakramentalen) Diakonat für Frauen, weil damit angeblich die Einheit des Weiheamtes verletzt werde.

Aber die Antwort zeigt, dass Argentinien nicht nur im Fußball zu kontern versteht. Drei Pässe werden gespielt.

(1.) Frauenförderung muss mit den Mitteln, die es jetzt schon gibt, entschieden gefördert werden; ein paar Personalentscheidungen bei Spitzenpositionen in der Kurie zeigen das schon – es fehlt nur noch die Ernennung einer Präfektin.

(2) Der sakramentale Diakonat von Frauen ist dogmatisch nicht entschieden. Er ist also auch nicht ausgeschlossen. Die bisherigen beiden Studiengruppen waren so zusammengesetzt, dass eher die Gegensätze herausgearbeitet wurden, als dass Lösungsmöglichkeiten angebahnt wurden. Schauen wir, ob aller guten Dinge drei sind. Viele Mitglieder der Synode, mit denen ich sprechen kann, erwarten eine gute Lösung.

(3) Über das Autoritätsgewicht und die theologische Stimmigkeit von „Ordinatio Sacerdatolis“ ist das letzte Wort noch nicht gesprochen; es braucht also eine offene Diskussion, aber keine Denk-, Sprech- und Lehrverbote.

Der Beschluss auf dem Synodalen Weg in Deutschland war genau so strukturiert – drei Impulse, step by step. Ehe jetzt die Spekulationen ins Kraut schießen, dass der Papst abgeschrieben hat: Es gibt eine Sachlogik, wenn man die Widersprüche zwischen Frauenrechten und herrschender Lehre synodal auflösen will.

Heute Mittag gab es am Rande der Synode ein Treffen von Amerindia. Die Gruppe hat sich bei der Amazonien-Synode gebildet. Sie unterstützt jetzt die lateinamerikanischen Delegierten. Die Gruppe zeigt, dass die Befreiungstheologie lebendig ist: Ökologie, Feminismus, Inkulturation kommen in der Initiative zusammen. Sie zeigt beispielhaft auch , was Frauenpower ist und weshalb die Kirche ohne sie zusammenbricht. Männer sind willkommen – also bin ich hingegangen: und habe sehr viel an Mut und Hoffnung mitgenommen.

Synode mit Söding - Tag 12

vom 15. Oktober 2023

Heute ist der Sonntag der Weltmission – jedenfalls in Rom. In Deutschland wird er am nächsten Sonntag gefeiert.

Synodalität und Mission gehören zusammen – das ist gerade das aktuelle Thema der Synodenberatungen. Gestern sind die Kleingruppen, die nach wie vor mit großem Fleiß und guter Disziplin tagen, intern zu Konsensen gekommen, was sie der Synode vorstellen wollen. Die „esperti“ haben gestern Nachmittag alle schriftlich eingereichten Einzelbeiträge von Teilnehmenden in den Kleingruppen erhalten, so dass ein erster Eindruck da ist, welche Inputs es gegeben hat. Aber erst Morgen, am Montag, wird es mit Berichten aus den Gruppen und mit Einzelbeiträgen inhaltlich weitergehen.

Heute war Zeit, Mission live zu erleben. (Wenn man das Wort „Mission“ englisch ausspricht, klingt es gleich besser.) Der Vizepräsident der Europäischen Bischofskonferenz (CCEE), László Nemet, Erzbischof von Belgrad, hatte mich und zwei weitere Mitglieder der Theologenkommission ins Generalat der Steyler Missionare (SVD) eingeladen, ganz nahe bei Piramide Cestia und Stazione  Ostiense. Die „Steyler“ sind einer der derzeit aktivsten Missionsorden. Es gibt eine Männer- und eine Frauen-Kommunität, zudem eine kontemplative.

Desto wichtiger ist die Frage, was sie unter Mission verstehen und wie sie Mission treiben. Man konnte es dort dreifach sehen: bei katechetischen Einführungen zu SVD-Missionen in Indonesien und Ecuador, beim Gottesdienst selbst und hernach bei einem großen Missionsfest im Park der Zentrale.

„Missione interculturale“ ist das Leitwort: Mission also nicht als Propagandaveranstaltung für die katholische Kirche, sondern als Dialog, in dem das Evangelium Jesu Christi klar zu Wort kommt, aber auch die indigenen und traditionellen Kulturen der Völker zu ihrem Recht kommen. In der Einführung wurde klar: Mission ist im Kern Sozialarbeit. Auch Bildungsarbeit. Da wird der Glaube nicht verschwiegen, aber im Mittelpunkt steht, dass Menschen leben können: mit einer Berufsausbildung, mit einem Dach über dem Kopf, mit Sozialstationen.

Die Liturgie war die lateinische des Zweiten Vatikanischen Konzils. Aber die Sprachen waren Italienisch, Indonesisch, Vietnamesisch, Spanisch, Slowakisch, Englisch, Polnisch, Portugiesisch, auch Deutsch. Anstrengungslos. In einem Konzert der vielen Stimmen, das zeigt, wie vielfältig die Einheit und wie einig die Vielfalt sein kann. Einige Bischöfe aus der Synode waren dort, aber auch andere Synodale. Die Kirche war brechend voll mit jungen und älteren Leuten, ersichtlich nicht nur aus Rom, sondern auch aus dem (von Deutschland aus) Fernen Osten, aus Indien und aus (von Europa aus gesehen) Subsahara.

Das Fest danach war ein Fest, mit Speisen und Getränken aus allen Kontinenten, mit Musik und Tanz, mit vielen Menschen, die fröhliche Gesichter hatten, auch mit kurzen nachdenklichen Gesprächen: Die Krise der Kirche gibt es überall. Überall gibt es aber keineswegs Grund zur Depression, sondern mal größere, mal kleinere Aufbrüche, mit engagierten Jungen und aufgeschlossenen Älteren.

Es gibt nichts zu idealisieren. Der Missbrauch hat auch die Steyler Mission verätzt. Aber es gibt doch diese Momente, in denen es schlicht und ergreifend schön ist, in einer weltweiten Kirche zusammenzugehören, auch wenn die sprachliche Verständigung nicht immer auf Anhieb klappt.

Synodalität und Mission gehören zusammen – darin ist sich die Synode einig. Warum und wie aber die katholische Identität, die aus der Tradition abgeleitet wird, mit der Innovation zusammengeht, die an der Zeit ist: Darüber gehen die Ansichten auseinander.

Der Tag der Weltmission bei den Steylern hat die Richtung gezeigt: für die Freiheit des Glaubens, weil der Heilige Geist die Räume weitet, in denen Menschen zusammenkommen, im Namen Jesu.

Synode mit Söding - Tag 11

vom 14. Oktober 2023

Die Weltsynode soll die Weichen für die Zukunft der Kirche stellen. Aber wo sind die jungen Leute? In der Synodenaula so gut wie gar nicht.

Ja, in der Schlange vor dem Espresso-Stand spricht mich ein 19jähriger Musikstudent aus den USA an, weil er meinen Schlips cool findet (oder sich nur freundlich über einen älteren Herrn aus Old Europe wundert, der ein solches Kleidungsstück trägt …): und ich kann ihm erzählen, dass auf dem Synodalen Weg in Deutschland (den er nicht so richtig wahrgenommen hatte) eine eigene Gruppe von Delegierten „unter Dreißig“ den Ton mitbestimmt hat, was er wieder „cool“ findet.

Und ja, Julia Oşeka, eine 22jährige Studentin aus den USA, hat ein ganz starkes Ausrufezeichen gesetzt, als sie die tragische Geschichte ihrer lesbischen Schwester erzählte, die in der Kirche nur Zurückweisung erfahren hat. Und diese traurige Erinnerung mit strahlenden Augen lebendig werden lässt, weil sie fest an die Erneuerung der katholischen Kirche glaubt. Es fügte sich, dass ihr Beitrag der letzte an einem Synodentag war – hoffentlich verhallt das Echo nicht.

Aber sonst? Durch die Berufung von achtzig Personen, die nicht Bischöfe sind, ist das Durchschnittsalter der Synode ein wenig gesenkt worden. Aber wer kann es sich leisten, als Jugendlicher, als Mutter oder als Vater mit kleinen Kindern, als Mensch mitten im Berufsleben vier Wochen nach Rom zu einer Synode zu kommen?

Desto wichtiger ist die Verantwortung der Älteren. Sie dürfen die Kirche nicht mit den Augen der Vergangenheit sehen. Sie müssen die Anwaltschaft für diejenigen übernehmen, die hier nicht vertreten sind. Für die Zukunft müssen in einer Synode neue Formen gefunden werden, in denen junge Menschen aus der ganzen Welt ihre Stimme erheben können.

An jungen Leuten in Rom fehlt es nicht. Heute Abend hat der BDKJ mit seinen europäischen Partnerorganisationen die Delegation aus Deutschland in einen DACHS-Bau eingeladen. Es wird eng, aber darum geht es ja. Einige Gruppenmitglieder, die aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und Südtirol dabei sind, habe ich schon kurz bei den Schweizer Garden getroffen. Heute sind auch Bischöfe dabei, und wir haben mehr Zeit – hoffentlich um die Tugend des Hinhörens einzuüben, von der in der Synode immer und immer wieder gesprochen wird. Ich freue mich auf den Abend. 

Synode mit Söding - Tag 10

vom 13. Oktober 2023

Heute begann ein neuer Abschnitt der Arbeit am Instrumentum laboris. Es geht um die Sendung der Kirche – und zwar nicht nur um die Inhalte, sondern um die Räume und Zeiten, in denen das Evangelium verkündet und gehört, geglaubt und weitergegeben werden soll. Vor allem geht es um die Frage, wer zur Verkündigung des Evangeliums fähig und berufen ist.

Wegen des neuen Themas begann der Tag wieder mit einer Eucharistiefeier im Petersdom. Diesmal gab Afrika die liturgischen Töne vor. Der Ritus ist römisch, die Sprachen waren Französisch, Kisuaheli, Englisch und Latein. Den Vorsitz hatte Kardinal Fridolin Ambongo Besungo, ein Kapuziner, der Erzbischof von Kinshasa. Afrikanische Töne, von einer römischen Orgel begleitet, ertönten besonders schön beim Gabengesang.

Die Synode ist eine Weltsynode. Man sieht es an den Gesichtern und Gestalten, den Kleidern, den An- und Aufzügen, den Gesten. Man hört es auch. Am wichtigsten ist, dass die Erfahrungen, die Berichte, die Überlegungen, die in Teilen dieser Welt wichtig sind, zu Gehör kommen. Wenn eine junge Frau aus Ozeanien von den direkten Folgen der Klimakrise auf das Leben der Menschen und damit auch auf das Leben der christlichen Gemeinden spricht, merke ich, dass es ernst ist und dass ich stärker bewegt bin, als wenn ich Statistiken oder Artikel lese. Wenn ein frisch ernannter Kardinal aus dem Süd-Sudan über den schrecklichen Krieg in seinem Land spricht, kann man eine Stecknadel zu Boden fallen hören – und die Fragen, wie die Kirche gestaltet sein muss, damit sie die Zeichen der Zeit erkennt, werden nicht unwichtiger, sondern wichtiger.

Der globale Süden ist in der Synode kein Thema, über das gesprochen wird. Er spricht selbst, mit starken Voten. Das ist ein Pfund, mit den die Synode wuchern kann.

Heute Abend geht es zu missio, zu einem weltkirchlichen Austausch. Am 5. Oktober war Birgit Mock, ZdK-Vizepräsidentin, dort und hat Flagge gezeigt. Diesmal findet das Gespräch hinter verschlossenen Türen statt.

Über die Öffentlichkeitsarbeit der Synode braucht es noch einmal einen eigenen Blog. Später.

Synode mit Söding - Tag 9

vom 12. Oktober 2023

Die Synode ist nicht nur ein kirchliches, sondern auch ein politisches Ereignis. Heute Mittag habe ich die üppig bemessene Siesta der Synode in der Deutschen Botschaft beim Heiligen Stuhl verbracht – aber keine Siesta gehalten. Der Botschafter, Dr. Bernhard Kotsch, hatte geladen, 20 Gesandte diplomatischer Vertretungen aus Europa sind der Einladung gefolgt: Ein Gespräch über den Synodalen Weg in Deutschland.

Die Brisanz ist groß: Die kritischen Briefe aus dem Vatikan haben viele irritiert, auch in der Welt der Politik. Der Synodale Weg in Deutschland, der systemische Antworten auf den systemischen Missbrauch geistlicher Macht entwickelt, ist auch ein politisches Ereignis, weil die Kirche in den letzten Jahrzehnten viel zum gesellschaftlichen Zusammenhalt beigetragen hat und die Politik kein Interesse an einer geschwächten Kirche hat, so genau sie die Trennung von Staat und Kirche beachten muss.

Ich habe in einer kurzen Rede zuerst die synodalen Traditionen, die wir in Deutschland seit langem haben, in die politische und ökumenische Landschaft eingeordnet: Der Synodale Weg ist ein konsequenter Schritt gewesen, dem weitere folgen werden. Vor allem habe ich erklärt, dass das ZdK, aus einer demokratischen Revolution hervorgegangen, bei seinen vielen Wandlungen eine unabhängige Organisation der katholischen Vereine, Verbände und Räte geblieben ist – nicht von der Bischofskonferenz gegründet, aber von ihr anerkannt. Diese Konstellation ist in der Welt ungewöhnlich bis unbekannt. Ohne sie hätte es den Synodalen Weg nicht gegeben.

Ich habe zweitens den Anlass, die Missbrauchsstudie, in Erinnerung gerufen – mit dem Hinweis auf das gesamtgesellschaftliche Problem und seine spezifisch kirchlichen Formen. Mit der Bemerkung, dass sich viele in der Kirche schwer damit tun, der Wahrheit ins Gesicht zu sehen.

Drittens habe ich betont, dass sich die katholische Kirche in Deutschland nicht von anderen Kirchen und von „Rom“ absondert, sondern sich als Teil der Weltkirche sieht, aber auch klar ihre Verantwortung in und für Deutschland wahrnimmt.

Das anschließende Gespräch war lang und gut: interessierter Respekt, nachdenkliche Neugier und weiterführende Nachfragen. Eine solche Runde ist nicht selbstverständlich, aber wichtig. Dem Botschafter habe ich für die Initiative herzlich gedankt.

Hier können Sie mein kurzes Statement nachlesen. 

Synode mit Söding - Tag 8

vom 11. Oktober 2023

Was ändert sich durch die Synode? Der Papst und diejenigen, die für die Organisation der Synode verantwortlich sind, haben kein klares Ziel vorgegeben, wie katholische Synodalität in zwei, in zehn, in zwanzig Jahren aussehen soll. Diese Offenheit ist Chance und Risiko zugleich. Sie zeigt, wie überfällig es ist, dass sich die katholische Kirche davon Rechenschaft ablegt, in welchen neuen Formen sie grundlegende Entscheidungen treffen will – und dass sie Konsequenzen zieht. Die Themensetzung und die Form der Synode markieren ein: Wir haben verstanden, dass wir noch nicht verstanden haben, aber verstehen müssen.

Wohin soll die Reise gehen? Es gibt nicht den einen großen Wurf für alle. Wenn es gut geht, schafft die Synode Räume für verschiedene Möglichkeiten. Die Erwartungen und die Befürchtungen sind stark – aber durchaus gegenläufig. Aus diesen Spannungen positive Energie zu gewinnen, wird nicht ganz leicht.

Die Arbeitsgrundlage, das Instrumentum Laboris, war in früheren Synoden schon ein ausgeführter Text, so etwas wie die erste Vorlage für das programmatische Abschlussdokument. Man konnte an der einen und anderen Stelle Vorschläge für Veränderungen machen, aber das Wesentliche stand bereits fest, vorgegeben durch diejenigen, die vom Papst in die Synodenkommission berufen worden waren, bevor die Synode zusammentrat (die eine reine Bischofssynode war).

Diesmal ist es anders. Das Instrumentum Laboris enthält zwar eine kurze thematische Eröffnung (Teil A). Aber dann geht es (Teil B) in drei Schritten auf den Weg der Konkretisierung: Gemeinschaft – Mission – Teilhabe. Zu diesen Themenfeldern finden sich im Instrumentum vor allem Fragen. Sogar „Arbeitsblätter“ gibt es. Ich gestehe: Das habe ich am Anfang unterschätzt, weil ich bisher den anderen Stil kannte.

Aber es geht dieses Mal tatsächlich darum, die Synode als einen Ort des Hinhörens und des Austausches zu gestalten, damit Entscheidungen besser als früher vorbereitet werden. Ob das gelingen wird? Die kirchlichen Situationen und Kontexte sind so unterschiedlich, dass es ganz unterschiedliche Geschwindigkeiten und Richtungen gibt. Für die einen ist es eine beglückende Erfahrung, in der katholischen Kirche überhaupt einmal laut sprechen zu dürfen; andere kennen das längst und drängen auf Entscheidungen – und sollten nicht erwarten, dass Andere, wenn sie Entscheidungen treffen, zu genau denselben Ergebnissen wie sie selbst gelangen.

Wird die katholische Kirche diese Vielfalt aushalten? Wird sie Diversität nur dulden? Kann sie lernen, ihren Reichtum zu genießen? Ist sie bereit, Unterschiede zu machen, ohne auseinanderzubrechen? Auf diese Fragen braucht es Antworten.

Synode mit Söding - Tag 7

vom 10. Oktober 2023

Die Tischgruppen in der Synodenaula sind neu zusammengesetzt, nach Sprachgruppen und thematischen Schwerpunkten, moderiert von „Vizepräsidenten“ auf Zeit, unterstützt von „facilitators“. Morgens tagen die Kleingruppen, nachmittags kommt die ganze Versammlung wieder zusammen. Zuerst für Berichte aus den Circuli minores, dann für freie Interventionen. Die Theologie-Gruppe produziert derweil Textbausteine für eine Zusammenfassung und Aufbereitung der Synodenbeiträge in der ersten Phase (Teil A des Instrumentum laboris: Grundlagen). Die richtigen Themen, denke ich, sind identifiziert. Doch die Stile, Theologie zu treiben, sind unterschiedlich und müssen aber so gut wie möglich zusammengeführt werden. Das wird noch spannend.

Die Synode spricht vor allem Englisch und Italienisch, aber auch Spanisch, Französisch und Portugiesisch. Deutsch ist nicht mehr offizielle Synodensprache, auch wenn es eine Simultanübersetzung ins Deutsche gibt.

Die Sprachenfrage ist hoch politisch. Die Gewichte in der katholischen Kirche sind verschoben. Englisch ist die wichtigste Weltsprache der Gegenwart, auch wenn viele aus Lateinamerika und Osteuropa die Sprache nicht lieben. Spanisch ist die katholische Sprache Nr. 1. Der globale Süden gewinnt an Gewicht. Asien wird immer stärker. Das Selbstbewusstsein der Delegierten, die von dort kommen, wo die Kirche wächst, ist sehr groß.

Deutsch war in den früheren Synoden immer wichtig: nicht nur für Deutschland, Österreich und die Schweiz, sondern auch für Osteuropa, für den Balkan und den Nahen Osten. Keine andere Sprachgruppe war diverser als die deutsche. Auch diesmal wäre sicher mehr als nur eine deutsche Sprachgruppe zusammengekommen.

Es hilft aber nicht, zu jammern. Dass es keine deutsche Sprachgruppen mehr gibt, hat auch Vorteile: Die Synodenmitglieder mit Deutsch als Muttersprache verteilen sich sehr gut auf andere Sprachräume. Dadurch nehmen sie direkt auf, was und wie andere denken – und können ihrerseits die eigenen Erfahrungen im direkten Gespräch mit anderen einbringen.

Früher war es leicht, präzise Texte auf Deutsch zu formulieren, aber schwer, sie über die Hürde der Sprachbarrieren zu hieven. Heute ist es für Deutschsprachige wichtig, die genaue Bedeutung von Schlüsselbegriffen in anderen Sprachen zu lernen. Das geht, erfordert aber große Aufmerksamkeit.

Als Neutestamentler denke ich bei der Sprachenfrage an Pfingsten. Es gibt keine privilegierten Sprachen. Alle Muttersprachen dieser Welt sind gleichberechtigt, in allen kann Gottes Wort auf menschliche Weise gleich gut ausgedrückt und verstanden werden.

Die Sprache der katholischen Kirche ist weder Babylonisch noch Esperanto. Die Sprache der katholischen Kirche ist die Übersetzung – und das nicht nur im linguistischen Sinn des Wortes.

Synode mit Söding - Tag 6

vom 9. Oktober 2023

Die Welt steht in Flammen. Jetzt herrscht auch in Israel Krieg. Die Synode hier in Rom mag manchen wie eine Insel der Seligen erscheinen. Aber das ist sie nicht. Zum einen soll sie sich mit der Krise der Kirche befassen. Zum anderen gibt es Fenster zur „Welt draußen“, wie hier einige tatsächlich sagen.

Gestern hat der Papst beim sonntäglichen Angelus auf dem Petersplatz klare Worte der Kritik an religiös aufgeladener Gewalt gefunden. Heute begann die Synodenversammlung mit einem Gebet um Frieden im Heiligen Land. Aber schon vorher wurde ein Zeichen gesetzt: durch die Feier der Eucharistie am Morgen im Petersdom.

Zu Beginn eines jeden der großen Kapitel in den Beratungen ist diese Feier vorgesehen. Heute war es wieder soweit. Die ersten Tage der Synode dienten der allgemeinen Orientierung: Was wird rundum in der katholischen Welt als Synodalität erfahren, verstanden und gestaltet? Jetzt wird es Schritt für Schritt konkreter. Der große zweite Teil beginnt (Instrumentum Laboris B): Wie kann die katholische Kirche eine Gemeinschaft sein, die Gott ausstrahlt? Was alles dagegen spricht, ist schnell aufgezählt – und so schnell kommt man nicht ans Ende. Gibt es auch positive Signale?

Der Gottesdienst wurde im byzantinisch-katholischen Ritus gefeiert – die Göttliche Liturgie des Johannes Chrysostomus. Der Vorsteher war der Patriarch der Melkiten, Joseph Absi mit Sitz in Damaskus. Die Predigt hielt Kardinal Béchara Pierre Raï aus Beirut, der maronitische Patriarch „von Antiochien und des ganzen Orients“. Melkiten und Maroniten haben sich früher als Konkurrenten gesehen – heute feiern sie die Liturgie zusammen. Beide sind im Libanon zuhause – in einem zerrissenen Land direkt bei Israel. Beide sind mit Rom uniert – und behalten ihre eigene Liturgie ebenso wie ihr eigenes Gesetzbuch bei.

Die Geschichte der Kirche im Osten und Westen ist seit mehr als tausend Jahren von Missverständnissen und Misstrauen geprägt, auch von Gewalt und Krieg. Umso wichtiger ist es, dass Kirchen des Ostens Friedenskirchen geworden sind, aus leidvoller Erfahrung. Sie sind Brücken in die Orthodoxie; sie vertreten Minderheiten, die unter Druck stehen; sie vermitteln die semitische Kultur mit der lateinischen, ob sie nun griechisch-katholisch oder syrisch-katholisch sind.

Ja, die Göttliche Liturgie mag vielen fremd erscheinen, die nur die Eucharistiefeier im Stil des Zweiten Vatikanischen Konzils kennen (und die auch ich besonders liebe). Die von den Vatikan-Zeremoniaren organisierte Sitzordnung in der Kirche ist klerikal, nicht synodal. Im byzantinischen Ritus wird dasselbe Geheimnis des Glaubens gefeiert – aber anders. Die griechische Sprache lebt auf, heute mit der italienischen und der französischen verbunden. Der Altarraum ist voll von Männern in den prächtigen Klerikergewändern des Ostens. Kronen schmücken die Häupter der wichtigsten Zelebranten. Der Chor – allesamt gleichfalls Männer – wiederholt immer und immer wieder die altbekannten Formeln des Glaubens: Vergewisserung der eigenen Identität, Verkündigung des dreieinigen Gottes, Akklamation der Dogmen ökumenischer Konzilien. Es gibt Prozessionen und Gebete der Kleriker. Das Weihrauchfass wird geschwungen – und dazu erklingen Glöckchen. Kerzen leuchten, Ikonen stehen im Altarraum: ein Bild des Himmels auf Erden – das ist die Idee.

Auch diese Sprache ist katholisch. Wer sie nicht versteht, wer eine andere Sprache lieber spricht: Wichtig ist, dass die Stimme des Orients erklang. Wichtig ist, dass nicht Kriegsgesänge ertönten, sondern Friedensmelodien erklangen. Wichtig ist, dass die Liturgie Ost und West verbindet, Rom und Israel, das Heilige Land der Zeit Jesu und die Welt heute. Und: Die Predigt des Patriarchen hatte es ins sich: Wer noch sagt, „die Deutschen“ gingen einen Sonderweg, wenn Sie sich mit Frauenrechten, mit Inklusion und mit Partizipation befassen, wird eines Besseren belehrt.

Der Gottesdienst wurde am Altar der Kathedra Petri gefeiert, in der riesigen Apsis des Petersdomes, noch hinter dem Hochaltar: ein privilegierter Ort. Aber während der gesamten Liturgie war – wie von einem Bienenschwarm – aus dem Kirchenschiff das Stimmensummen der Menschen zu hören, die den Dom besuchen: eine Erinnerung daran, dass die Liturgie kein Rückzugsort bleiben darf, sondern eine Aufbruchsstation werden soll.

Die Synode muss ihren Teil dazu beitragen, Kriege zu beenden und Frieden zu stiften. Und bei sich selbst anfangen, mitten in der Kirche.

Synode mit Söding - Tag 5

vom 8. Oktober 2023

Heute ist Sonntag. Für die Delegierten der Synode heißt es: „vacanza“. Aber die Theologie-Gruppe arbeitet. Um 9 Uhr war im Sekretariat für die Bischofssynode, Via Conciliazone 34, die Eucharistiefeier. Danach startete das Arbeitsprogramm: allgemeine Diskussion, Themenverteilung, Produktion von Texten. Deadline: Mitternacht.

Es gibt 27 „esperti“, alle vom Papst (via Synodensekretariat) berufen. Vom letzten Sonntag bis Dienstag ist das Team ins Trainingslager hier in Rom gegangen, um sich mit den Texten und Themen vertraut zu machen, die in den bisherigen Phasen des weltweiten Synodalprozesses entstanden sind. Die Aufgabe der Gruppe hier vor Ort: Sie soll genau zuhören, was in den Plenaria gesagt wird; sie soll alle Texte aus den Gruppen lesen, möglichst auch die Einzelbeiträge aller Synodalmitglieder, die in die Gruppen eingebracht worden sind; sie soll alles genau reflektieren, um Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu erkennen; sie soll besonders betonte, aber auch vernachlässigte Themen markieren – und dann soll sie einen Text vorbereiten, mit dem sich die Synode insgesamt identifizieren kann.

Die Gruppe ist international. Aus Deutschland kommt noch Myriam Wijlens, eine gebürtige Niederländerin, die in Erfurt Kirchenrecht lehrt. Die anderen Mitglieder stammen aus Argentinien, Australien, Burkina Faso, Belgien, Brasilien, Frankreich, Großbritannien, Irland, Italien, Kanada, Libanon, Österreich/Ungarn/Rumänien, Spanien, Venezuela. Die Hauptsprachen sind Italienisch und Englisch. So gut wie alle theologischen Fachrichtungen sind vertreten, vom Alten und Neuen Testament bis zum Kirchenrecht, von der Kirchengeschichte bis zur Pastoraltheologie, selbstverständlich auch hinreichend Systematische Theologie, besonders Dogmatik. Das Durchschnittsalter: eher gehoben (wozu auch ich beitrage).

Fast alle Mitglieder sind Profs. Die theologischen Erfahrungen sind sehr unterschiedlich. Die Mitglieder kommen aus verschiedenen Kulturen; sie arbeiten an staatlichen und an kirchlichen Fakultäten, an Instituten und an Seminaren. Viele habe Erfahrungen in den kontinentalen Versammlungen gemacht. Viele haben schon über Synodalität nachgedacht und publiziert. Alle stehen dem Projekt des Papstes, Synodalität auf katholisch zu buchstabieren, positiv gegenüber. Ob es Interpretationskonflikte geben wird? Ich bin gespannt und denke: Es kann etwas werden.   

Wissenschaftliche Theologie muss immer kritisch sein; sie muss immer Alternativen denken. Aber sie ist nicht l’art pour l’art. Sie hat auch die Aufgabe, die Kirche sprachfähig zu machen. Die Synode ist ein Ernstfall. Hoffentlich wird sie ein Glücksfall.

Synode mit Söding - Tag 4

vom 7. Oktober 2023

Die erste Etappe der römischen Weltsynode ist geschafft. Zu Beginn ging es um eine Vergewisserung, wo wir stehen (Teil A des Instrumentum laboris): Ist die Lage der Kirche im Vorbereitungsdokument richtig beschrieben worden? Ist die Entwicklung von „Synodalität“ eine angemessene Reaktion auf die Krise? Welche Vorstellungen von Synodalität stehen im Raum, welche Erwartungen und welche Befürchtungen? Mein Eindruck: Der Auftakt ist gelungen.

Meine Überlegung heute: Wer hat gesprochen?

Aus den Kleingruppen wurde berichtet, und es gab freie Beiträge. Mit bemerkenswerten Unterschieden, was die Verteilung der Sprechrollen anbelangt.

Papst Franziskus hat nicht nur Bischöfe, sondern auch 80 weitere Personen als Vollmitglieder der Synode berufen. 1/7 der Mitglieder sind weiblich – das ganze Bild der Synode verändert sich durch diese Berufungen deutlich, ganz zweifellos zum Vorteil.

Bei den Berichten aus den 36 Kleingruppen war der Wind des Wandels schon leicht zu spüren. Nur knapp die Hälfte der Berichte kam von Bischöfen, immerhin etwas mehr als die Hälfte von Priestern, Ordensleuten und Laien (wie sie hier heißen). Beachtlich: Elf Mal hat eine Frau als Sprecherin das Wort ergriffen. Man mag schmunzeln oder mit den Achseln zucken: Das ist in Rom eine Nachricht.

Ich schreibe „nur“ und „immerhin“ und „beachtlich“, weil es bei früheren Synoden undenkbar gewesen wäre, dass andere als Bischöfe die Gesamtverantwortung für eine Kleingruppe der Synode übernommen hätten. Der Frauenanteil muss perspektivisch sicher deutlich gesteigert werden. Er lag aber bei den „speakers“ signifikant höher als in der Gesamtversammlung. Mal sehen, ob dies so bleibt.

Bei den freien Interventionen war die Verteilung deutlich anders. Nahezu ausschließlich ergriffen diejenigen das Wort, die sich routiniert auf Synoden bewegen: Kuriale, Kardinäle, Bischöfe mit römischen Erfahrungen. Bei über 50 Statements kamen keine zehn Wortmeldungen von „Laien“ und keine fünf von Frauen. Damit die Gespräche wirklich „frei“ sind, muss noch einiges passieren – und wird es hoffentlich auch.

Die Aufgabe des „Experten“: Alles hören, das Wichtigste notieren, alles noch einmal nachlesen – und dann in der Theologie-Gruppe Vorschläge für Vorlagen zu den Themen machen, die sich die ganze Synode zu eigen machen kann.

Morgen mehr dazu. 

Synode mit Söding - Tag 3

vom 6. Oktober 2023

Heute ist der ganze Tag für die Synodenaula reserviert. In zwei Wellen, vormittags und nachmittags, kommen die Berichte aus den Kleingruppen, die gestern getagt haben. Sie sollen die Situation reflektieren, in der sich die katholische Kirche befindet. Und es gibt zwei Zeitfenster für freie Diskussionsbeiträge. Die Statements dürfen nicht länger als 3 Minuten sein. Die Uhr läuft mit. 30 Sekunden vor Ablauf ertönt eine elektronische Glocke, 15 Sekunden vorher ein Doppelschlag. Dann springt die Uhr ins Rote – nicht alle bekommen es mit, aber bislang hat noch niemand so lange überzogen, dass der Saft abgedreht wurde, wie ich es aus früheren Synoden kenne.

Wie im Regelwerk vorgesehen, werden die Beiträge nicht veröffentlicht. Das ist schade. Sie geben einen guten Einblick in das, was die Synodalmitglieder bewegt. Vieles wird auch in den Kaffeepausen besprochen, die sehr wichtige Kommunikationsorte sind. (Der Espresso ist gut – die Dolci lachen alle an; aber ich widerstehe, um nicht mit zu viel Gepäck die Rückreise anzutreten). Was im Foyer vor der Aula besprochen wird, aus vielen Ländern dieser Welt, deckt sich zu einem guten Teil mit den Themen in der Aula. Der Smalltalk steht nicht unter dem Päpstlichen Geheimnis – wie allerdings auch die Synode insgesamt nicht, obgleich viele es befürchtet haben.

Die Stimmung ist gut. Die allermeisten Beiträge sind konstruktiv, allerdings auch noch ganz offen. Was besprochen wird, lässt sich schlüssig aus dem Instrumentum laboris ableiten. Synodalität macht die Würde und Berufung aller Getauften stark. Die weitaus meisten Mitglieder der Synode sind Bischöfe. Selbstverständlich steht die Frage im Raum, wie sich die Berufung aller, den Glauben zu leben und die Kirche mitten in der Welt aufzubauen, zur Kompetenz der Amtsträger verhält.

Allzu problemorientiert wird die Beziehung nicht erörtert. Ein zentrales Stichwort lautet in der deutschen Simultanübersetzung „Bildung“. In den anderen Sprachen aber heißt es: „formation“, „formazione“, „formación“. Das ist nicht dasselbe. Der Unterschied zeigt die Herausforderung.

Das Wort „Bildung“ gibt es nur auf Deutsch. Es geht auf den mittelalterlichen Mystiker Meister Eckhart zurück, der den Apostel Paulus interpretiert. Bildung ist eine gekonnte Gestaltung, wie ein Handwerk, das gut ausgeübt wird. Seit Humboldt ist die Pointe die Verbindung von Welt- und Ich-Bezug. „Formation“, „formazione“, „formación“ hingegen ist eher Ausbildung als Bildung: Jemand gibt vor, wohin die Reise gehen soll; das Ziel steht fest – nur die Art und Weise, es zu vermitteln und zu erreichen, steht zur Debatte.

An der sprachlichen zeigt sich die grundlegende Frage: Wie werden und sollen die Taufwürde und die Taufberufung in der katholischen Kirche entfaltet und entwickelt werden? Durch Leute, die wissen, was für andere richtig ist und sie „auf den rechten Weg“ leiten? Oder durch einen Weg der Selbstbestimmung, also der Freiheit, zusammen mit anderen: in der Nachfolge Jesu? Gibt es eine Kirche, in der die einen lehren und die anderen lernen? Oder gibt es eine Kirche, in der sich alle zusammen, wenn auch mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten und Aufgaben, auf den Weg machen, die befreiende Wahrheit des Evangeliums zu entdecken? Nur im zweiten Fall ist die Kirche synodal. Wird das zum Thema werden? Das Gespräch geht weiter.

Morgen, am Samstag, arbeitet die Synode vormittags. Diejenigen, die zur Theologie-Gruppe gehören, sollten sich für den Rest des Tages und den Sonntag nichts anderes vornehmen: Sie sind fest gebucht für die Hintergrundarbeit: Reflexion des Gesagten, Vorbereitung des Dokuments, das gemeinsam beschlossen werden soll.

Synode mit Söding - Tag 2

vom 5. Oktober 2023

Heute tagten zum ersten Mal die über 30 Kleingruppen, die nach Interessensgebieten und Sprachkenntnissen bunt gemischt sind: Ordensleute, „Laien“, Kardinäle, Bischöfe, jeweils moderiert von Personen, die vom Synodensekretariat ausgewählt worden sind.

Die Aufgabe der Kleingruppen: Die Mitglieder sollen einbringen, was aus den Erfahrungen in den eigenen Ländern für die Synode wichtig sein kann. Sie sollen reflektieren, was im Instrumentum laboris aufgenommen wurde oder fehlt. Sie sollen darüber sprechen, wo Spannungen im Raum stehen. Sie sollen noch nicht Lösungen diskutieren, aber sich vergewissern, wo der Schuh drückt und wo der Weg ins Offene verlaufen kann.
Es ist eine tour d’horizon: als Auftakt für eine bessere Orientierung. Ab morgen wird in der Synodenaula aus diesen Gruppen berichtet werden.

Die Theologie-Gruppe der „esperti“ nimmt an diesen ersten Beratungen der Kleingruppen nicht teil, wird aber alle Ergebnisse analysieren und in die Gruppen zurückspiegeln. Dort können dann weitere Klärungen erfolgen, bevor Vorschläge gemacht werden, in welcher Sprache und mit welchen Themen Teil A des Instrumentum laboris – die allgemeine Eröffnung – zu einem gemeinsamen Text der Synode werden kann.

Was wird in den Kleingruppen wichtig werden? Ich bin gespannt. Ein wunder Punkt ist der Missbrauch geistlicher Macht in der Kirche: sexualisiert, spiritualisiert, ideologisiert – vielfach vertuscht. Wer die Berichte der Kontinentalversammlungen und das Instrumentum laboris liest, erkennt: Das Thema ist präsent, aber nicht betont. Eine entscheidende Erkenntnis aller wissenschaftlichen Studien, nicht nur in Deutschland, lautet: Es gibt individuelles Fehlverhalten in einer viel zu großen Zahl, das straf- und kirchenrechtlich sanktioniert werden muss. Es gibt aber auch ein Systemproblem, das Untaten begünstigt, die Opfer verhöhnt und die Täter schützt, um die Institution Kirche nicht zu beschädigen.

Der Blick in die USA, nach Irland, nach Frankreich und Deutschland, in die Schweiz, demnächst auch nach Polen und in viele andere Länder zeigt: Genau durch dieses Taktieren wird die Axt an die Wurzel der Kirche gelegt. Der Glaube selbst wird attackiert. Er muss von Menschen bezeugt werden, die glaubwürdig sind. Wenn denen nicht vertraut werden kann, die qua Amt die Kirche leiten, ist das Ergebnis vorhersehbar: Eine weitere Schuld, zu allem anderen Versagen hinzu.

Die Betroffenen kirchlichen Missbrauchs sind in der Weltsynode nicht offiziell vertreten. Es wird wichtig sein, morgen zu hören, welchen Stellenwert das Thema in den kleinen Gruppen gehabt hat – und wie deutlich es in der Versammlung angesprochen wird.

Ich habe heute die freie Zeit, die ich als „Experte“ hatte, genutzt, um Pater Hans Zollner von der Gregoriana zu treffen Er leitet an der Päpstlichen Universität das Institut für Anthropologie. Er ist einer der Vorkämpfer, der aus der Perspektive der Betroffenen mit den Augen der Psychologie, aber auch der Theologie die Analyse des Missbrauchs geschärft hat, besonders an Kindern. Er hat Ausbildungskurse entwickelt, um diejenigen, die in den Kirchen verantwortlich sind, zu befähigen, das Phänomen richtig einzuschätzen, in Gerichtsverfahren die Wahrheit ans Licht zu bringen und Betroffenen dabei zu unterstützen, mit dem fertigzuwerden, was man ihnen angetan hat.

Auf dem Synodalen Weg in Deutschland musste erst eine Form gefunden werden, die Stimme der Betroffenen hörbar zu machen. Auf der römischen Weltsynode gibt es noch keine Form, die ich erkennen könnte. Desto wichtiger wird es sein, den wunden Punkt nicht zuzupflastern, sondern einen Heilungsprozess zu beginnen, der die Personen nicht instrumentalisiert und die kirchlichen Konstellationen erneuert.

Synode mit Söding - Tag 1

vom 4. Oktober 2023

Die Synode beginnt: strahlend blauer Himmel, wie es sein soll. Schon der Beginn auf den Petersplatz ist ein kleines Zeichen: nicht nur die Kardinäle, die Bischöfe, die Priester ziehen ein, sondern alle Delegierten und alle, die mitarbeiten. Allerdings in der „schönen Ordnung“ traditioneller Fronleichnamsprozessionen, nach Ständen getrennt. In der Aula ist es dann anders: schön gemischt, geordnet nach Sprachgruppen. Und die „Theologie“ am Katzentisch – sehr privilegiert, nämlich mit vollem Überblick von der Peripherie aus.

Heute ist der Festtag des Hl. Franziskus. Der Papst hat Namenstag. Und die Liturgie liefert die Texte, die für die Synode wichtig sind: Aus dem Matthäusevangelium der Jubelspruch Jesu und seine Einladung an die Mühseligen und Beladenen (Mt 11,25-30). In seiner Predigt achtet der Papst auf den Kontext. Der Täufer Johannes fragt: „Bist du es, der da kommen soll, oder müssen wir auf einen anderen warten?“ Und Jesus konnte antworten, indem er seine heilenden Worte und Taten im Licht des Propheten Jesaja beschrieb.

Unausgesprochen liegt die Frage im Raum: „Bist du die Kirche, die Jesus gewollt hat? Oder müssen wir auf eine andere warten?“ Und was könnte die Kirche heute antworten?

Der Papst stellt die Frage nicht direkt, aber indirekt. Ja, die Synode sei kein Parlament, in dem um Mehrheiten gekämpft wird. Ja, es gehe nicht darum, einer Reformagenda zu folgen. Aber die Synode ist ein Gespräch auf dem Weg der Nachfolge. Also muss und wird sich etwas ändern. Die Optionen, so Franziskus, müssen klar sein: für die Armen, für die Marginalisierten. Sie können die Antwort auf die Frage geben, wer die Kirche ist. Die Kirche soll segnen, nicht verfluchen. Die Kirche besteht aus Sündern, die Vergebung erfahren haben. Sie muss gastfreundlich sein. Die Kirche soll wahrnehmen, wo und wie der Heilige Geist wirkt. „Der Heilige Geist bricht dann oftmals unsere Erwartungen, um etwas Neues zu schaffen, das unsere Vorhersagen und unsere Negativität übertrifft.“

Die Motive sind nicht neu – hier wirken sie motivierend. Der Papst stellt Fragen und gibt einen weiten Rahmen vor. Er gibt keine Antworten vor. Das ist nicht schlecht. Aber es wird Antworten brauchen.

Heute ist aber nicht nur der Start der Synode. Das Lehrschreiben des Papstes über die Bewahrung der Schöpfung wird vorgestellt, die Fortsetzung von „Laudato si“ – mit kernigen Botschaften: Die Ökologie ist in der Christologie verankert.

Ist das zu viel auf einmal? Ich denke, dass es ein gutes Zeichen ist: Die Kirche beschäftigt sich nicht nur mit sich selbst. Sie sieht sich als eine globale Kraft, die für Frieden, Gerechtigkeit und die Bewahrung der Schöpfung eintritt. Das ist eine gute Botschaft: Die katholische Kirche paktiert nicht mit autoritären Regierungen, nicht mit Leugnern der Klimakrise, schon gar nicht mit Verschwörungstheoretikern. Sie will die Stimme der Vernunft sein.

Innen- und Außenpolitik gehören zusammen. Was der Papst an Verantwortung und Nachhaltigkeit von der Weltwirtschaft einfordert, muss sich auch die Kirche zu eigen machen.

Am Ende des ersten Beitrags sollte ich klarstellen: Ich halte mich streng an die Kommunikationsregeln, die hier ausgegeben werden – auch wenn ich mir meinen Teil denke. Ich plaudere nichts aus – aber ich plaudere auch nicht nur. Diskretion ist selbstverständlich. Aber dort, wo die Synode öffentlich sichtbar und hörbar wird, dort will ich versuchen, zu analysieren, zu kontextualisieren, zu interpretieren.

Und noch etwas: Nicht jeder Blog wird so lang wie dieser.

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